Günther Dümler

Mords-Schuld


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Corona-Tsunami ausgeblieben, der Großteil der Bevölkerung geimpft und der schier ewig währende Lockdown zumindest weitestgehend wieder aufgehoben ist. Man muss lediglich vorsorglich in Geschäften eine Schutzmaske tragen, ansonsten aber gibt es weder Ausgangs- noch Besuchsbeschränkungen mehr. Sollten die tatsächlichen Ereignisse im Juni 2021 meinen Optimismus als übertrieben entlarven, so bitte ich bereits jetzt zerknirscht und voller ehrlicher Reue um gnädige Vergebung.

      Die folgende Geschichte ist natürlich wie immer völlig frei erfunden. Die kriminellen Aspekte des Geschehens sind zu 100% reine Fiktion und haben niemals so oder auch nur so ähnlich stattgefunden. Übereinstimmungen oder auch nur Ähnlichkeiten jeglicher Art mit wahren Begebenheiten und real lebenden Personen sind daher rein zufällig und keinesfalls beabsichtigt.

      Die Rödnbacher Freunde

Peter Kleinlein Rödnbacher, Hobbydetektiv
Marga Kleinlein seine stets besorgte Ehefrau
Simon Bräunlein Metzgermeister aus Rödnbach, Hersteller der 1A preisgekrönten Bratwurst
Gisela Bräunlein seine (im Sinne des Geschäfts) bessere Hälfte, das Gehirn des Betriebes
Lothar Schwarm Friseurmeister aus Rödnbach, sehr sensibel, äußerst gepflegte Erscheinung
Maria Cäcilie Schwarm Kosmetikerin mit oberpfälzischem Migrationshintergrund, mittlerweile Lothars Ehefrau

      Die Ermittler

Erwin Schindler Kriminalhauptkommissar
Heinz Havranek Kriminalobermeister
Roland Preißler Dezernatsleiter

      Weitere Personen

Marion Hartmann Vom Schicksal schwer getroffen
Robert Hartmann Ein Coronaleugner
Kurt Singer Ein schlafloser Mitbürger
Ralf Maiwald Ein scharfer Beobachter
Jutta Kammerer Haushaltshilfe bei Hartmanns
Beate Hassold Nachbarin der Hartmanns
Marco Rothermund Schlagkräftiger Teamplayer
Marianne Stolzegenannt Mary-Ann Vielseitige Empfangsdame
Boris Nikolaev Dubioser Geschäftsmann
Gernot Mallwitz Ein reuiger Sünder
Gerald Seifert Sparkassenberater
Margarethe Beckgenannt Beggn Gredl Führendes Mitglied der Hundsweiber und unerschöpfliche Gerüchtequelle
Frau Zängerlein Ältere Dame mit festen Moralvorstellungen
Marie-Luise Schrödel Gut informierte Kundin im Salon Schwarm
Adele Heller Gemeindeschwester
Rosi Bär, geb.Hartmann Erbin
Karl Bernreuther Wirt des Goldenen Adlers

      Es war Mitte Juni und die Sonne brannte mit einer enormen Intensität auf die Erde nieder. Man konnte glauben, sie wolle an einem einzigen Tag all die trüben Stunden wett machen, die sie durch ihr demonstratives Fernbleiben den ganzen April und den halben Mai über verschuldet hatte. Sie fiel im wahrsten Sinn des Wortes von einem Extrem ins andere. Insofern verhielt der Planet sich nicht anders als die meisten Menschen über alle Grenzen hinweg inklusive großer Teile der Röthenbacher Bevölkerung.

