Elin Bedelis

Pyria


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Friedliches gesehen hatte.

      Hastig kletterte auch der Rest aus dem Boot und versenkte die Füße im unnatürlich weißen Sand, in dem sie alle ein Stückchen einsanken. Sogar Vica kletterte allein aus der Holzschale, hauptsächlich, weil ihr niemand freiwillig zu Hilfe kam. Eine weitere Aufgabe, die sonst Gwyn übernommen hätte. Eine, die Mico nicht übernehmen wollte. Die Blinde und ihre heidnische Magie sollten ihm so fern bleiben wie möglich.

      Der Sand klebte ihm an den nassen Schuhen, aus denen noch bei jedem Schritt Wasser quoll, wodurch hässliche Schmatzgeräusche entstanden. Der herrlich weiße Untergrund verklebte, wurde matschig und deutlich zeichnete sich das Wasser darauf ab. Ein Fleck, den er durch seine Anwesenheit auf der Reinheit dieser Insel hinterließ. Sie gehörten nicht hierher. Keiner von ihnen, am allerwenigsten ein Schatten wie Machairi.

      Natürlich störte sich Cail nicht daran. Er hatte den breiten Sandstrand bereits verlassen und der Rest der Gruppe musste sich beeilen, um ihm zu folgen. Es war nicht einfach, über Sand zu eilen. Besonders Vica hatte ihre Schwierigkeiten, stolperte immer wieder und fluchte vor sich hin, den Drachen noch immer in beiden Armen haltend und ohne ihren Stock, den Rish für sie hielt. Es wäre andersherum sicherlich sinnvoller gewesen, aber er hatte keine Lust, sich anblaffen zu lassen. Sollte sie doch durch die Gegend stolpern und stürzen so oft sie wollte. Gegen Stolz war ohnehin noch kein Kraut gewachsen.

      Der Wald schlug ihnen seine ersten Äste entgegen und bis auf Cail, der auf wundersame Weise einen optimalen Weg zu finden schien, kämpften sie mit den Ranken. Die Faust schlug unwirsch einen Zweig aus ihrem Weg, der mit Wucht zurückfletschte und Vica ins Gesicht traf. Empört schrie die Blinde auf. »Wer war das?!«, schrie sie durch den Wald und in ihrer Nähe regte sich ein aufgescheuchtes Tier.

      »Pass halt auf, wo du hinläufst«, knurrte Gina und duckte sich unter einem weiteren Ast her. »Hast du mir nicht neulich noch entgegengeschrien, dass du genauso gut klarkommst wie alle anderen auch?«

      Vica bleckte die Zähne wie ein wütendes Tier und schloss die blinden Augen. Ganz ruhig stand sie da, eine konzentrierte Miene aufgesetzt, und kaum einen Moment später sprang eine Wildkatze aus dem Unterholz. Die Prinzessin schrie auf, stolperte zurück und wollte weglaufen. Auch Rish wich spontan zurück. Beide Mädchen wurden von Gwyn aufgehalten. Er sagte nichts, sah keine von beiden an und ließ sie sofort wieder los. Wie eine Marionette stand er da und nur kurz schienen seine Reflexe seine Melancholie durchbrochen zu haben.

      Die Wildkatze warf Gina zu Boden, was auf dem dicht bewachsenen Grund kaum möglich war. Sie war ein rot-schwarz geschecktes Biest in der Größe eines Hausschweins. Krallen schlugen nach Ginas Gesicht, aber die Faust konnte kämpfen. Viel schneller als die Zuschauer überwand sie ihren Schreck und drehte sich elegant zurück auf die Beine. Als sei sie selbst eine Katze, war sie plötzlich leichtfüßig in der unwegsamen Umgebung und ein Fuß landete mitten auf der Nase der Katze.

      Vicas Gesicht verzog sich zu einer wütenden Fratze und kurz blitzte auch ein Eindruck von Schmerz darüber, als sie mit dem Tier fühlte. Mico, der keine von beiden erreichen konnte, fragte sich, ob er irgendetwas Hilfreiches zaubern konnte, aber spontan fiel ihm nur eine ganze Reihe sehr unproduktiver Dinge ein. »Lasst den Mist!«, fuhr er sie beide an, während das Fauchen der Katze und das Gerangel den ganzen Urwald im Umkreis von vielen Kilometern auf sie aufmerksam machte. Nur weil es friedlich wirkte, musste es noch lange nicht ungefährlich sein!

      Es war nicht weiter überraschend, dass keiner von beiden auf ihn hörte. Es wurde sogar noch schlimmer, als Gina ihre Nähe zu Vica ausnutzte, um ihr die Beine wegzuziehen, sodass sie hintenüberfiel. Da sie noch immer den Drachen hielt, der eigentlich aussah, als wäre er schon tot, konnte sie sich nicht auffangen, und ein Wutschrei durchriss den Wald.

      Hätte er nicht so viel Angst gehabt, von der Katze attackiert zu werden, die vermutlich zum echten Angriff ansetzen würde, wenn Vica aufhörte, sie zu missbrauchen, wäre Mico dazwischen gegangen. So stand er noch immer am Rande des Kampfes und ärgerte sich. Hilfesuchend wollte er sich zu Cail drehen, aber der Schatten war verschwunden. Niemand außer ihm schien das bemerkt zu haben, zu sehr entlud sich die Spannung der letzten Tage in diesem Moment, während Gwyn, Rish und Koryphelia nur dastanden wie verängstigte – oder in Gwyns Fall abwesende – Statuen und Mico sich fragte, was er tun konnte. »Habt ihr den Verstand verloren?«, fuhr er die beiden Mädchen nochmal an, aber sie ignorierten ihn.

