Walter Scott

Quentin Durward


Скачать книгу

Stelzen hätte laufen sehen. Aber setz Dich doch! Hast Du was Trauriges zu berichten, so steht Wein hier, der wird's uns tragen helfen. Heda, Alter! Noch einen Humpen vom besten!“

      Im Nu stand eine Flasche der besten Champagner-Marke vor ihnen, denn in den Schenken von Plessis kannte man die Bogenschützen zu gut, um sie auch nur eine Sekunde warten zu lassen. Quentin nippte jedoch, weil er heut Morgen schon einmal Wein getrunken hatte, an dem Humpen, während der Onkel einen derben Zug daraus tat ... „Säß Deine Schwester an Deiner statt hier, dann möcht ich solche Entschuldigung gelten lassen“, erwiderte Balafré, „so aber rate ich Dir, vor einem Weinkruge Dich nicht so zimperlich zu benehmen, denn ich denke doch, Du willst auch mal einen Bart bekommen und ein tapferer Soldat werden. Also trink! Und dann los mit den Neuigkeiten, die Du von unserem Glenhulakin weißt. Was macht meine Schwester?“

      „Die ist gestorben, lieber Ohm!“

      „Was? Gestorben?“, wiederholte Balafré, mehr im Tone der Verwunderung als des Mitgefühls, „wie kann das sein? Sie war doch fünf Jahre jünger als ich, und wohler als sie hab ich mich doch mein Lebtag nicht befunden ... Soso! Gestorben also ist sie? Hat sich Dein Vater wieder verheiratet?“

      Ehe aber der Jüngling noch eine Antwort auf diese weitere Frage gefunden hatte, fiel ihm der Onkel schon mit der Frage dazwischen: „Was? Nicht wieder verheiratet? Ich lese Dir die Antwort ja in den Augen, Junge! Ich hätte Gott weiß was wetten mögen, dass Allan Durward nicht ohne Frau werde leben können ... Ordnung in seinem Haus ging ihm doch über alles, und ein hübsches Weib hatte er immer gern vor Augen. Wie kann er das haben, ohne verheiratet zu sein? Ich mach mir dagegen aus all den Bequemlichkeiten nicht sonderlich viel, sehe wohl auch ganz gern mal ein Frauenzimmer, aber deshalb gleich ans Sakrament der Ehe zu denken, ist nicht mein Fall. Dazu fehlt es mir an der nötigen Heiligkeit.“

      „Aber, lieber Onkel, die Mutter war ja schon ein ganzes Jahr Witwe, denn die Ogilvies waren in Glenhulakin eingefallen, und dabei ist der Vater mit den beiden Onkels und meinen beiden älteren Brüdern, auch noch sechs von unsern Leuten, dem Harfner und dem Arbeitsvogt, umgekommen. Bei uns in Glenhulakin raucht kein Herd mehr, und kein Stein steht mehr auf dem andern.“

      „Beim Kreuze des heiligen Andreas!“, rief Balafré, „das muss ja bös hergegangen sein! So eine Niederlage ist noch nicht dagewesen. Freilich, die Ogilvies waren immer schlimme Nachbarn. Wann ist denn die unglückliche Affäre passiert?“ Als ihm der Neffe sagte, es sei am Sankt-Judasfeste gewesen, nahm Balafré einen tüchtigen Schluck und schüttelte dann mit großem Ernste das Haupt ... „Da siehst Du's, Neffe“, sagte er, „es ist nun mal im Krieg alles Zufall. Bald hat's an dem, bald an jenem gelegen. Ich bin am selben Tage mit zwanzig Berittenen gegen Schloss Rochenoir ausgezogen und hab's im Sturm genommen, und hatte es mit einem gar schlimmen Gegner zu tun, mit Amaury, dem Eisenarm, von dem Du doch sicher schon gehört hast. Den hab ich vorm Portal niedergehauen und hab in dem Schloss so viel Gold erbeutet, dass ich mir die güldene Kette hab schmieden lassen, die noch zweimal so lang war, wie jetzt ... da fällt mir übrigens ein, dass ich einen Teil davon auf ein frommes Gelübde verwenden muss. He, Andreas! Andreas!“

      Sein Trabant dieses Namens trat in die Stube, fast genau wie der Bogenschütze selbst gekleidet, bloß die Beinschienen fehlten ihm, und die Rüstung war weit gröber gearbeitet, auf der Mütze fehlte der Federstutz und sein Oberkleid war weniger weit, und statt aus Samt nur aus Baumwolle und grobem Tuch. Balafré nahm die Goldkette vom Hals, biss mit seinen unverwüstlichen Zähnen etwa zwei Zoll davon ab und gab das Stückchen dem Trabanten. „Da, Andreas! Trag das zu Pater Bonifaz, nach Sankt-Martins hinüber, bestell ihm einen Gruß und sag ihm, ich trüg ihm nicht weiter mehr nach, dass er nach unserer letzten Kneiperei ohne Adieu sich von mir gedrückt hätte. Dann sag ihm auch, mein Bruder und meine Schwester und die ganze Glenhulakiner Sippe seien tot, und er solle so gut sein, für ihre Seele ein paar Messen zu lesen. Was ich ihm durch Dich von meiner goldenen Kette schickte, würde schon als Kirchenlohn für das bisschen Messelesen ausreichen. Sag ihm auch, meine Sippe in Glenhulakin hätte immer einen gottesfürchtigen Wandel geführt, und wenn er daraufhin vielleicht meinte, sie könnten schon ohne Messe aus dem Fegefeuer heraus sein, so soll er das Geld auf einen Fluch gegen das hundsföttische Gesindel dieser Ogilvies verwenden ... auf welchem Wege, soll ihm überlassen bleiben, aber er soll denjenigen wählen, auf dem ihnen am besten beizukommen ist ... Verstanden, Halunke?“

