Alex Mann

Coronagangster


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weg. Mit Hilfe meines Freundes verschaffst du dir Zeit. Ich sag nicht, dass die Lage dadurch soviel besser wird. Aber noch hast du ´ne Chance. Ich meine, denk mal weiter, dein Laden lief super, die Leute wollen alle wieder weiter leben, wie vorher. Sobald die Kacke vorbei ist, werden sie dir die Bude einrennen und dann kannst du das kleine Darlehen auch schnell zurückzahlen.“

      Frank fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. Ihm gefiel die Sache nicht. Wenn er eins in seinen siebenundvierzig Jahren gelernt hatte, dann dass Leute, die dir ihr Geld anboten, meist mehr zurückverlangten, als du bereit bist, zu geben. Eine Bank ist schon ein harter Geschäftspartner. Aber die nimmt dir wenigstens nur den Laden weg und bricht dir nicht die Beine.

      „Was springt für dich dabei rum?“, fragte Frank.

      Sebastian zuckte mit den Schultern. Er wollte lässig und cool wirken. Und das war das Problem. Er wollte lässiger und cooler wirken, als er war. Frank war sich sicher, dass er selber irgendwelche Probleme hatte. Und jetzt versuchte er, ihn da mit reinzuziehen und es auch noch wie einen Freundschaftsdienst aussehen zu lassen.

      „Wenn ihr beide ins Geschäft kommt, schuldet mir dieser Freund einen kleinen Gefallen.“

      „Verstehe. Und was ist das für Geld?“

      Sebastian lächelte schräg. „Frag lieber nicht so viel, Frank.“

      „Ich tu´s aber. Ich hab` Zeit zu fragen.“

      „In Ordnung. Es ist Geld, dass er so nicht ausgeben kann. Aber du kannst es. Und wenn du es ihm zurückzahlst, kann er es endlich auch.“

      „Verstehe. Ich helfe also irgendeinem Gangster, seine Kohle zu waschen.“

      „Wie gesagt, du solltest nicht zu viel drüber nachdenken. Ich meine, was soll dir passieren? Nehmen wir mal an, irgendjemand fragt dich nach dem Geld. Dann sagst du, du hast es von einem Freund geliehen. Du kannst sogar sagen, von wem du es geliehen hast, denn es ist ja nichts Illegales dabei, wenn ein Mann einem anderen Geld leiht. Und dass jemand in deiner Situation in den Zeiten in denen wir gerade leben, einen Privatkredit aufnimmt, kann ihm ja wohl auch niemand verübeln. Ist also kein Risiko dabei.“

      „Kein Risiko? Hälst du mich für bescheuert? Natürlich ist da ein Risiko dabei, denn wenn die Scheiße hier noch ein Jahr weiter geht und ich deinem Freund seine Kohle nicht zurückzahlen kann, was passiert dann?“

      „Mach dir keine Sorgen, Franky. Mein Freund ist etwas geduldiger, als irgend ´ne Bank. Mit dem kann man reden.“

      Frank seufzte und lehnte sich zurück gegen das Kunststoffpolster des Stuhls. Er wusste, dass auf diese Art und Weise Probleme anfingen. Wenn man weiß, dass der Weg, denn man gehen wird, mit Ärger verbunden ist. Aber wenn es nun mal keinen anderen Weg gab.

      „Ich will deinen Freund kennen lernen.“

      2

      Ein paar Stunden zuvor.

      Mirko Banowani klopfte an die Tür, rieb sich mit dem Zeigefinger die Nase und schob dann beide Hände in die Taschen seiner Sportjacke.

      „Wer ist da?“, fragte eine männliche Stimme von der anderen Seite der Tür.

      „Mach auf Seb“, sagte Mirko, ohne die Frage direkt zu beantworten.

      Für ein paar Sekunden war es still.

      „Du weißt schon, dass diese Tür gleich aufgehen wird? Aber es wird entspannter laufen, wenn du sie aufmachst, kapierst du das?“

      Es war immer dasselbe, dachte Mirko. Wenn er seinen zweiten oder dritten Besuch machte und die Leute seine Stimme erkannten, zögerten sie, zu öffnen. Als ob das dann noch irgendetwas zu bedeuten hätte. Immerhin wohnte Sebastian Hilbert im vierten Stock und Mirko glaubte nicht, dass er ein so guter Fassadenkletterer war, als dass er über das Fenster entkommen konnte.

      Tatsächlich hörte er gleich darauf, wie ein Speerriegel geöffnet wurde, ein Schlüssel sich zwei Mal im Schloss drehte und dann ging die Tür auf.

