Susan Carner

Mallorquinische Leiche zum Frühstück


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Frau Hartig?«

      »Renate? Die kann Sabrina nicht das Wasser reichen. Kein Selbstwertgefühl, keine Klasse, nicht annähernd so vermögend wie Sabrina. Eine vertrocknete, alte Frau, obwohl sie in gleichem Alter wie Sabrina ist.«

      »Trotzdem haben Sie mit ihr geschlafen«, warf Mercédès vorwurfsvoll ein.

      »MANN muss ja von was leben. Und was ist falsch daran, eine Frau glücklich zu machen?« Wieder sein unwiderstehliches Grinsen.

      Ja, sie konnte sich vorstellen, dass Jens Meinfeldt wusste, wie er mit Frauen umzugehen hatte. Vor allem mit älteren, betuchten. Oder jungen zum Zeitvertreib.

      »Aber warum interessiert Sie das überhaupt? Sabrina ist doch eines natürlichen Todes gestorben, oder?«, fragte er lauernd.

      »Routine. Es gibt kleine Ungereimtheiten. Aber nichts zum Beunruhigen.«

      »Sind Sie sicher?«, und ein eigentümlicher Blick traf sie aus grünen, schillernden Augen.

      Der Junge hatte entschieden etwas an sich, dass Frauen schwach werden ließ, erkannte Mercédès. »Ja, da bin ich sicher. Werden Sie jetzt zu Frau Hartig zurückkehren?« Neugierig war ihr Blick auf ihn gerichtet.

      »Zurückkehren? Wie meinen Sie denn das?«, fragte er erschrocken.

      »Na, nachdem Frau Schneider tot ist, ist ja Ihre Geldquelle versiegt«, meinte Mercédès sarkastisch.

      »Nein. Renate halte ich nicht aus. Sollten Sie ihre Leiche finden, komme ich definitiv als Täter in Frage«, und lachte laut und lange über seinen nicht wirklich gelungenen Scherz. Fügte nach einer Weile geheimnisvoll an: »Es gibt noch andere Einnahmequellen!«

      Mercédès beobachtete ihn interessiert. Woran dachte er?

      »Sonst noch was?«, schaute er sie herausfordernd an.

      »Ja, eine Kleinigkeit noch. Frau Hartig hat verlauten lassen, dass Frau Schneider von der Vergangenheit eingeholt worden war. Wissen Sie etwas darüber?«

      »Nee, keine Ahnung. Sie war ein bisschen durch den Wind. Das stimmt schon. Aber ich habe das auf den wechselnden Hormonspiegel bei reiferen Damen geschoben«, und grinste breit. »Kann ich jetzt abhauen?«

      Als Mercédès bejahend mit dem Kopf nickte, trottete er von dannen.

      Sie blieb noch eine Zeit lang sitzen und dachte über das Gehörte nach. Konnte eine Frau so einsam sein, dass sie sich einen jungen Lover nahm und ihn für die Liebe bezahlte? Sabrina Schneider hatte Jens Meinfeldt als Anregung genommen, ihn ausgehalten, aber das machten ältere Männer auch mit jungen Frauen. Sie war nicht von ihm abhängig. Aber Renate Hartig? Die hatte sich regelrecht an Jens geklammert. Wenn sie nicht in Berlin wäre, würde sie unweigerlich als Verdächtige eingestuft werden.

      Mercédès seufzte. Vergiss den Fall und genieße den schönen Abend, nahm sie sich vor und schritt die Stufen hinunter zur Panorama-Bar Luna 81, die wie ein Nest im Felsen hockte und einen herrlichen Ausblick auf die Bucht La Romana bot und die Sonne, die gerade im Untergehen begriffen war.

      Sie ließ sich an einem der Tischchen direkt am Rand der Terrasse nieder, die von einer niedrigen Brüstung mit Geländer begrenzt wurde. Ob das vor Abstürzen schützen konnte?, überlegte sie, lehnte sich in dem bequemen Stuhl zurück, stütze sich mit den Beinen an der Steinmauer ab. Vielleicht doch nicht so schlecht, Dienst auf dieser wunderschönen Urlaubsinsel leisten zu dürfen, flimmerte durch ihren Kopf. Sie war bereits gespannt, wie sich Mallorca im Sommer präsentieren würde. Im Herbst fand sie es schon mal bezaubernd. Da ließ eine Stimme ihr einen wohligen Schauer über den Rücken laufen.

      »Darf ich Sie auf ein Glas von unserem einzigartigen Sangria einladen?«, erklang der warme und dunkle Tonfall von Werner Hoffmann.

      Sie blickte in seine einnehmenden Augen, die das erste Mal lächelten. Eine innere Stimme warnte sie, doch sie sagte mechanisch: »Gerne«, und lächelte ihn dümmlich an.