      Der Trabant nickte. „Hüte Dich aber“, rief Balafré noch, „dass sich ja nicht etwa ein Glied von dem abgebissenen Kettenstück ins Wirtshaus verirre! Denn dann machst Du Bekanntschaft mit Steigriemen und Sattelgurt, und zwar so lange, bis Deine Haut aufspringt ... Ich merke schon, Kerl, Du hast schon wieder mal Durst? Na, dann nimm einen tüchtigen Schluck, ehe Du Dich auf den Weg machst.“ Mit diesen Worten reichte er ihm einen vollen Humpen. Der Trabant leerte ihn bis zur Neige. Dann entfernte er sich, um dem Pater den Auftrag zu bestellen.

      „So, Neffe“, wandte sich nun Balafré wieder an Quentin Durward, „nun sag mir, wie Du eigentlich bei der Affäre mit blauem Auge davongekommen bist?“

      „Ich stand mit den älteren und stärkeren zusammen in Reih und Glied gegen die feindlichen Ogilvies“, erwiderte Durward, „und hab mitgekämpft, bis wir schließlich unterlagen. Ein böser Schlag streckte mich nieder, und ich trug eine schlimme Wunde davon.“

      „Das ist mir vor 10 Jahren nicht besser gegangen“, erwiderte der Onkel, „wie sie mich damals herausgeputzt haben, das kannst Du mir ja heute noch ansehen.“ Bei diesen Worten wies er auf die dunkelrote, tiefe Furche, die sein Gesicht in der Quere schnitt; „dergleichen Risse hat noch kein Schwert eines Ogilvie gezogen!“

      „Zerrissen haben die Ogilvies gerade genug“, versetzte Quentin, „aber sie hatten schließlich ihren Blutdurst gestillt und gaben mich auf Bitten meiner Mutter los. Es war gerade ein Mönch von Aberbrothock in der Nähe, und dem erlaubten sie, mich zu verbinden; ich musste jedoch, zusammen mit der Mutter, geloben, Mönch zu werden.“

      „Du, und Mönch?“, rief Balafré, „so was ist ja noch nicht dagewesen! Mich hat noch nie jemand, auch im Traume nicht, in eine Mönchskutte zu stecken gewagt; dass ich wenigstens nicht wüsste und doch muss ich mich eigentlich, wenn ich darüber nachdenke, wundern, denn ich hätte doch ganz sicher keinen schlechten Pater abgegeben. Aber mag es drum stehen, wie es wolle, mir hat's bis jetzt niemand zugemutet, einen solchen Berufswechsel vorzunehmen; und Dir ist das zugemutet worden, Neffe? Warum denn bloß, um alles in der Welt?“

      „Damit unser ganzes Geschlecht aus der Welt getilgt werde!“, erklärte Quentin Durward, „wenn nicht im Grabe, so doch im Kloster!“

      „Hm, nun verstehe ich“, erwiderte Balafré, „diese Ogilvies sind doch ganz infame Halunken! Doch hätten sie sich damit betrügen können! Wie war's denn mit dem Probst Robsart? Der fällt mir gerade ein! Er hatte doch auch die Weihen bekommen, war aber dann aus dem Kloster geflohen und Hauptmann bei einer Freikompagnie geworden. Er nahm sich ein allerliebstes Weib und zeugte mit ihr drei Jungen. Dem Mönchsvolk, lieber Neffe, ist nun mal nicht über den Weg zu trauen, ein Mönch wird Soldat und Vater von Kindern, ehe man sich's versieht. Aber erzähle weiter von Deinen Glenhulakiner Geschichten!“

      „Da gibt's nicht viel mehr zu erzählen, Onkel“, antwortete Durward, „ich musste eben ins Kloster, wurde Novize, musste nach den Klosterregeln leben und sogar lesen und schreiben lernen.“

      „Lesen und schreiben, sagst Du?“, rief Balafré, der zu den Leuten gehörte, die alle Kenntnisse, die das Maß des eignen Wissens übersteigen, für Wunderdinge ansehen, „so was ist ja noch nicht dagewesen! Das kann man doch nicht glauben! Welcher Durward hätte wohl vor Dir seinen Namen schreiben können? Ein Lesley doch auch nicht! Ich bin der Letzte von den Lesleys und kann so wenig schreiben wie fliegen! Aber, beim heiligen Ludwig! Wie haben sie es denn bloß angestellt, dass sie Dir das beigebracht haben?“

      „Zuerst war's freilich schwer“, erklärte Durward, „dann ist's leichter geworden. Wie bei allem im Leben, kommt's hier eben auf die Übung an. Ich war infolge des starken Blutverlustes schwach zum Umfallen und wollte meinem Retter, Pater Peter, kein Herzleid bereiten. Drum gab ich mir auch alle Mühe, aufzupassen, und dann ist die Mutter auch krank geworden und gestorben, und da hat sich's in einem günstigen