      Auch sie, die monatelang in die Enge ihrer Häuser und Wohnungen verbannt waren und ihre Arrestzellen nur aus triftigen Gründen verlassen durften, zum Einkaufen etwa oder um ihrer Arbeit nachzugehen, wollten nun mit einem Schlag das vermeintlich Versäumte nachholen. Der Bundesgesundheitsminister hatte erst gestern in der Tagesschau verkündet, dass die drei meistgefährdeten Risikogruppen, die so genannten Vulnerablen, mittlerweile erfolgreich geimpft seien und die bundesweite 7-Tage-Inzidenz nicht zuletzt deshalb auf einen Wert unter 20 gesunken wäre. Ein großartiger Erfolg angesichts anfänglicher peinlicher Pannen bei der Impfstoffbeschaffung. Vunerable, noch so ein neuer Terminus, den die Pandemie hervorgebracht hatte. Der Minister erwähnte sie natürlich nicht wörtlich, aber diese Gruppe implizierte selbstverständlich auch unsere Röthenbacher Freunde, die Familien Kleinlein, Schwarm und Bräunlein, die Hauptprotagonisten unserer Geschichte, auch wenn sie von diesem neumodischen Begriff vor Corona noch nie gehört hatten.

      Nun wurden vielfach Freudenfeste veranstaltet. Ein unbedarfter Beobachter hätte durchaus auf den abenteuerlichen Gedanken kommmen können, der ehemals ruhmreiche, derzeit aber eher ruchlose 1.FCN wäre infolge einer Wunderheilung wieder in die Bundesliga aufgestiegen und hätte zumindest die nationale Meisterschaft errungen. Es wurden allein in den ersten Tagen nach Inkrafttreten der Lockerungen solch riesige Mengen an Holzkohle vergrillt, dass militante Umweltaktivisten aufgeschreckt die finale Vernichtung des deutschen Waldes verkündeten. Brauereien machten Rekordumsätze. Mussten sie während des Höhepunkts der Lockdowns das Bier noch hektoliterweise wegkippen, so kamen sie nun nicht mehr mit der Produktion nach. Doch bei weitem nicht alle Brauereien konnten von diesem Aufschwung noch profitieren, viele hatten die Durststrecke erst gar nicht nicht überlebt. All diese Freudenausbrüche konnten eben genauso wenig wie die Sonne das Versäumte ungeschehen machen.

      In den Köpfen der Menschen blieb für immer und unauslöschlich die Erinnerung an eine äußerst verstörende Zeit, ein buchstäbliches Seuchenjahr zurück. Zu Beginn der Pandemie hatte man sich allerorten noch um ein paar Rollen Toilettenpapier gestritten, das genauso wie Backhefe quasi über Nacht aus den Regalen der Supermärkte verschwunden war. Hamsterkäufe waren an der Tagesordnung. Die Aufregung über diese Marginalien trat jedoch schon bald völlig in den Hintergrund und machte echter Sorge Platz, als die Infektionszahlen in die Höhe schnellten und die Todesrate, vor allem unter den Hochbetagten, erschreckende Formen annahm. Wer es vorzog nicht wegzuschauen, der konnte im TV verfolgen, wie im Piemonte, begleitet von gepanzerten Fahrzeugen, die Leichen mit Lastwagen aus der Stadt gebracht wurden. Kühlhäuser für Lebensmittel wurden zu provisorischen Leichenhallen umfunktioniert und im vermeintlich hochentwickelten New York mussten eilig Massengräber ausgehoben werden. Umso erstaunlicher war es, dass ein knappes Jahr später diese schrecklichen Bilder aus den Köpfen der Menschen gelöscht zu sein schienen. Bei Massenaufläufen ohne Einhaltung von Abstandsregeln wurde lauthals über den Verlust von verfassungsmäßig garantierten Menschenrechten und persönlichen Freiheiten geklagt, trotz eines unübersehbaren Anstiegs der Inzidenzen. Und das alles in völliger Ignoranz der Tatsache, dass das Grundgesetz auch den weniger waghalsigen Mitbürgern ein Recht auf körperliche Unversehrtheit garantiert.

      Auch vor dem sonst so beschaulichen Röthenbach oder Rödnbach, wie es die Einheimischen in ihrem weichen Dialekt aussprechen, dem die harten Konsonanten völlig abgehen, machte die Seuche nicht Halt.