Denise Remisberger

Suche Frosch mit Krone


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des Wortes „Endena“ war so seltsam, dass sie aufhorchte. „Zwei Monate. Warum?“ „Ach, nur so. Sie geht nicht so gerne in den Ausgang, nicht wahr, ich meine, im Gegensatz zu dir.“ „Sie muss halt oft ins Basketball-Training, weisst du. Doch am Samstag war sie zuhause“, endete Karla die Unterhaltung grinsend und zeigte der Frau am Schalter ihre Karte.

      Wieder draussen, fragte Roberto, ob Karla ihm die Karten legen würde. „Klar! Heute?“ „Ja, aber bitte bei mir zuhause. Nicht, dass noch jemand zuhört.“ Er kratzte sich verlegen an der Stelle, wo das längere Haarbüschel hervorstand.

      8

      Während Karla eine Beziehung zwischen Roberto und Endena prophezeite, machte Kurt seine Hausaufgaben in der WG-Stube, die er sich mit drei Mitbewohnerinnen teilte. Im Moment jedoch hielt sich niemand von den anderen drei zuhause auf. Kurt war ein schlaksiger Junge mit strohblondem anliegendem Haar und einem verbitterten Zug um den kleinen Mund. Er hatte die Angewohnheit, im Stehen sein Gewicht in schnellstem Tempo von einem Fuss auf den anderen und wieder zurück zu verlagern, wobei er seine Schultern nach vorne hängen liess, was nicht gerade bodenständig aussah. In krassem Gegensatz zu seinem Zynikermund standen seine grossen kornblumenblauen Augen und dann gab es Momente, in denen er mit seinem schrägen Humor durchaus positiv überraschen konnte. Gerade hatte er sich zu einem neuerlichen Lernanlauf überwunden. Viel lieber als dieses Zeugs über verschiedene Baustoffe zu lernen, um die er bei seinem Architekturstudium leider nicht herumkam, würde er jetzt irgendeinem hübschen unbekannten Mädchen seine Probleme mit dem Krieg in Ex-Jugoslawien schildern. Er hatte zwar eher ein paar Konflikte mit seiner eigenen Person, aber das ferne Ex-Jugoslawien schien ja so viel weniger verzwickt. Er hatte sogar schon einige Patentlösungen ausgetüftelt, denen es allerdings schwer an konkreter Durchführbarkeit mangelte. Er liess sich von seinen Tagträumen jedoch, wie gesagt, nicht lange beirren, denn am folgenden Tag war eine Prüfung angesagt, bei der er unbedingt gut sein musste.

      9

      Am selben Abend rief Remo bei Karla an. Er hatte alle seine khakifarbenen Sakkos in einer Truhe im Estrich verstaut und sass nun genügsam mit einem dicken Wollpullover, den ihm seine liebe Tante gestrickt hatte, in seinem schlauchartigen engen Wohnzimmer in einem unbequemen Sessel aus schwarzem abgewetztem Kunstleder, den er sich aus dem Brockenhaus geholt hatte, als es dort noch solche gab. „Ich habe bei der Bank gekündigt!“ „Was?!“, war die überraschte Antwort. „Das ist ja geil! Endlich! Bist du endlich vernünftig geworden!“ „Puh. Ja“, kam es kleinlaut. „Gehn wir nächstens zusammen stempeln?“ „Wahrscheinlich.“

      10

      Um das freudige Ereignis gebührend zu feiern, fuhren Karla und Endena am nächsten Abend bei Remo ein.

      Er wohnte an einer Schnellstrasse mit Blick aufs Haus gegenüber, das schwarz war vor lauter Abgasen. Bei trübem Wetter wirkte die Fassade beängstigend und der Lärm von unten liess eine sich nahende Apokalypse erahnen.

      Im schmalen Wohnzimmer mit der enormen Wohnwand vom Vorgänger wartete bereits Roberto und fing an zu zittern, als er Endena in der Tür stehen sah. Diese fasste sich ein Herz und setzte sich zu ihm aufs Sofa mit dem knallroten Stoffüberzug. Der Stoffüberzug war neu.

      Karla, die sich ebenfalls aufs Sofa neben Endena gehockt hatte, schnappte sich eine Holzschüssel mit zwei dazupassenden Löffeln und fing an, damit Musik zu machen. Sie hämmerte wild drauflos, und schon bald setzten auch die anderen mit ein.

      Remo, der am Boden sass, schob sich den leeren Papierkorb auf den Kopf und klebte sich im Takt zu Karlas Gehämmer Etikett-Kleber auf die Hosen.

      Endena, eine rote Plastik-Schubkarre auf dem Kopf, wühlte in getrockneten Blättern herum, und erzeugte damit eine Art Hintergrundton.

      Der etwas verklemmtere Roberto begnügte sich damit, mittels eines Quietsch-Krokodils aus Remos alten Kindertagen seinen Senf dazuzugeben.

