Susan Carner

Mallorquinische Leiche zum Frühstück


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ihm zum Abschied die Hand.

      »Jetzt brauche ich einen Kaffee«, seufzte Mercédès in Richtung ihres neuen Kollegen. »Hatte keine Gelegenheit, in meinem Hotel das Frühstück zu genießen.«

      »Hier in der Anlage? Da hätten wir die Bar Luna 81 anzubieten oder das Restaurant Tentación

      »Nein, nicht beim Tatort. Gibt es hier in der Nähe nicht ein Café, wo man sich ungestört unterhalten kann?«

      »Eine Bucht weiter, in der Platja del Torà gibt es ein paar nette Bars«, meinte Miquel fröhlich.

      »Klingt gut, lassen Sie uns dorthin gehen.«

      »Sie wohnen im Hotel?«, wollte der Kollege überrascht wissen, als sie außerhalb der Hörweite der Schaulustigen waren, die nach wie vor sensationssüchtig vor dem Bad herumstanden.

      »Ja, ich bin erst gestern angekommen und wollte mir ein bisschen Zeit lassen mit der Suche nach einer geeigneten Wohnung. Können Sie mir etwas empfehlen?«

      »Nein, leider. Aber leicht wird es nicht werden, bei den Preisen hier.«

      »Das habe ich mir schon gedacht.« Und dabei schaute sie mürrisch auf das Hotel Lido Park, das auf einem Felsvorsprung, den sie soeben auf einem breiten Promenadenweg umrundeten, der die Buchten La Romana und Torà verband, in die Höhe ragte. Da hat der Bürgermeister sicher gut verdient, dachte sie sarkastisch.

      »Gefällt Ihnen wohl nicht, was Sie sehen, oder?«

      »Nein, ich bin kein Freund von Hotelkomplexen in Strandnähe, die die Natur völlig missachten. Und wenn ich da hinüberblicke, wird mir schlecht«, und dabei deutete sie auf die gegenüberliegende Bucht und die Häuser, die sich bis zur Bergkuppe in enger Bebauung dicht an den Hang drängten und kaum etwas vom Grün der Insel durchblitzen ließen.

      »Das ist Cala Fornells. Von den Häusern bietet sich ein wunderbarer Ausblick auf das Meer. Ist eine teure Gegend.«

      »Das glaube ich gerne. Trotzdem möchte ich um nichts in der Welt in einem derart dichten Gewirr von Häusern wohnen. Wie kann so etwas in dieser herrlichen Umgebung genehmigt werden? Gibt es keine Bauvorschriften?«

      »Ist ohnedies nicht unsere Preisklasse«, antwortete Miquel brüsk, der einer Diskussion über bauliche Verschandelung seiner Insel aus dem Weg gehen wollte. Alle fingen damit an, kaum hatten sie einen Fuß auf die Insel gesetzt. Zumindest, wenn sie mehr interessierte als nur billig Bier oder Sangria zu saufen. Überall schossen Bungalows aus dem Boden, wo man eine schöne Aussicht auf das Meer genießen konnte. Trotz Baustopps. Außerdem standen an den wundervollsten Orten noch immer die hässlichsten Bettenburgen. Aber er war nicht der Verantwortliche dafür. Sollten sich andere den Kopf darüber zerbrechen.

      Mittlerweile waren sie vor einer schmalen Häuserzeile am Platja del Torà angekommen, die ausschließlich aus diversen Bars und Cafés bestand. »Dafür können wir uns die Bars hier leisten. Wo wollen wir einkehren?«

      »Was empfehlen Sie als Einheimischer?«

      »Sind alle nett.«

      »Dann nehmen wir gleich die Beach Bar hier. Ein bisschen die Sonne ins Gesicht scheinen lassen tut gut.«

      Mercédès bestellte einen café con leche. Darauf freute sie sich, seit sie in Palma in ihr Auto gestiegen war.

      Worauf Miquel meinte: »Wenn Sie sich hier willkommen fühlen wollen, dann sollten Sie mallorquinische Ausdrücke benutzen. Bringen Sie uns dos cafès amb llet«, und zwinkerte der Kellnerin zu.

      Die antwortete in holprigem Spanisch: »Kaffee versteh ich in allen Sprachen. Ansonsten ist mir deutsch lieber«, und zog von dannen.

      Mercédès musste herzlich über Miquels Gesichtsausdruck lachen.

      »Deshalb steht wohl ›Peguera‹ und nicht ›Paguera‹ auf den Straßenschildern? Hat mich leicht verwirrt bei der Anfahrt ...«, lenkte sie ihn von seiner Verblüffung über die Kellnerin ab.