      Er hob gerade die rechte Hand, um irgendein Energiefeld zu erschaffen, um sie zu trennen, als die Faust plötzlich unelegant mit den Armen ruderte und die Katze ins Unterholz flüchtete. Die Füße der Rothaarigen waren fast bis zu den Knien mit dem Boden verwachsen. Erde schloss sich wie ein Paar Stiefel darum und hatte sie mitten in der Bewegung arretiert. Auch Vica schien vom Boden gefangen und fast panisch warf Mico einen Blick nach unten. Steckten sie in einer Art Treibsand? Nein, seine Füße standen nur zwischen ein paar Pflanzen, die nicht besonders angriffslustig wirkten. Hier war Magie am Werk. Hastig drehte er sich um und suchte nach einer möglichen Ursache. Da der Kampf nun erloschen war und beide Frauen zu überrascht waren, um sich weiter anzukeifen, war es auf einmal gespenstisch still um sie herum.

      »Ni feideri leat agorni aseo.« Die Stimme war freundlich und jung und das Mädchen, zu dem sie gehörte, konnte kaum älter als zwölf sein. Scheu lugte sie hinter einem Baum hervor, die Augen groß und ängstlich vor der Situation und den Fremden. Die dunklen Haare hatte ihr jemand zu vielen kleinen Zöpfen geflochten und das weiße Gewand, das sie trug, war an einigen Stellen mit kleinen roten Blüten verziert. Sie passte hierher. Ein wundersames Mädchen an einem wundersamen Ort. Die Sprache, die sie gesprochen hatte, erkannte Mico noch gerade als Silou. Die Tatsache, dass sechs Fremde sie perplex anstarrten, schien sie noch etwas unsicherer zu machen und sie verkroch sich etwas weiter hinter ihrem Baum. »A bufli tu?«, hauchte sie und Mico befürchtete, dass sie jeden Moment die Flucht ergreifen würde.

      »Was sagt sie?«, fragte er Gwyn so ruhig, wie er konnte, um nicht bedrohlich oder angriffslustig zu klingen. Leider wahr Cizethi eine harte Sprache und klang eher nach scharfkantigen Steinen als nach weichem Sandstrand. Silou war definitiv die sanfteste der drei Sprachen. Hack glich immer dem Singsang eines aufgescheuchten Bienenschwarms.

      Gwyns Blick zuckte zu Mico, als er angesprochen wurde, und er schluckte, bevor er sich zum Sprechen zwang. »Dass wir hier nicht streiten dürfen und wer wir sind«, antwortete er und nuschelte noch etwas, von dem Mico verstärkt hoffte, dass es keine höfliche Anrede war. Wenn er anfing, ihn Herr zu nennen, würde er etwas zerschlagen müssen.

      »Gut, sag ihr, dass wir nichts Böses wollen und … sag ihr irgendwas, was sie beruhigt«, etwas hilflos sah er wieder zu dem Mädchen und versuchte ein Lächeln. Er war nicht gut mit Kindern. Ganz sicher nicht mit Kindern, die seine Sprache nicht verstanden.

      »Sag ihr, dass sie mich ausgraben soll«, verlangte Gina, die ihre erfolglosen Versuche, die Erde abzuschlagen, beendete und die Arme vor der Brust verschränkte. Sie warf dem Mädchen einen so wütenden Blick zu, dass Mico schon Angst hatte, sie könnte das Kind vertreiben.

      Man konnte zusehen, wie Gwyn sich zusammenriss. Er tauschte ein paar Worte mit dem Mädchen. Seine Stimme klang belegt und rauer als sonst. Man merkte ihm an, dass er länger nicht gesprochen hatte und auch, dass sich etwas geändert hatte in ihm. Er klang nicht mehr wie Gwyn und sie alle merkten es. Offenbar schaffte er es aber noch immer, einigermaßen vertrauenserweckend zu sein, denn nach einigen Wortwechseln schrumpfte der Boden zurück und gab Vicas und Ginas Füße frei. Äußerst umständlich kam die Blinde wieder hoch. Dabei verfehlte ihr Kopf einen Ast nur um Haaresbreite.

      Plötzlich drehte die Fremde sich um und entfernte sich. »He!«, entfuhr es Mico. »Was ist?« Alarmiert sah er zu Gwyn. Er hasste es, die anderen Sprachen nicht zu verstehen. Wohin lief sie? Warum ging sie? War das gut? War das schlecht? Es war zum Verrücktwerden.

      »Sie sagt, wir sollen ihr folgen«, murmelte Gwyn und sah wieder auf den Boden, als seien die Ranken interessanter als die Gesichter seiner Mitreisenden.

      Seufzend zuckte Mico mit den Schultern. Was sollten sie sonst machen? Wo auch immer sie sie hinführen würde, wären sie vermutlich besser aufgehoben, als hier herumzustehen. Cail war verschwunden. Er würde sie schon wiederfinden,