Peter Wolff

Vendetta Colonia


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Und das Apfelmus ist selbst gemacht, das schmeckt man.“

      „Kurt, trockene Luft hier am Tisch bei uns. Kannst Du da etwas gegen unternehmen?“

      „Ich eile, Werner. Schmeckt es den Herren denn?“

      „Wunderbar, Junge.“

      23

      Guiseppe Scirelli ist ob des Telefonates mit seiner Tante Francesca, er nennt sie so, obgleich kein direktes Verwandtschaftsverhältnis besteht, sehr erregt.

      Er bittet seinen Vater Andrea und seinen Onkel Gianni um ein kurzfristiges Gespräch. Auch Luigi Tardea, Cousin von Antonio und einer der mächtigsten Männer im Tardea-Scirelli-Clan, soll anwesend sein. Noch bevor Guiseppe bei seiner Tante Einzelheiten zu erfragen gedenkt, möchte er mit den Mächtigen in der Großfamilie abklären, wie man mit der schlimmen Nachricht aus Deutschland verfährt.

      Luigi Tardea trifft als Erster im Cafe Letizia ein.

      „Ciao Guiseppe.“

      „Luigi, schön, Dich zu sehen!“

      „Was gibt es denn so dringendes?“

      „Lass uns warten, bis mein Vater und mein Onkel eingetroffen sind, ja?“

      „Gut. Wie geht es Dir, mein Junge?“

      „Soweit gut. Und wie sieht es bei Euch aus?“

      „Alberta geht es gar nicht gut. Sie ist ziemlich durcheinander, vergisst dieses und jenes und verläuft sich ab und an.“

      „Das hört sich gar nicht gut an. Ist es etwas ernstes?“

      „Wir wissen es nicht. Nächste Woche wird sie gründlich untersucht.“

      „Dann hoffen wir mal das Beste“.

      „Beten sollten wir. Beten...“.

      „Ja, natürlich.“

      Ein Auto hält auf dem kleinen Parkplatz des Cafes, Andrea und Gianni steigen aus.

      „Da seid Ihr ja schon. Und eine Flasche vino habt ihr auch schon bestellt, fein“, begrüßt Gianni die beiden Wartenden am Tisch.

      „Hallo Luigi, ciao Guiseppe, mein Sohn“, Andrea Scirelli umarmt die beiden Männer.

      „Schön, dass wir uns treffen. In letzter Zeit haben wir die Familientreffen etwas vernachlässigt.“

      „Das stimmt – wir haben halt alle viel um die Ohren“, meint Luigi.

      Andrea schenkt allen Wein ein und richtet das Wort an seinen Sohn.

      „Nun, Guiseppe, was hat Dich dazu bewogen, uns vier hier zusammenkommen zu lassen?“

      „Es ist leider kein schöner Anlass, der uns hier zusammenführt.“

      „Was ist passiert, ragazzino?“, fragt Gianni.

      „Onkel, nenn' mich bitte nicht mehr kleiner Junge, ja?!“

      „Ist in Ordnung, Guiseppe, die Zeit vergeht so schnell, ich sehe Dich immer noch als kleinen Jungen vor mir.“

      „Nun mal los, Guiseppe. Worum geht es?“, mischt sich Andrea ein.

      „Francesca hat einen Anruf aus Deutschland erhalten. Clarissas Schwangerschaft bereitet Komplikationen.“

      „Nein!“, ruft Luigi entsetzt. „Wie schlimm ist es?“

      „Das weiß ich noch nicht genau, ich habe nur kurz mit Tante Francesca gesprochen. Bevor ich Näheres erfrage, wollte ich zuerst mit Euch reden.“

      „Worüber denn, Guiseppe?“ fragt Gianni

      „Nun, darüber, dass das Kind möglicherweise behindert zur Welt kommt.“

      „Das ist ja furchtbar“, Andrea senkt das Haupt.