      Kurz darauf kam er mit zwei Gläsern zurück, ließ sich neben sie in einen Stuhl fallen und meinte: »Was für ein Tag!«

      Sie konnte ihm nur zustimmen. Werner Hoffmann prostete ihr zu, dann blickten sie schweigend dem feuerroten Ball zu, der allmählich im Meer versank. Mercédès war sich seiner Nähe bewusst, spürte, wie seine Aura sie nach und nach umschloss. Sie wehrte sich nicht, ließ es geschehen. Noch nie war sie während eines Falles einem Mann begegnet, der sie dermaßen faszinierte. Trotzdem hörte sie die Stimme von Jens Meinfeldt im Kopf, der meinte, Werner Hoffmann sei auf Sabrina Schneider scharf gewesen. Und wenn? Was ging es sie an?

      »Verspüren Sie Hunger?«, schlich sich Hoffmanns Stimme durch die Gitarrenklänge, die seit einer Weile erklangen. Juan Lamas verwöhnte an diesem Abend die Gäste live mit seiner stimmungsvollen Gitarren-Musik. Zumindest stand dieser Name auf den Kärtchen, die am Tischchen zu Werbezwecken auslagen.

      »Hören Sie meinen Magen knurren?«, versuchte sie mit einem Scherz, den Kloß in ihrem Hals Herr zu werden.

      »Laut und deutlich«, lächelte er auf sie herab, als er sich erhob und ihr seine Hand reichte. Sie streckte ihm ihre entgegen, er umschloss sie fest und zog sie mit sich die schmalen Stufen durch den Pinienwald hinunter in die Bucht. Sie stolperte mehr hinter ihm her, als dass sie ging, so verwirrt war sie über ihre eigenen Gefühle. Sie konnte sich nicht erinnern, dass nur ein gemeinsam erlebter Sonnenuntergang sie schon mal so durcheinandergebracht hatte, und Sehnsüchte in ihr weckte, die sie nicht einmal zu träumen wagte.

      Unten in der Bucht angekommen drehte er sich zu ihr um. »Entspricht unser Restaurant Ihren Vorstellungen?«

      Sie nickte nur.

      Der Restaurantleiter wies ihnen einen Tisch für zwei in einer verschwiegenen Ecke zu. Aus den Augenwinkeln fiel Mercédès Frau Fichtelhuber auf, die ihren Mann in die Seite boxte und in ihre Richtung deutete. Morgen bin ich hier Gesprächsstoff, grübelte Mercédès. Aber sie konnte ja sagen, dass sie noch einige Fragen an Werner Hoffmann stellen wollte. Was sie auch vor hatte.

      »Darf ich für Sie unser Willkommensmenü bestellen? Jeden Sonntag lässt sich unser Restaurantchef etwas Besonderes für die neu ankommenden Gäste einfallen.«

      »Gerne«, sagte sie, wieder nur mit einem Lächeln. Sie mochte es, wenn Männer die Initiative ergriffen. So taff sie beruflich war, privat liebte sie es, wenn sie sich fallen lassen konnte und ihr jemand Entscheidungen abnahm.

      Während Werner Hoffmann die Bestellung aufgab, schenkte die Kellnerin bereits Rotwein ein. Wann hat er den bestellt?, überlegte Mercédès. Oder war das sein üblicher Wein, den er hier beim Essen konsumierte? Hatte er den gestern Abend auch mit Sabrina Schneider getrunken?

      »Schön, dass Sie Zeit haben, mir beim Abendessen Gesellschaft zu leisten«, und er stieß mit ihr an. »Zwar bedauere ich die Umstände, durch die wir uns kennengelernt haben, aber nicht die Tatsache an und für sich.«

      Sein leicht wienerisch gefärbtes Deutsch lullte sie endgültig ein. Es klang allerdings nicht so derb wie bei den meisten Wienern, sondern er betonte manche Wörter in besonderer Weise. Es hatte einen weichen, runden Klang, nicht das lang gezogene ›Naaa, heaarst, Waaabler‹ mit dem ihr Vater Wiener stets nachgeahmt hatte.

      »Sie sagten, dass Sie aus Wien stammen. Von wo genau?«

      »Ich bin in Hietzing aufgewachsen. Gleich neben Schloss Schönbrunn«, und seinem Gesichtsausdruck war abzulesen, dass es angenehme Erinnerungen waren, die ihn mit seiner Heimatstadt verbanden. Seine schönen Augen strahlten.

      Vielleicht sprach er das berühmte Schönbrunner Deutsch?, ging es Mercédès durch den Kopf. Denn so hübsch hatte das Wienerische noch nie in ihren Ohren geklungen.

      »Kennen Sie Wien?«, wollte Werner Hoffmann wissen.

      »Natürlich. Als geborene Münchnerin war ich mit meinen Eltern viel in Österreich unterwegs, auch in Wien.«

      »Münchnerin«, lächelte Hoffmann sie interessiert an, »deshalb das perfekte Deutsch mit der