Elin Bedelis

Pyria


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Koryphelias Vater hatte viele schlechte Eigenschaften. Kriegslust war eine davon. Für einen entfernten Prinzen konnte dies jedoch höchstens ein Gerücht sein. »Thredian gedenkt, seine Feinde in Sicherheit zu wiegen, und baut darauf, dass man ihm mehr Sorge um das Wohl seiner Tochter zutraut.« Nun musste Koryphelia den Blick abwenden. Machairis Vermutung war gut, traf aber nur einen Teil der Wahrheit.

      »Das ist dumm.« Zedians Augen suchten kurz nach seinem Schwert, das zwischen ihnen lag – aus Vorsicht vor dem Wahnsinn, den er in dem Schatten sah. »Wenn Cecilia einen Krieg anfängt, verliert er seine einzige Tochter.« Er warf Koryphelia einen entschuldigenden Blick zu. »Sagtest du nicht, sie ist sein einzige Erbe?« Nun, da er angespannt unruhig war, wackelte sein Cizethi etwas mehr als zuvor. Fast hilfesuchend sah er umher.

      »Das legt nahe, dass Koryphelia seit Kurzem eine große Schwester ist. Wenn ich raten müsste, würde ich sagen: es ist ein Junge?« Fragend sah der Schatten in ihre Richtung, doch an der Überlegenheit in seiner Stimme und seinem Blick, sah sie, dass er wusste, dass er recht hatte. Die Nachricht über die Schwangerschaft der jungen Königin und der Geburt ihres ersten Sohnes war geheim gehalten worden. Königin Lydisia war auf einen Landsitz gefahren, um dort ihr Kind zu gebären. Eine Praxis, die man sonst nur für Bastardkinder vollführte.

      Was der Schatten nicht zu wissen schien, war, dass ihr Vater durchaus einen Plan hatte, um sie rechtzeitig nach Hause zu bringen, bevor er einen vernichtenden Erstschlag ausführte. Die Prinzessin hatte nur eingewilligt, den Plan zu unterstützen, weil sie wusste, dass sie keine echte Wahl hatte. Ihr Vater hatte ohnehin das letzte Wort über ihre Heirat und seine Pläne verraten konnte sie nicht, ohne ihr Zuhause der Übermacht des Gegners auszusetzen. Den letzten Krieg hatte Hareth gewonnen und angesichts der finanziellen und militärischen Situation war für einen Realisten deutlich zu sehen, dass sie auch aus einem neuen siegreich hervorgehen würden. Außer natürlich, man verfügte über ein allwissendes Orakel, das die Antwort liefern konnte, wie man einen übermächtigen Feind ganz sicher dennoch effektiv besiegen konnte.

      Prüfend blickte ihr Verlobter zu Koryphelia und sie ahnte, dass er die Wahrheit in der Schuld in ihren Augen las. »Angenommen ich würde – trotz …«, er machte eine vielsagende Geste in Richtung Heck – »… glauben, an diesen Wahnsinn. Warum erzählt mir ein Mann mit solchem Ruf davon?« Eine Frage, die Koryphelia aus der Seele sprach.

      Der Schatten drehte ein Messer durch die Finger und musterte den Prinzen. »Man sagte in Om’falo, Hareths Prinz sei friedliebend. Wenn dem so ist, sind wir auf der gleichen Seite und du verschaffst mir mehr Zeit, einen sinnlosen Krieg zu verhindern.« Es klang ganz diplomatisch, wie er das so sagte. Koryphelia hörte dennoch heraus, dass er blindes Vertrauen von Hareths Prinzen forderte.

      »Du hast ein Seemonster auf meine Mannschaft gejagt. Das wirkt nicht besonders friedfertig.« Zedians Hand tastete in einer Welle von Wut reflexartig nach dem Schwert, aber sie fand nur die leere Scheide. Gleichzeitig fragte sich Koryphelia, ob der Prinz vielleicht einen Übersetzungsfehler gemacht hatte. Seemonster schien recht wahrscheinlich nicht das Wort zu sein, das er gesucht hatte. Wie automatisch blickte die Prinzessin zurück und gefror an Ort und Stelle, als sie in der Ferne einen Berg aus der See ragen sah. Einen Berg, der sich zu bewegen vermochte. Ein Berg in der Form eines Körpers. Ein Schiff hing hilflos in seinen Fängen. Was konnte das sein?

      »Ich habe ein Messer in den Ozean fallen lassen. Wenn sie ihren Spaß hatte, wird sie von dem Schiff ablassen.« Nur mit halbem Ohr hörte Koryphelia zu, verarbeitete nicht, was gesagt wurde. Noch immer hing ihr Blick auf der Kreatur, die das schnittige Schiff durch die Luft bewegte wie ein Kind, dem man ein Spielzeugboot ins Bad gesetzt hatte.

      »Warum sollte ich den Absichten eines Mannes trauen, der sich nicht einmal zu grundlegender Höflichkeit herablässt?« Endlich schaffte Koryphelia es, sich von dem schauderhaften Anblick loszureißen und ihre Aufmerksamkeit wieder dem Gespräch zuzuwenden. Es wird sie nicht alle töten. Es wird sie nicht alle töten, dachte sie nur immer wieder, während sie die Schreie aus ihrer Erinnerung zu verbannen versuchte.

