Susan Carner

Mallorquinische Leiche zum Frühstück


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die Menschen einfühlen, denen sie so eine Hiobsbotschaft überbringen musste.

      Sie war nach dem Tod des Vaters mit ihrer Mutter zurück nach Spanien gegangen, hatte ihren Abschluss in Córdoba, der Heimatstadt ihrer Mutter, erlangt, bevor sie sich an der Polizeiakademie in Madrid eingeschrieben hatte. Ihre ersten Dienstjahre hatte sie in Sevilla verbracht, dann hatte man sie nach Madrid geholt, wo sie die letzten Jahre mit ihrer Mutter gelebt hatte.

      Doch jetzt hatte man sie nach Mallorca versetzt, ihre erste leitende Stelle.

      ›In der Provinz ist es leichter, als Chefin anzufangen‹, hatte ihr Vorgesetzter ihr mit auf dem Weg gegeben. Doch sie hatte ihn in Verdacht, sie bewusst für diesen Außenposten vorgeschlagen zu haben, da sie seinem Werben, welches immer aggressiver geworden war, tapfer widerstanden hatte.

      Andere beneideten sie um diese Stelle im sonnigen Mallorca. Sie allerdings liebte die laute, lebendige Großstadt und wäre außerdem gerne in der Nähe ihrer Mutter geblieben, die gesundheitlich angeschlagen war. Aber vielleicht hole ich sie nach. Die Sonne würde ihr guttun, überlegte Mercédès, als sie in ihren Wagen einstieg, um in ihre neue Dienststelle nach Palma zu fahren.

      »Was haben die Gespräche mit den Gästen und den Angestellten ergeben?«, war Mercédès´ erste Frage, als sie ihr Büro betrat. Kein Willkommensgruß, nichts. Wenn sie sich in einen Fall verbissen hatte, vergaß sie ihre guten Manieren schon mal.

      »Bon dia, liebe Mercédès. Willkommen in deiner neuen Wirkungsstätte«, und dabei zeigte Miquel auf einen bunten Blumenstrauß, der in einer Glasvase auf ihrem Schreibtisch stand. »Soll ich dich herumführen und den anwesenden Kollegen vorstellen?«, fügte er noch hinzu.

      Mercédès blickte sich um. Wie hasste sie diese Glaskäfige. Wer nur hatte die Idee, dass alle modernen Bürogebäude wie Aquarien aussehen mussten? Null Privatsphäre. Immer unter Beobachtung. Sie waren doch keine Fische. Seufzend dachte sie an ihren ersten Besuch hier vor vier Wochen, bevor sie ihren Urlaub angetreten hatte.

      Sie war am frühen Morgen für einen Tag hergeflogen, um sich mit ihrem zukünftigen Chef, Doctor Lluc Bibiloni, einem trockenen Juristen, zu treffen, um Einzelheiten zu besprechen und ihren Ausweis entgegenzunehmen. Der hatte sie genauso misstrauisch beäugt wie sie ihn. Sie wollte nicht nach Palma, er wollte sie nicht. Aber die Entscheidung war gefallen, an höherer Stelle. Sie musste sich glücklich schätzen, dass sie im männerdominierten Spanien die Chance für eine leitende Stelle bei der Policía Nacional bekommen hatte. Sie machte sich nichts vor. »MANN« würde sie genau beobachten ...

      »Nein, lass mal. Mich interessiert mehr, was wir haben. Außerdem hat das bei meinem ersten Besuch hier unser Boss erledigt«, grinste sie. Berichtete dann kurz und bündig von ihren Befragungen. Danach schaute sie fragend auf Miquel.

      Der räusperte sich. Und dachte still, dass doch viel deutsches Blut in ihr fließen musste. Kein Spanier würde so reagieren.

      »Zuerst einmal sorry wegen des Nicht-Versiegelns des Apartments. Es war mein Fehler. Die Spusi hat mich deswegen kontaktiert. Ich habe mich vergewissert, ob sie alle relevanten Dinge berücksichtigt, beziehungsweise mitgenommen haben für die Beweissicherung. Und gemeint, das Versiegeln können sie sich schenken.«

       »Okay, Anfängerfehler. Doch ich kann nur für dich hoffen, dass die Spurensicherung nichts übersehen hat. Ich habe Hoffmann angewiesen, nichts zu ändern. Und mein Siegel von Madrid angeklebt«, schmunzelte sie schon wieder.

      »Danke«, lächelte Miquel einnehmend.

      Ein Greenhorn, auch das noch, seufzte Mercédès innerlich. Er war wohl als einziger zu überzeugen gewesen, mit einer deutschen Frau vom Festland zusammenzuarbeiten.

      »Und jetzt zu deinen Ergebnissen«, wurde sie langsam ungeduldig.