      Endena und Roberto lächelten sich zwischendurch verlegen an, bis Roberto sie mit tausend Hintergedanken fragte, ob sie ihm nicht Grundunterricht in Basketball geben würde. „Ja, warum nicht“, säuselte sie und verdrehte ihre dunklen Augen gen Himmel beziehungsweise in Richtung abbröckelnde Zimmerdecke.

      Als Remo zwei Stunden später, schon halb taub, anmeldete, er müsse jetzt schlafen gehen, gingen die drei gemeinsam weg, sodass Endena Roberto ungehindert fragen konnte, ob sie ihn mit dem Auto nachhause fahren solle. Er schaute sie mit grossen ernsten Unschuldsaugen an und versuchte ein ganz neutrales „Ja, gerne“ von sich zu geben. Er fragte sich darauf, was Karla denn jetzt wieder so lustig fand.

      Als sie schon ein Stück gefahren waren, und Roberto bereits seine Adresse preisgegeben hatte, kam es Karla so vor, als würden sie in die falsche Richtung brausen. Sie wollte Endena jedoch nicht blossstellen und sagte nichts. Roberto, der ebenfalls von diesem Abweg Kenntnis nahm, meldete sich behutsam: „Endena, willst du uns dein Auto vorführen?“ Sie, die das sichere Gefühl hatte, auf der richtigen Strasse zu sein, hatte nicht den leisesten Schimmer, was er ihr damit sagen wollte. „Auto vorführen? Wofür hältst du mich?!“ „Ich dachte nur, weil ich eigentlich auf der andern Seite der Stadt wohne.“ „Ich glaube, du hast zu viel mit deinem Gummikrokodil gespielt, ich fahre schon richtig!“, meinte sie spitz. Er seufzte und lehnte sich zurück. Karla drehte den Kopf fest nach rechts, sodass niemand ihr breites Smile sehen konnte.

      Irgendwann im Verlaufe der Stadtbesichtigungstour wendete Endena und kam schliesslich wider Erwarten der andern beiden vor Robertos Haustür an. „Hättest du morgen Zeit zum Basketball-Spielen, so um drei?“, fragte er schüchtern. „O.K.“, tönte es sehr gereizt – verständlich, nach dieser Irrfahrt.

      11

      Am nächsten Abend trafen sich Karla, Remo und Knelch in ihrer Stammbeiz, in der sie sich anschreien mussten, um den Krach aus den Lautsprechern zu übertönen.

      Knelch war derjenige der Clique, der jegliche News immer erst dann erfuhr, wenn schon wieder alles anders war. Und dann sah er Dinge, die ausnahmslos seinem Wunschdenken entsprachen, wie damals, an einem „Bunten Abend“ bei Karla und Endena zuhause, als er meinte, Endena knutsche mit Gustav in einer Ecke des Badezimmers herum, dabei war da gar niemand. Die beiden hatten lediglich eine kleine Meinungsverschiedenheit über Farbkombinationen und da standen sie im Wohnzimmer.

      Knelchs Kopf krönte ein Bürstenschnitt in Blond, der von seinen Aktivitäten im Schweizer Militär zeugte. Warum er dort ehrgeizig war, würde nur sein Therapeut herausfinden, doch diesen mied er tunlichst. Er war einmal auf Betreiben seiner ersten Freundin hingegangen, doch es blieb bei dem einen Mal. Sein liebenswert argloser Gesichtsausdruck machte das von ihm romantisierte Militär zwar nicht wirklich besser, doch er machte ihn so sympathisch, dass ihm einfach verziehen werden musste.

      Und dann war da noch seine Computermanie. Knelch hatte den ganzen Tag wieder mal nichts anderes getan, als auf diversen Tastaturen herumzuhacken.

      Er schwärmte, zu Karlas Unverständnis, gerade von einem Fehler, den er nach dreiwöchiger Suche nun endlich gefunden zu haben schien, als klein Zorro, in dunkelvioletten Jeans und braunem Zopfmusterpulli mit V-Ausschnitt, den Laden betrat. Seine roten Haare wurden bereits am Eingang vom Barlicht in ein leuchtendes Flammenmeer verwandelt.

      „Na, wie war es denn mit Kring, habt ihr euch gut amüsiert?“, fragte ihn Karla grinsend. Er verzog nur seinen Mund und holte sich ein grosses Bier.

      Nach ein paar Schlucken hatte er sich jedoch wieder so weit erholt, dass er mit Karla eines ihrer beliebtesten Streitgespräche beginnen konnte, nämlich dasjenige über das Thema Astrologie. Sie fand die Horoskopanalyse etwas Unerlässliches, er laberte die ganze Zeit von seinem Instinkt, der ihm alle seine psychischen Probleme von selbst aufzeigen würde, was Karla sichtlich erstaunte, wenn sie an seine Ratio-Überbetonung dachte. Sie versuchte auf alle Fälle, nicht zu kichern.

      Als die beiden einige Stunden später