      »Auch das beruht auf Gegenseitigkeit.« Auch wenn der Schatten grundsätzlich recht hatte, musste sie Zedian doch zustimmen. Die Arroganz und Überheblichkeit des Schattens waren äußerst unangebracht für einen Mann aus dem Bienenstock, der mit einem Prinzen – oder auch einer Prinzessin – sprach. Ein überlegenes Lächeln zuckte flüchtig über seine Züge. »Da ich die Person bin, die dich jederzeit ins Meer werfen kann, sehe ich mich in keiner Weise zu Respekt genötigt.«

      Zedians Kiefer malmte. Man konnte ihm ansehen, dass ihm eine unfreundliche Antwort auf der Zunge lag, doch er schluckte sie herunter. »Wie soll ich irgendjemandem Zeit verschaffen – wenn ich es denn wollte –, wenn ich auf diesem Schiff festsitze?« Seine Beherrschung war bewundernswert.

      »Cecilias Schiff war bereits am Horizont zu sehen. Sie werden einen zukünftigen Sultan sicher gerne aus dem Wasser ziehen.« Nun warf auch Koryphelia dem Schatten einen überraschten Blick zu. Sie erwartete ein gemeines Grinsen, stattdessen erblickte sie nur Neutralität und Sachlichkeit in seinem Blick.

      »Wenn du mich töten willst, tu es selbst.« Ärger mischte sich in die zuvor beherrschte Stimme und ließ seinen Akzent härter durchklingen.

      Machairi blickte über das Deck zum Kapitän, der augenscheinlich höchst bemüht war, sich seiner Crew zu widmen, anstatt das Gespräch zu verfolgen. »Vielleicht hat der Kapitän genug Patriotismus im Blut, um ein Beiboot zu erübrigen.«

      »Was, wenn ich nicht das Bedürfnis habe, einem Entführer mit zweifelhaften Motiven zu helfen?« Der Prinz machte dem Dämon einen Schritt hinterher.

      »Ich kann niemanden dazu zwingen, Frieden über Feindschaft zu wählen.« Unbeirrt führte er seinen Weg fort. »Du wirst dieses Schiff jetzt verlassen. Mit oder ohne Beiboot.« Damit verschwand er unter Deck.

      Koryphelia blieb zurück mit ihrem Verlobten und fühlte eine neue Art von Anspannung, als die Präsenz des Schattens verschwand. Sie fühlte sich auch in Zedians Gegenwart seltsam, jedoch eher ob ihrer seltsamen Beziehung zueinander. Von konträrer Seite schien etwas Vergleichbares auszugehen. Der Prinz räusperte sich. »Ihr erwartet nicht, dass ich glaube, was dieser Dämon sagt, Prinzessin, nicht wahr?« Mit ernster Miene trat er an sie heran und Koryphelia sah sich nicht in der Lage, etwas zu antworten. Auch sie wusste nicht, was Machairi vorhatte, aber seine Vermutungen waren richtiger, als ihr lieb gewesen wäre. »Ihr habt nichts zu befürchten. Für den Augenblick scheint er sich etwas von Eurer Anwesenheit zu versprechen und so lange seid Ihr sicher.« Noch einen Schritt trat er näher. »Wir werden direkt hinter Euch sein«, versprach er dann leise, dass es nicht an die Ohren der lauschenden Schaulustigen dringen sollte. Vorsichtig griff er nach ihrer Hand. »Ich wünschte, wir hätten uns unter angenehmeren Umständen kennengelernt, aber seid unbesorgt. Ihr werdet sehr glücklich sein in Om’falo: Ich werde alles dafür tun, das verspreche ich.«

      Hätte sie dem süßen Versprechen doch nur glauben können. Nichts deutete darauf hin, dass sie jemals glücklich werden würde als seine Braut. Etwas zu energisch entzog sie ihm seine Hand. »Ich denke nicht, dass mir das Leben als eine von 42 zusagen wird. Liègi.« Den Titel brachte sie so patzig hervor, dass die Augenbrauen des Prinzen nach oben zuckten.

      »Wir werden darüber reden, wenn Ihr in Sicherheit seid, Prinzessin.« Er versuchte ein Lächeln. »Ich werde nicht zulassen, dass ein Verbrecher Euch … Schaden zufügt.«

      Beinahe hätte sie gelacht, aber es blieb ihr im Halse stecken. Von all den vielen Befürchtungen, die ihr Gemüt plagten, war das nie auch nur einen Gedanken wert gewesen. Dahingehend fühlte sie sich absolut sicher vor dem Schatten. »Ich denke, es ist besser, wenn Ihr euch nun ein Beiboot besorgt, Liègi. Das Schiff meines Vaters wird sicher nicht lange auf sich warten lassen.« Es war eine reichlich unhöfliche Art, seine Sorge abzutun, das wusste die Prinzessin. Sie glaubte ihm sogar, dass er es gut meinte. Vielleicht mochte sie ihn sogar ein wenig. Es blieb aber dabei, dass sie nicht das Bedürfnis hatte, ihn zu heiraten, und wenn die Dinge so liefen, wie Machairi sie hoffentlich plante, würde sie das auch nicht müssen.

      Zedian nickte knapp und trat zurück. »Haltet durch, Prinzessin«, sagte er noch, bevor er sich abdrehte, sein