      „Ja, das ist es. Nicht nur für das Kind, sondern auch für die Famiglia.“

      „Du meinst den Familienstolz, Guiseppe, nicht wahr?“

      „Sicher meine ich den. Ihr wisst wie ich, dass es mit dem Ruf und dem Ansehen der Famiglia nicht vereinbar ist, ein behindertes Kind aufzunehmen.“

      „Das war vielleicht vor zehn, fünfzehn Jahren mal so, Guiseppe“, wendet Luigi ein. „Aber heute?“

      „Da liegst Du falsch, Luigi. Ein Kollege gehört zum Clan der Mazzeolis. Ich habe zufällig ein Telefonat von Alessandro Mazzeoli mitangehört. Auch die Famiglia Mazzzeoli sollte vor ein paar Monaten Nachwuchs bekommen, ein Mädchen, das geistig schwerstbehindert gewesen wäre.“

      „Sollte..., gewesen wäre...?!“, wundert sich Gianni.

      „Ja, Onkel Gianni. Die Mazzeolis haben sich dafür entschieden, dem Kind ein solches Leben zu ersparen.“

      „Sie haben es abgetrieben?“

      „Genau.“

      „Das ist ja schrecklich!“, Luigi schüttelt den Kopf.

      „Aber vielleicht besser so“, wirft Guiseppe ein.

      „Mein Sohn, ich glaube nicht, was Du da sagst. Meinst Du etwa, das Kind von Clarissa und Werner sollte niemals das Licht der Welt erblicken?“

      „Genau. Denkt an die Famiglia.“

      „Guiseppe, wir haben in den Jahren nach dem Krieg viel erreicht. Heute sind wir eine Familie von hohem Ansehen. Wir haben Macht, Geld und Einfluss. Auch, weil wir uns manchmal am Rande der Legalität bewegt haben. Aber Mord? Nein, damit hatte unsere Familie nie etwas zu tun. Und das soll auch so bleiben“, Antonio wird laut.

      „Aber Papa, das ist doch kein Mord. Wir tun sowohl den Eltern als auch dem Kind doch einen Gefallen. Was ist das denn für ein Leben mit Behinderung? Und außerdem: Denkt alle an unser Ansehen! Es ist ein Zeichen von Schwäche, ein behindertes Kind in der Familie zu haben, das wisst ihr!“

      „Sicher wissen wir das, ragazzino. Aber ich pflichte Deinem Vater bei: Mit so etwas wollen wir nichts zu tun haben!“, vertritt auch Gianni den Standpunkt seines Bruders.

      Guiseppe springt von seinem Stuhl auf.

      „Und Du, Luigi? Vertrittst Du auch die Meinung der älteren Herren hier am Tisch?“

      „Ich kann Dich verstehen, Guiseppe. Aber es muss doch auch eine andere Lösung geben.“

      „Gibt es die, ja?“, „Cameriera, bitte noch eine Flasche Wein für die Herren.“. „Ihr könnt ja noch ein wenig über die Alternativen nachdenken. Vielleicht kommt ihr doch noch zur Vernunft. Der Abend geht auf mich!“

      Guiseppe knallt ein Bündel Geldscheine auf den Holztisch und verlässt das Cafe.

      24

      Paul Schmitz macht sich nach dem Treffen mit seinem Bruder Werner große Sogen. Ihm ist bewusst, wie sehr sich Clarissa auf das Baby gefreut hat und dass es sie ungemein treffen würde, käme der Nachwuchs behindert zur Welt.

      Paul selbst weiß, bedingt durch seine Kriegsverletzung, in deren Folge ihm ein Beim amputiert werden musste, nur zu genau, was es heißt, ein Handicap zu haben.

      Nach anfänglichen Schwierigkeiten hat er sich mit seinem „neuen Leben“ als Beamter arrangiert.

      Sicher, er wäre viel lieber weiterhin als reisender Verkäufer durch die Lande gezogen, war doch ein Bürojob eigentlich nie das, was er angestrebt hatte. Aber das Schicksal hat es anders gewollt.

      Und die Vorteile des Beamtentums, den pünktlichen Feierabend, die finanzielle Absicherung und den krisensicheren Arbeitsplatz, weiß Paul Schmitz mittlerweile durchaus zu schätzen.

      Privat indes läuft es weniger gut. Pauls Ehe funktioniert mehr schlecht als recht, auch, weil sich seine Frau Hedwig