Susan Carner

Mallorquinische Leiche zum Frühstück


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untersuchen die Todesursachen noch. Wo waren Sie heute Morgen zwischen sieben und acht Uhr?«

      »Ich? Im Bett. Wo sonst?«

      Mercédès musste sich ein Lachen verkneifen bei dem überraschten Gesichtsausdruck, den Meinfeldt bei dieser Frage an den Tag legte.

      »Kann das jemand bezeugen?«

      »Nein, aber warum sollte das jemand bezeugen können? Ich hätte Sabrina doch nie was getan, schließlich lebte ich von ihr. Ich werde doch nicht den Ast absägen, auf dem ich sitze. Außerdem standen wir uns nahe. Auch wenn es nicht die große Liebe war, so vertrauten wir uns und waren gegenseitig für einander da.« Er verschwieg allerdings, dass er deshalb in Paguera war, weil Sabrina ihm den Laufpass gegeben und angekündigt hatte, ihn aus ihrem Testament streichen zu lassen. Er wollte sie umstimmen. Denn sonst hätte er einpacken können und seine schicke Wohnung in Prenzlauer Berg aufgeben müssen. Aber mehr noch hätte ihn getroffen, seinem süßen Leben ade sagen zu müssen. Und all den willigen Mädels. Jetzt brauchte er sich nicht mehr zu sorgen.

      »Sie haben mir noch nicht verraten, warum Frau Schneider nicht erbaut über Ihr Auftauchen war?«

      »Ich denke, dass sie mit dem Hoffmann was am Laufen hatte. Und ich sie in ihren Bemühungen gestört habe. Aber sie hatte nichts dagegen, dass ich hier war, glauben Sie mir.« Und sein dreckiges Grinsen überzeugte Mercédès.

      »Danke für Ihre Bereitschaft, meine Fragen zu beantworten. Bitte reisen Sie nicht ab, es kann sein, dass ich noch einige mehr an Sie habe«, und sie ließ ihren Blick ein weiteres Mal an eine bestimmte Stelle des jungen Mannes wandern, bevor sie das Apartment verließ. Nicht übel, dachte sie.

      Jens lächelte vor sich hin. Nein, so schnell würde er nicht abreisen. Erstens hatte er grad das hübsche Zimmermädchen aufgerissen, das ihm die Nacht versüßt hatte, nachdem Sabrina ihn hinausgeworfen hatte. Er konnte nicht verstehen, warum Sabrina nach einem Quickie genug von ihm hatte. Sie hatten es doch sonst mehrmals in einer Nacht getrieben. Aber die letzten Tage war sie irgendwie eigenartig. Ob es mit Hoffmann zusammenhing? Er nahm sich vor, dem auf den Grund zu gehen.

      Nach dem Besuch bei Jens Meinfeldt wollte Mercédès noch Dirk Ackermann aufsuchen, um zu überprüfen, ob sich Ackermann und Sabrina Schneider wirklich gekannt hatten, wie es Frau Fichtelhuber behauptet hatte. Sie orientierte sich an dem Resort-Plan, den ihr die Rezeptionistin vorausschauend mitgegeben hatte.

      Die Anlage war um die Bucht La Romana gruppiert und zog sich die Hügel hinauf, die teilweise von dichtem Pinienwald bewachsen waren. Im Moment befand sie sich am höchsten Punkt. Sie kletterte also die Stufen wieder hinunter, denn Haus 6, in dem die Ackermanns wohnten, lag gleich hinter der Rezeption, die in der Mitte des Resorts am tiefsten Platz lag, wenn man vom Meer absah. Sie hatte Muße, die Häuser, in denen die Apartments untergebracht waren, genauer in Augenschein zu nehmen. Fand es hübsch, dass alle in verschiedenen warmen Farben strahlten und in unterschiedlicher Bauweisen errichtet waren. Nicht so nullachtfünfzehn, wie das sonst bei vielen Anlagen der Fall war. Manche der Gebäude lagen versteckt unter Pinien, andere direkt an den Klippen, wie Meinfeldts Haus.

      Sie kam an der Bar Luna 81 vorbei, dann am Pool, der beim Schwimmen einen herrlichen Ausblick auf die Bucht bieten musste, denn beides, Bar und Pool, waren terrassenförmig in den Hang eingelassen. Sie blickte hinunter auf den Spielplatz und den Strand dahinter, an dem nur wenige Leute spazierten. Als sie unten angekommen war, überquerte sie den Parkplatz, schlenderte an der Rezeption vorbei, nicht ohne einen Blick durch das Fenster auf Werner Hoffmann zu werfen. Dann schlug sie den Weg zwischen Restaurant und Rezeption ein, der sie erneut bei einem Pool vorbei führte, hinter dem Haus 6 lag.

      Sie klopfte an die Apartmenttür 602, laut Plan eines der drei Apartments, die für Menschen mit körperlicher Beeinträchtigung geeignet waren. Hatte die Fichtelhuber nicht etwas von einer kranken Frau erwähnt?

