Georg Dehio

Kunsthistorische Aufsätze


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nenne zum Beweis zwei häufig vorkommende Eigentümlichkeiten. Nach der einen wird die Decke, die nach Maßgabe der Raumidee in gleicher Höhenlage bleiben müsste, beim Eintritt in den Chor geknickt, d. h. in willkürlicher Weise bald höher, bald tiefer gelegt als im Schiff (Beispiel die Kreuzkirche in Gmünd), nach der anderen erhält das Mittelschiff eine Überhöhung im Sinn des Querschnittes, woraus eine schlaffe Zwitterbildung zwischen Hallen- und Basilikenanlage entsteht (Beispiel: die Frauenkirche in Ingolstadt); ferner die Verbindung eines basilikalen Langhauses mit einem hallenmäßigen Chor (Beispiele: St. Sebald und S. Lorenz in Nürnberg); es können damit anziehende malerische Wirkungen erzielt werden, aber es ist ein Hohn auf die einfachsten Prinzipien der Raumkunst. Dasselbe gilt von Ulrichs von Ensingen Plan für das Ulmer Münster; ursprünglich als Hallenkirche gedacht, wurde es zur Basilika umgebaut, aber so, dass die Seitenschiffe sich bis zur gleichen Breite mit dem Mittelschiff erweiterten, in völliger Verkennung des der Basilika eigentümlichen räumlichen Rhythmus. Noch später wurden die Seitenschiffe geteilt, so dass die Gesamtzahl fünf erreicht wird. – Wohin man auch blicken mag, von einem einheitlichen Willen der spätgotischen Epoche, die Raumschönheit in den Mittelpunkt ihrer künstlerischen Intention zu stellen, kann gar nicht die Rede sein.

      Wenn die italienische Renaissance darauf ausging, den Innenraum in seinen stereometrischen Verhältnissen klar darzulegen, ihn fest zu umgrenzen, ihn nach leicht fassbaren und messbaren Proportionen zu gliedern: so ist der spätgotische Raum das Gegenteil davon, eine unbestimmt verschwimmende, geometrisch undefinierbare, formlose Masse. Nein, die Spätgotik ist nicht »Raumstil«. Ihr Lebensprinzip liegt in einer ganz anderen ästhetischen Kategorie. Es ist die Zusammenfassung der Architekturteile zu einer malerischen Einheit. Noch mehr: die Architektur an sich ist unfertig, sie bedarf der Ergänzung durch die in bekannter Massenhaftigkeit in sie hineingestellten künstlerischen Sonderexistenzen: die Altäre, Sakramentshäuser, Kanzeln, Lettner, Schranken und Chorstühle, Grabmäler usw. Erst durch die optischen Beziehungen dieser Stücke unter sich und mit dem architektonischen Hintergrund wird das gewollte Endergebnis gewonnen: das Bild. Es hat dem Charakter dieser Innenräume wenig, oft nichts geschadet, wenn die gotischen Mobilien durch barocke ersetzt wurden, aber die nach modernen puristischen Restaurationen zurückbleibende Leere traf ihren Lebensnerv. Die schon in der sog. deutschen Renaissance eintretende Vermischung der Stilformen ist gar keine Inkonsequenz, sie passt ganz zum Wesen dieses nicht in Formen, Konstruktionen oder Raumkategorien, sondern in malerischen Bildeindrücken denkenden Stils.

      Wohin sollen wir nun diese »Spätgotik« geschichtlich einordnen? Mit der Gotik der Kathedrale von Amiens hat sie offenbar, außer in Äußerlichkeiten, nichts zu tun – aber auch nichts mit der Renaissance eines Brunellesco und Bramante. Der fundamentale Irrtum bei Schmarsow liegt darin, zu meinen, dass wir nur zwischen den zwei Möglichkeiten – entweder Ende der Gotik, oder Anfang der Renaissance – die Wahl hätten. Ich sehe in der nordischen Spätgotik ein neues Drittes wirksam. Ich finde, dass dieses das Absterben der gotischen Zierformen überlebt, ja erst danach zu voller Klarheit über sich selbst kommt. Der Weg der Entwicklung geht von der Spätgotik in gerader Linie zum Barock, an der Renaissance vorbei, öfters durch Flankenangriffe der Renaissance beunruhigt, aber nie von ihr ganz durchbrochen. Vielleicht wird weitere Überlegung – die aber im Rahmen dieser kritischen Erörterung nicht mehr angestellt werden kann – noch einmal zur Einsicht führen, dass das historische Verhältnis von Renaissance und Barock nicht ein Nacheinander, sondern ein Nebeneinander ist. Damit wäre auch der eben so eifrig als fruchtlos geführte Streit über die Spätgotik geschlichtet. Sie wäre dann nicht sowohl Übergang zur Renaissance als Übergang zum Barock. Und vielleicht findet sich einmal in guter Stunde auch noch ein Name für sie. Etwa »Vorbarock«? wie wir ja schon lange gewöhnt sind, bekannte andere Erscheinungen als »Vorrenaissance« zu bezeichnen. Oder noch präziser: »gotisierendes Barock«.

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