      Sebastian Hilber schaute unsicher durch den Türspalt.

      „Ich musste mir nur noch was anziehen“, sagte der Hipster und zog, wie um seine Worte zu unterstreichen, am Kragen seines Hemds.

      „Schon klar.“ Mirko trat durch die Tür und rüffelte die Nase. „Mann, du solltest echt öfter mal lüften. Von dem Mief allein wird man ja schon high. Ist ‘n Wunder, dass deine Nachbarn den Bullen noch nichts gesteckt haben.“

      Sebastian grinste. „Och, das sind alles Studenten. Die haben sogar schon des Öfteren bei mir geklingelt und mir was abgekauft“, sagte er. Immer noch trug er lediglich das Hemd und eine Boxershorts.

      „Ach ehrlich?“ Mirko ging durch die Tür ins Wohnzimmer. Die Wohnung war mit schlichten IKEA-Möbeln eingerichtet, nicht unelegant, aber eben auch billig. Ein großer Flachbildfernseher hing an der Wand. Auf einem Sideboard stand eine zertrümmerte Stereoanlage.

      „Immer noch kaputt?“, fragte Mirko, ließ sich auf einen grauen Sessel fallen und nickte in Richtung der Stereoanlage.

      „Ja, Mann, das war echt scheiße. Mit dem Fernseher hätte ich eher leben können, als mit meiner Anlage, zumal sie doppelt so teuer war.“

      Sebastian knöpfte sein Hemd zu und steckte es sich in die Shorts.

      Mirko zog eine Schachtel Zigaretten aus der Jackentasche, klopfte zweimal auf die Lehne des Sessels, steckte sich dann eine in den Mund und holte ein Klappfeuerzeug hervor.

      „Ej, Mann“, sagte Sebastian. „Kannst du das lassen? Das ist ‘n Nichtraucherhaushalt.“

      „Nichtraucherhaushalt?“, fragte Mirko lachend und zündete die Zigarette an. „Mann, hier riechts, als hätten zwanzig Kiffer ´ne Woche lang Party gefeiert und du regst dich über ´ne Fluppe auf? Ernst jetzt?“

      „Ist halt was anderes.“

      „Durchaus.“ Mirko nahm einen tiefen Zug, wandte den Kopf zu der Stereoanlage und bliess dabei blauen Rauch durch das halbe Zimmer. „Was das anbelangt, ist´s nun mal Pech, aber ´ne erste Warnung ist ´ne erste Warnung. Die muss halt auch schon weh tun. Was sollte ich denn deiner Meinung nach zertrümmern? ´n Blumentopf?“

      „Nein, Mann. Siehst du hier irgendwelche Scheißblumen? Man muss sich ja aber auch steigern können.“

      „Hast du ´n Aschenbecher?“

      Sebastian schüttelte mit dem Kopf, woraufhin Mirko einmal mit dem Zeigefinger auf seine Zigarette klopfte und ein Aschwölkchen auf den braunen Flokati rieselte.

      „Du willst mir also sagen, ich hätte erst deinen Fernseher und dann deine Anlage zertrümmern sollen? Das heißt, du hast Jaschas Geld immer noch nicht?“

      „Man woher denn? Es ist Scheiß-Corona. Alles hat dicht. Wie soll man denn jetzt Geschäfte machen?“

      „Keine Ahnung. Hättest in ein Scheiß-Restaurant einbrechen können, die Einrichtung klauen und bei Ebay verhökern. Hast du keine Eltern?“

      „Die haben schon vor Jahren aufgehört, mir Geld zu leihen.“

      „Tja, Mann, dann sieht´s wirklich schlecht für dich aus, denn in dem Fall wird das heute die zweite Warnung. Und wie du selbst schon festgestellt hast, kann ich mich mit dem Fernseher nicht wirklich steigern.“

      Sebastian schluckte schwer und musterte Mirko. Er war ein junger Georgier, vielleicht Ende zwanzig, mit breiten Schultern und muskulösen Armen, die durch drei Fitnessstudiobesuche pro Woche in Form gehalten wurden. Er trug Sportklamotten, ein Goldkettchen und sah wie so viele der weißen Jungs aus, die mit ihrem Look schwarze Rapper imitieren wollten, wobei sein kurzer Bürstenhaarschnitt und die kantige Physiognomie immer noch den Osteuropäer verrieten.

      „Was schaust du mich so an, wie ein Schweinchen den Schlachter? Ich werd` dich ja nicht gleich umlegen.“

      „Und was willst du mir abschneiden?“