Simon Lieb

Schienengüterverkehr in der Schweiz


Скачать книгу

angekündigt wurde. Er steht in einer schwierigen Ausgangslage und hat seit etwa 2005 Mengen verloren. Neben dem SGV in der Fläche gibt es den Transitverkehr, der im Zusammenhang mit der Alpen-Initiative etwas bekannter ist. Dieser wird aber nicht behandelt. Der Strassengüterverkehr schliesslich ist zwar nicht zentraler Bestandteil dieser Maturaarbeit, doch kann der SGV nicht losgelöst von diesem betrachtet werden, weshalb immer wieder von ihm zu hören sein wird.

      Neben den positiven Effekten – der Verteilung von Gütern – hat der Güterverkehr aber auch starke negative Auswirkungen auf Mensch und Umwelt: Es werden CO2-Emissionen ausgestossen, Feinstaub- und Lärmemissionen beeinträchtigen Mensch und Umwelt und Strassen zerschneiden Ökosysteme. Der heutige Umgang mit der Umwelt ist nicht nachhaltig.

      Daraus ergibt sich die folgende Zielsetzung:

      Diese Maturaarbeit soll aufzeigen, wie der Schienengüterverkehr in der Fläche weiterentwickelt werden kann, um das Ziel eines nachhaltigen Umgangs mit der Umwelt im Bereich des Güterverkehrs zu erreichen.

      Konkret sollen die CO2-Emissionen auf null gesenkt und die weiteren negativen Auswirkungen wie Luftschadstoffemissionen, Flächenverbrauch, Habitat-Zerschneidung, Lärmemissionen und Energieverbrauch auf ein umweltverträgliches, nachhaltiges Niveau reduziert werden.

      Dabei sollen die folgenden drei Leitfragen beantwortet werden:

      (1) Wie sieht das heutige Schienengüterverkehr-System in der Fläche aus, was sind die bestehenden Probleme und was sind Ursachen dafür?

      (2) Wie können die Eisenbahnverkehrsunternehmen das schweizerische Schienengüterverkehrs-System in der Fläche weiterentwickeln und verbessern, um möglichst viele Gütertransporte von der Strasse auf die Schiene zu verlagern?

      (3) Mit welchen politischen Massnahmen kann das Ziel eines nachhaltigen Umgangs mit der Umwelt im Bereich des Güterverkehrs erreicht werden?

      Es werden verschiedene Möglichkeiten der Weiterentwicklung aufgezeigt und diskutiert, es geht aber nicht darum, genau zu evaluieren, was und in welchem Umfang zur Zielerreichung notwendig ist.

      Um die Fragestellungen zu beantworten, wurden eine Literaturrecherche und fünf Interviews mit Interviewpartnern von verschiedenen Institutionen durchgeführt. Diese Interviews sind im Anhang aufgeführt. Die gewonnenen Informationen wurden analysiert und mit eigenen Überlegungen und Schlussfolgerungen zusammengeführt.

      Nach einer kurzen Einführung in den Güterverkehr folgt die Beschreibung des heutigen SGVs in der Fläche. Um die Ursachen für die heutigen Probleme zu verstehen, wird danach ein Rückblick auf die historische Entwicklung des SGVs gemacht. Bevor aktuelle Prognosen zur Entwicklung des Güterverkehrs vorgestellt werden, werden die negativen Auswirkungen des Güterverkehrs behandelt. Dann folgt ein Kapitel, in dem von den Eisenbahnverkehrsunternehmen umsetzbare Innovationen aufgezeigt werden und ein Kapitel, in dem Massnahmen, die vom Staat ergriffen werden können, diskutiert werden. Schliesslich werden in einem Fazit die wichtigsten Ergebnisse zusammengeführt.

      Bereits der Gang zum Coop oder Migros könnte als Gütertransport bezeichnet werden. Doch unter Güterverkehr wird die ausserbetriebliche, geschäftsmässige «Beförderung von Gütern durch Verkehrsmittel»1 verstanden. Das heisst, nicht der Einkauf im Coop, sondern dessen Belieferung mit Nahrungsmitteln wird als Güterverkehr definiert. Logistik als umfassenderer Begriff bezeichnet alle Aktivitäten, rund um Transport, Umschlag und Lagerung von Waren.