      Ein Mann Mitte Siebzig mit einem gewaltigen Bierbauch öffnete und schaute sie mit eisgrauen Augen hinter randlosen Brillengläsern abschätzend von oben herab an.

      Sie musterte den Mann kühl zurück und überlegte, dass er einmal eine imposante Erscheinung gewesen sein musste, mit einer Größe von fast 1,90 Meter und dem charakteristisch geschnittenen Gesicht. Doch jetzt ließen ihr der mürrische, fast aggressiv abweisende Ausdruck einen Schauer über ihren Körper laufen. Die feinen Äderchen, die seine rote Nase durchzogen, verrieten ihr, dass sie hier einen Trinker vor sich hatte.

      »Ja? Was wollen Sie?«, fragte er angespannt. Automatisch auf Deutsch.

      Wieder einmal ärgerte sich Mercédès, dass diese deutschen Touristen gar nicht auf die Idee kamen, es wenigstens aus Höflichkeit mit Spanisch zu probieren. Sie seufzte und wusste in dem Moment, warum man sie auf die Insel versetzt hatte. Sie sprach deutsch und spanisch wie ihre Muttersprache.

      »Ich bin Comissària Mayerhuber und untersuche den Tod von Sabrina Schneider. Wenn mich nicht alles täuscht, habe ich Sie, Herr Ackermann, heute in der Menge vor dem Schwimmbad ausgemacht, in dem wir die Tote gefunden haben.«

      Sie beobachtete ihn dabei genau, denn ihr war sein gequälter Gesichtsausdruck aufgefallen, und sie hatte gehofft, diesen Mann zu finden, aber nicht damit gerechnet, dass das so schnell und so einfach war.

      »Ja und, weshalb kommen Sie da zu mir? Ich war nicht der Einzige dort.« Seine kalte Stimme ließ sie erneut einen Schauer spüren.

      »Aber Sie kannten Frau Schneider. Wie uns berichtet wurde, haben Sie des Öfteren mit ihr gesprochen.«

      »Ich kannte diese Frau nicht«, und die Betonung von ›diese Frau‹ ließ Mercédès aufhorchen.

      »Sie haben sich also nie mit Frau Schneider unterhalten?«

      »Was heißt unterhalten? Wir haben hin und wieder ein Wort gewechselt, wie das in solchen Resorts der Höflichkeit geschuldet ist. Doch mehr als ein ›Grüß Gott‹, ›schöner Tag heute‹ war das nicht. Ich kannte nicht einmal ihren Namen.«

      »War es das?«, fügte er noch schroff hinzu, da ihn Mercédès nur interessiert beobachtet hatte.

      Mercédès überlegte kurz. Doch was sollte sie ihn befragen, wenn er abstritt, sie zu kennen? Mehr als das bösartige Geschwätz der alten Fichtelhuber hatte sie nicht. »Danke, ja, das war´s. Aber es könnte sein, dass sich noch Fragen ergeben. Sie haben nicht vor, in nächster Zeit abzureisen?«

      »Ich bin noch bis Januar hier eingesperrt«, antwortete er grimmig und schloss ohne Abschiedsgruß die Tür.

      Mercédès wandte sich kopfschüttelnd ab.

      »Warum hast du der Kommissarin nicht erzählt, dass du das Luder kennst?«, kam es hasserfüllt aus dem Nebenzimmer, nachdem er die Tür geschlossen hatte.

      »Halt dein Schandmaul«, gab er laut und kalt zurück und schenkte sich einen doppelten Schnaps von seinem Selbstgebrannten ein. Nicht den ersten an diesem Morgen. Das ist das Einzige, was mir noch bleibt, dachte er grimmig. Meine Schnapsbrennerei. Und ich bin selbst mein bester Kunde. Dann holte er sein Smartphone aus der Brusttasche, öffnete seine Musik-App und gleich darauf erklang das Lied As Time Goes By.

      »Schalt das verdammte Lied aus«, keifte seine Frau bissig.

      Er schlug ohne ein Wort die Tür zum Nebenzimmer zu, und begab sich auf die Terrasse seines Apartments. Nicht, ohne den Schnaps mitzunehmen.

      Auf dem Weg durch den Pinienhain zu ihrem Auto musste Mercédès an ihren typisch bayrischen Vater denken, von dem sie die Sturheit und Durchsetzungskraft geerbt hatte. Von ihrer spanischen Mutter die Zierlichkeit und ihre oft widerspenstigen Locken, die sie zeitweise hasste. Vater hätte es hier gefallen. Er liebte den Duft von Pinien. Doch über eines hatte sie sich zeitlebens mit ihm gezankt. Warum nur war Vater so ein Mercedes-Liebhaber? Schon in Grundschulzeiten in München hatte sie unter diesem Vornamen gelitten. Ihr Vater hatte sie bei Klagen tröstend in die Arme genommen und geflüstert: »Mercédès ist ein wunderschöner Name für ein wunderhübsches Mädchen. Wer das nicht einsieht, ist deiner nicht wert.« Sie lächelte bei dem Gedanken an ihn. Leider war