      »Ja, auf mallorquinisch heißt die Stadt ›Peguera‹.«

      »Sie legen Wert darauf, Mallorquiner zu sein und nicht Spanier?«

      »Nein, ich bin beides. Doch zuerst stolzer Mallorquiner und in zweiter Linie Spanier. Ich bin hier geboren, in Calvià und würde die Insel freiwillig nie verlassen. Und Sie? Fühlen Sie sich als Deutsche oder als Spanierin?«

      »Ich bin in Deutschland aufgewachsen, lebe jedoch seit fast zwanzig Jahren in Spanien. Also bin ich Spanierin, auch wenn ich meine deutschen Wurzeln nicht leugne. Das wäre somit geklärt, oder haben Sie noch Fragen?«, lächelte sie Miquel herausfordernd an. Ihre deutsche Abstammung war höchstwahrscheinlich vielen im Kommissariat ein Dorn im Auge.

      Als die große Tasse Kaffee mit Milch vor ihr stand, umschloss sie diese mit den Händen, als wollte sie sich daran wärmen. Dabei hatte die Sonne eine unheimliche Kraft.

      Sie konnte gar nicht glauben, dass bereits der sechste November war. Lehnte sich zurück, schloss die Augen, genoss einen Augenblick nur die Strahlen der Sonne und versuchte, sich wie eine Touristin zu fühlen, die einfach nur hier saß und das Leben auskostete. Doch leider gelang ihr das nicht. Sie musste an den erschrockenen Gesichtsausdruck der Toten denken.

      »Was denken Sie, war das ein Unfall oder Mord?«, und blickte direkt in das intelligente Gesicht von Miquel. Kurz fügte sie noch an: »Übrigens, ich heiße Mercédès.«

      »Miquel«, und sie stoßen symbolisch mit ihren Kaffeetassen an.

      »Also, was denkst du?«

      Der junge Kollege überlegte. Er war erst seit Kurzem bei der Sonderkommission, die extra gebildet worden war, um für Einsätze wie diese gerüstet zu sein, wenn Urlaubsgäste betroffen waren. Da vierzig Prozent der Gäste deutsche Urlauber waren, hatte man der Kollegin aus Madrid den Vorzug gegeben, da sie deutscher Abstammung war. Niemand wollte freiwillig mit der Neuen arbeiten, die ihnen vom Festland vor die Nase gesetzt worden war. Ihr eilte der Ruf voraus, sehr eigenwillig zu sein und die Ermittlungen gerne alleine durchzuziehen. Doch er hatte auch gehört, dass ihre Aufklärungsrate hoch war. Und er wollte lernen. Schließlich hatte er ehrgeizige Pläne. Polizeichef der Insel zu werden. So hatte er sich beworben und war überglücklich, dass er den Job ergattert hatte. Ausschlaggebend waren wahrscheinlich seine perfekten Englischkenntnisse, denn die zweite große Gruppe an Urlaubern waren Engländer. Man hatte ihn noch schnell zu einem Kursus zum FBI geschickt, um gerüstet zu sein. Vielleicht als Bonus für seine freiwillige Bewerbung, denn es wurde lange nach einem einheimischen Polizisten als Unterstützung für die nicht Ortskundige gesucht ...

      »Ich habe mir die Abdrücke auf ihren Schultern genau angesehen. Es scheint, dass sie jemand mit den Händen unter Wasser gedrückt hat. Und wenn ich an ihren Gesichtsausdruck denke ...«

      »Ja, der ist mir ebenfalls aufgefallen. Erschrocken. Überrascht. Aber auch leicht ärgerlich. Vielleicht konnte sie nicht glauben, dass die Person es ernst meint«, sinnierte Mercédès.

      »Doch wer hätte Interesse, eine Schriftstellerin zu töten? Noch dazu in einem so eleganten Resort, wo es immer zivilisiert zugeht und wir dort praktisch keine Einsätze haben«, seufzte Miquel.

      »Was wissen wir von der Toten?«

      »Sabrina Schneider lebt, besser gesagt, lebte in Berlin. Einundfünfzig Jahre alt. Sie hat einige sehr erfolgreiche Bücher auf den Markt gebracht und sich als Erotikschriftstellerin weltweit einen Namen gemacht. Ihre Bücher wurden ins Englische, Französische und Italienische übersetzt. Leider noch nicht ins Spanische. Sie war Millionärin und konnte sich jedes Luxusdomizil auf Mallorca leisten. Trotzdem hat sie diese Anlage gewählt.«

      »Die ist wahrscheinlich auch nicht billig, oder?«, wandte Mercédès ein.

      »Nein, sie gehört ebenfalls zu den gehobenen Anbietern, aber hier steigt an und für sich gutbürgerliche Klientel ab und nicht Millionäre. Warum also war sie hier?«

      »Gut Frage! Seit wann kam sie in das