Entschuldigung gelten lassen.“
Jacqueline wurde bleich und zitterte bei Meister Peters Antwort, dessen Stimme und Blick, stets rau, stechend und unfreundlich, in Fällen, wo er Zorn oder Verdacht ausdrückte, eine sehr düstere Färbung annahm. Quentin Durward aber eilte Jacqueline entgegen, um ihr die Last, die sie trug, abzunehmen. Sie ließ sie ihm auch willig, aber beobachtete mit schüchternem, ängstlichem Blick das Gesicht des zornigen Bürgers. Es war unmöglich, dem durchdringenden, um Mitleid flehenden Ausdruck ihrer Blicke zu widerstehen, und Meister Peter fuhr nun, nicht bloß mit vermindertem Groll, sondern mit Artigkeit fort: „Ich tadle Dich nicht, Jacqueline, denn Du bist zu jung, um das schon zu sein, was Du einst, ich denke nur mit Schmerz daran, werden musst, ein falsches, verräterisches Wesen, wie alle Deines wankelmütigen Geschlechts. Niemand erreicht das eigentliche Mannesalter, ohne dass sich ihm Gelegenheit geboten hätte, Euch alle kennen zu lernen. Hier ist ein schottischer Kavalier, der wird Dir dasselbe sagen.“
Jacqueline blickte augenblicklich den jungen Fremden an, so, als wollte sie nur Meister Peter gehorchen; allein so flüchtig der Blick auch war, so schien es Durward doch, als ob darin eine Aufforderung zu Unterstützung und Teilnahme liege, und mit der Schnelligkeit, die sein jugendliches Gefühl ihm eingab, sowie mit der durch seine Erziehung ihm eingeflößten romantischen Verehrung des weiblichen Geschlechts antwortete er: Er wolle sogleich seinen Handschuh jedem hinwerfen, der zu behaupten wage, dies Wesen, dem er jetzt ins Auge schaue, sei nicht von den reinsten und aufrichtigsten Gesinnungen beseelt.
Das junge Mädchen wurde totenbleich und warf einen misstrauischen Blick auf Meister Peter, der über die Prahlerei des galanten Jünglings nur verächtlich lächelte.
„Ihr seid ein törichter Mensch“, sagte er zu dem Schotten, „und versteht Euch ebenso wenig auf die Weiber, als auf die Fürsten, deren Herzen“, hier schlug er andächtig ein Kreuz, „Gott in seiner rechten Hand hält.“
„Und wer hält denn die Herzen der Weiber?“, fragte Quentin, entschlossen, sich von dem Übergewicht dieses seltsamen alten Mannes nicht weiter in die Enge treiben zu lassen.
„Da müsst Ihr schon in einem andern Quartier vorfragen“, sagte Meister Peter mit Ruhe.
Quentin war abermals zurechtgewiesen, jedoch nicht völlig aus der Fassung gebracht. Während er aber noch bei sich dachte, dass er dem alten Manne zu viel Ehre wegen des Frühstücks antue, und dass er doch ein schottischer Edelmann mit Stammbaum und Wappenrock bleibe diesem Handwerker von Tours gegenüber, streichelte dieser Jacquelinens lange Haarflechte und sagte mit Lächeln: „Der junge Mann da wird mich bedienen, Jacqueline; Du kannst wieder gehen. Ich werde es Deiner nachlässigen Mutter sagen, dass sie sehr übel daran tut, Dich so unnötigerweise jungen Gaffern auszusetzen.“
„Ich wollte Euch ja nur aufwarten“, sagte das Mädchen, „und hoffentlich werdet Ihr deshalb nicht böse sein auf Eure Verwandte, denn ...“
„Sappalot!,“ rief der Kaufmann, indem er ihr, obgleich nicht mit Rauheit, ins Wort fiel, „Du willst Dich doch nicht in einen Wortkampf mit mir einlassen, oder bleibst Du am Ende, um den jungen Mann recht zu betrachten? Geh nur! Es ist ein Edelmann und seine Bedienung ist hinreichend für mich.“
Jacqueline verschwand, und Quentin Durward nahm so großen Anteil an diesem plötzlichen Verschwinden, dass er darüber den Faden seiner Betrachtungen verlor und ganz mechanisch gehorchte, als Meister Peter, sich nachlässig in den großen Armstuhl werfend, mit dem Tone eines Mannes, der zu befehlen gewohnt ist, sagte: „Setze den Teller hier neben mich!“
Der Kaufmann senkte jetzt seine dunklen Augenbrauen über die scharfen Augen, so dass man sie kaum noch sah, oder schoss dann und wann einen lebhaften Blick darunter hervor, gleich Sonnenstrahlen hinter dunklem Gewölk. Je öfter und fester er ihn jetzt betrachtete, umso stärker ward seine Neugier, zu erfahren, wer und was der Mann eigentlich war, den er in seinen Gedanken wenigstens für einen Syndikus oder eine hohe Person von Tours hielt. Unterdessen schien der Kaufmann abermals in tiefes Gedanken versunken zu sein, aus dem er sich bloß erhob, um entweder das Zeichen des Kreuzes zu machen, oder etwas von den gedörrten Früchten nebst einem Stückchen Zwieback zu sich zu nehmen. Dann winkte er Quentin, ihm den Becher zu reichen, und als er den Wein, mit Wasser vermischt, ausgetrunken hatte, zog er einen großen, aus Seeotterfell verfertigten Beutel hervor und schüttete eine Menge kleiner Silbermünzen in den Becher, bis er über die Hälfte voll sein mochte.