      »Also, von den Gästen habe ich praktisch nichts Nützliches erfahren. Keiner hat etwas gehört oder gesehen. Zumindest wenn ich sie richtig verstanden habe. Für eine Befragung muss ich definitiv mein Deutsch verbessern. Das Resort ist fest in deutscher Hand. Außer einem Pärchen aus England und zwei Damen aus der Schweiz habe ich nur Landsleute von dir getroffen«, zwinkerte er ihr zu. »Gewundert haben sich die meisten allerdings, dass Sabrina Schneider bereits vor acht Uhr im Hallenbad war, da dieses normalerweise erst um acht Uhr aufsperrt. Ansonsten scheinen sie sich nicht für die berühmte Schriftstellerin interessiert zu haben. Die meisten behaupteten sogar, sie nicht zu kennen.«

      »Glaubst du ihnen?«

      Miquel zuckte mit den Schultern. »Also, bei einigen kann ich mir das vorstellen. Aber so mancher Mann wusste sehr wohl, wer Frau Schneider war und welche Art von Literatur sie schrieb. Allerdings würden sie das vor ihren Ehefrauen nie zugeben.«

      »Dann sollten wir sie getrennt voneinander befragen«, lachte Mercédès.

      »Denkst du, das Motiv könnte mit ihrer schriftstellerischen Tätigkeit zu tun haben?«

      »Wir wissen noch nicht einmal, ob es tatsächlich Mord war. Auch wenn es wahrscheinlich ist. Vielleicht haben jemanden ihre Bücher nicht gefallen? Oder eine verschmähte Liebe? Lass uns abwarten, was die Obduktion ergibt und jetzt mal schauen, wo wir stehen, bevor wir über Motive und Täter spekulieren. Was hast du sonst noch so in Erfahrung gebracht?«

      »Andreu, der Bademeister, hat mir unter dem Siegel der Verschwiegenheit erzählt, dass für Sabrina Schneider das Hallenbad um sieben Uhr fertig sein musste. Sie wollte alleine schwimmen, ohne durch die anderen Gäste gestört zu werden.«

      »Wer hatte das genehmigt?«

      »Der Hotelmanager. Der arme Andreu hat mir das Versprechen abgenommen, dass ich seinem Chef nicht verrate, von wem ich das habe.«

      »Wieder Hoffmann. Er scheint doch sehr an Sabrina Schneider interessiert gewesen zu sein, auch wenn er das nicht zugibt. Interessant!«

      »Außerdem habe ich mit der Rezeptionistin gesprochen, die Dienst hatte, als Fichtelhuber in die Rezeption stürmte. Sie konnte mir aber so gut wie nichts sagen. Wirkte eher verschüchtert und sehr entsetzt. Ja, und dann gibt es da noch eine Margit ...«, und er blätterte in seinen Notizen. »Wo habe ich das denn notiert? Irgend so ein Doppelname«, fluchte er leise. »Egal, es gibt eine Stellvertreterin für Werner Hoffmann, die gleichzeitig die Finanzen unter sich hat. Die ist zurzeit allerdings in Zürich bei der Muttergesellschaft.«

      »Gut, die können wir außen vorlassen. Die kann uns nichts zum Tod von Sabrina Schneider sagen, wenn sie die letzten Tage nicht im Resort war. Und sonst? Spusi? Gerichtsmedizin?«

      »Die Gerichtsmedizin ist noch bei der Arbeit. Wie die Spusi auch.«

      Wie auf Kommando betrat in diesem Augenblick ein hübsche Frau Mitte zwanzig mit einem ähnlichen Lockenkopf wie Mercédès das Büro. »Hola Miquel«, strahlte sie diesen an, bevor ihre Augen neugierig über Mercédès streiften.

      »Hola Mayte«, begrüßte dieser das Mädchen herzlicher, als er das als Kollege tun sollte und stellte die beiden Kolleginnen einander vor.

      »Spurensicherung also«, lächelte Mercédès höflich und reichte der Kollegin die Hand. »Schon was Brauchbares?« Ihr entging nicht der zärtliche Blick, den Miquel über Mayte gleiten ließ und dachte bei sich, olala, ein heimliches Verhältnis?

      »Wir sind dabei, die Spuren aus dem Poolbereich und dem Zimmer auszuarbeiten. Im Hallenbad gibt es tausende von Fingerabdrücken, die werden uns nicht weiterhelfen. Praktisch jeder Gast hat dort irgendwo seine Spuren hinterlassen ...«

      »Wie schaut es mit fremden Spuren aus?«, unterbrach Mercédès.

      Mayte schaute sie mit großen Augen an. »Wir müssen erst mal alle Spuren mit denen der Gäste und der Angestellten abgleichen, bevor wir überhaupt feststellen können, ob es Spuren von Personen gibt, die nicht mit dem Resort in Verbindung gebracht werden können. Das dauert ...«

      »Was ist mit ihrem Apartment?«, fragte Mercédès ebenso ungeduldig nach.

      »Wir haben alles