      Der Güterverkehr ist für die Ver- und Entsorgung der Gesamtwirtschaft und Bevölkerung essenziell.2 Er versorgt Privathaushalte, Unternehmen und Geschäfte mit Gütern und ist deshalb für das Funktionieren der Wirtschaft von zentraler Bedeutung.

      Güterverkehr kann zu Land, zu Wasser oder in der Luft erfolgen. Diese Arbeit befasst sich mit dem Güterverkehr zu Land, der sich auf die Verkehrsträger Eisenbahn und Strasse aufteilt.

      Die Verkehrsträger haben verschiedene systembedingte Vor- und Nachteile.3 Da die Eisenbahn spurgebunden ist, können lange und schwere Züge mit geringem Flächenbedarf transportiert werden. Dies prädestiniert sie für den Transport schwerer Güter in grossen Mengen. Der Luftwiderstand ist vergleichsweise klein, zudem ist der Rollwiderstands zwischen Stahlrad und Stahlgleis im Vergleich zur Strasse sehr klein, weshalb der Energieverbrauch etwa um den Faktor fünf bis sieben kleiner ist (vgl. Kapitel 5.5).

      Der Strassengüterverkehr hat den Vorteil, dass er aufgrund des dichteren Strassennetzes jedes Unternehmen und jeden Haushalt direkt anfahren kann. Weiter kann er all diese Punkte direkt miteinander verbinden und transportiert kleinere Gefässgrössen. Seine Flexibilität ist somit viel grösser.

      Im Gegensatz zum Lkw kann ein Zug nicht einfach jederzeit auf der Schiene fahren, sondern muss dafür Trassen fahrplanmässig reservieren. In Folge kann er eine hohe Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit haben, ist aber weniger flexibel. Bei kleineren Mengen kann der Schienengüterverkehr (SGV) keine Direktverbindung zum Zielpunkt anbieten, sondern muss Güterwagen verschiedener Kunden einsammeln, zu einem Güterzug zusammenführen und am Schluss wieder verteilen, was kosten- und zeitintensive Umschlagtätigkeiten impliziert (vgl. Kapitel 4.2.2).

      Die sogenannten Fix- oder Bereitstellungskosten sind auf der Schiene sehr hoch. Das sind die Kosten, die unabhängig von der transportierten Menge anfallen, etwa die Infrastruktur- oder Rollmaterialkosten. Hingegen sind die variablen Kosten, die durch den Transport der Güter entstehen und somit mengenabhängig sind, sehr klein. So fallen bei jedem Güterzug die Kosten für die Lokomotive, den Lokführer und Infrastrukturkosten wie Trassenbenutzungsgebühren an, unabhängig davon, ob ein oder zehn Güterwagen angehängt werden. Deshalb ist der SGV beim Transport über lange Strecken mit grossen Mengen gegenüber Lkws im Vorteil, während dieser bei der Feinverteilung und kleinen Sendungsgrössen tendenziell stärker ist (vgl. Abbildung 1). Besonders bei regelmässigen Massenguttransporten kann der SGV seine Stärken ausspielen.

Image

      Auch durch das politische Regulativ ergeben sich Vor- und Nachteile für die verschiedenen Verkehrsträger (vgl. Kapitel 4.3). Die systembedingt unterschiedlichen negativen Auswirkungen auf die Umwelt werden im Kapitel 6 behandelt.

      Um herauszufinden, wie der SGV weiterentwickelt und verbessert werden kann, ist es zuerst notwendig, das heutige SGV-System zu kennen. Um sich ein erstes Bild davon machen zu können, geht es in diesem Kapitel zuerst darum, wie der heutige Güterverkehrsmarkt aussieht. Es wird aufgezeigt, wie viele Güter transportiert werden, wie deren Aufteilung auf die Verkehrsträger ist und wie sich dies in der Vergangenheit entwickelt hat. Auch werden die räumliche Verteilung der Güterverkehrsströme, die transportierten Warenarten, die Aufteilung auf die Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVUs) und zum Schluss die Kundenanforderungen beschrieben. In einem zweiten Teil wird erklärt, auf welche Arten und Weisen SGV durchgeführt wird. Zuletzt folgt ein kurzer Einblick in die heutige Güterverkehrspolitik.

      Stand 2018 betragen die Verkehrsleistungen4 im Schienen- und Strassengüterverkehr in der Schweiz 27,9 Milliarden Tonnenkilometer und haben seit 2000 um 19% zugenommen (vgl. Tabelle