„Ihr hättet wohl Ursache, dankbarer zu sein junger Mann“, sagte Meister Peter, „sowohl Eurem Patron Saint-Quentin, wie dem heiligen Julian, als Ihr es, dem Anschein nach, seid. Ich möcht Euch raten, in ihrem Namen Almosen zu verteilen. Bleibt indes in diesem Gasthaus, bis Ihr Euren Verwandten, Ludwig mit der Narbe, gesprochen habt; er wird nachmittags von der Wache abgelöst. Ich will's ihn wissen lassen, dass Ihr hier seid; denn ich habe Geschäfte im Schloss.“
Durward wollte sich entschuldigen, dass er die Freigebigkeit seines neuen Freundes nicht anzunehmen wage; allein Meister Peter sagte, indem er seine dunklen Augenbrauen zusammenzog und seine gebückte Gestalt mit einer Würde, die Durward noch gar nicht an ihm bemerkt hatte, emporrichtete, in einem gebieterischen Tone: „Keinen Einwand! Tu, was Dir befohlen wird!“ Mit diesen Worten verließ er das Gemach, Quentin durch einen Wink begreiflich machend, dass er ihm nicht folgen solle. Dieser blieb verwundert zurück und wusste durchaus nicht, was er von der Sache denken solle. Sein erster und natürlichster, wenn auch eben nicht der würdigste Antrieb war, in den silbernen Becher zu gucken, der über die Hälfte mit Geldstücken angefüllt war, die sich wohl auf einige Dutzend belaufen konnten, während Quentin in seinem ganzen Leben noch keine zwanzig besessen hatte. Ließ es sich aber auch mit der Würde eines Edelmanns vereinigen, das Geld von dem reichen Plebejer anzunehmen? Das war freilich eine bedenkliche Frage; denn wenn er auch ein gutes Frühstück zu sich genommen hatte, so hatte er doch kein Geld, um entweder nach Dijon zurückzureisen, falls er es wagen sollte, sich dem Zorn des Herzogs von Burgund auszusetzen, oder um sich nach Saint-Quentin zu begeben, wenn er sich für den Connetable Saint-Paul entschied. Vielleicht fasste er unter diesen Umständen den klügsten Entschluss, indem er sich vornahm, sich der Leitung seines Onkels anzuvertrauen. Er steckte einstweilen das Geld in den samtenen Falkenbeutel und rief den Wirt des Hauses, um ihm den Becher wieder zurückzugeben und sich über den freigebigen und verschwenderischen Kaufmann bei dieser Gelegenheit zu erkundigen.
Der Wirt zeigte sich, wenn auch nicht mitteilsam, doch gesprächiger als vorhin. Er weigerte sich unbedingt, den silbernen Becher zurückzunehmen, da er nicht ihm, sondern dem Meister Peter gehöre, der ihn seinem Gaste geschenkt habe.
„Aber ich bitt Euch“, rief Durward, „sagt mir bloß, wer dieser Meister Peter ist, der Fremden so beträchtliche Geschenke macht?“
„Meister Peter?“, fragte der Wirt, die Worte dabei so langsam aus seinem Munde fallen lassend, als ob er sie destillieren wolle.
„Ja doch!“ wiederholte Durward schnell und bestimmt; „wer Meister Peter ist, frage ich, und warum er mit seinen Geschenken in dieser Weise um sich wirft? Und wer der Kerl ist, der einem Fleischer ähnlich sieht und der das Frühstück bestellen musste?“
„Da hättet Ihr ihn selbst fragen sollen, den Meister Peter; was aber den Herrn betrifft, der das Frühstück bei mir bestellt hat, so mag uns Gott vor seinem näheren Umgange bewahren!“
„Dahinter steckt ein Geheimnis!“, sagte der junge Schotte; „Meister Peter hat mir gesagt, er sei ein Kaufmann.“
„So? Dann ist er auch sicher ein Kaufmann.“
„Mit was für Ware handelt er denn?“
„O, mit allerhand, besonders aber hat er Seidenmanufakturen hier angelegt, die ganz ebenso schöne Sachen liefern, wie die Venetianer aus Indien und Kathai bringen. Habt Ihr nicht die Reihen von Maulbeerbäumen gesehen, als Ihr hierher kamt? Die sind alle auf Meister Peters Befehl angepflanzt worden, zur Nahrung für die Seidenwürmer.“
„Allein das junge Mädchen, das die gedörrten Pflaumen hereinbrachte, wer ist denn die, guter Freund?“, fragte der Gast.
„Sie wohnt bei mir, Sir, mit ihrer Aufseherin, wohl einer Base, wenn ich