Alex Mann

Coronagangster


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kicherte und schüttelte ein paar Mal langsam den Kopf, was Mirko eher als schlechtes Zeichen deutete. Dann beugte sich der dicke Mann wieder langsam über den Tisch.

      „Versteh ich dich richtig? Ich schicke dich zu dem kleinen Hipster, damit du mir meine zweitausend eintreibst – nicht, dass ich damit gerechnet habe, dass er sie wirklich hätte – aber stattdessen lässt du dir ein Geschäft“, er deutete große Gänsefüßen mit seinen fleischigen Fingern an, „aufschwatzen, dass mich weitere hundertfünfzigtausend kosten soll? Um in eine sterbende Branche zu investieren?“ Jascha lachte und schüttelte noch einmal mit dem Kopf. „Mirko, Mirko … ich hab` dich nie für besonders clever gehalten. Deinen Job hast du bisher immer zu meiner vollsten Zufriedenheit erledigt. Aber das… das ist jetzt schon der zweite Schnitzer, den du dir leistest.“

      „Der zweite?“ Überrascht kniff Mirko die Augen zusammen. „Was war denn der erste?“

      „Darüber reden wir gleich“, sagte Jascha mit einem Unterton, der Mirkos Unruhe noch weiter steigerte. „Kannst du mir erstmal verraten, was ich mit ´nem Scheiß-Diner soll? Seh` ich vielleicht aus, wie ein beschissener Frittenhändler?“

      Ein bisschen schon, dachte Mirko, schob den Gedanken aber schnell beiseite, damit er ihm nicht noch aus Versehen über die Lippen kam. „Sebastian meinte, dass so ein Laden super wäre, um Geld zu waschen. So machen´s die Spaghettis auch. Ich mein`, irgendwann ist der Coronascheiß ja wieder vorbei und dann machen auch die Restaurants wieder auf. Das Arizona soll bis zum Lockdown gut gelaufen sein. Da wechselt jeden Tag ein Haufen Bargeld den Besitzer.“

      Jascha lehnte sich wieder in seinem Stuhl zurück und sog tief die Luft ein, sodass sich sein großer Bauch langsam anhob. Seine kleinen Schneidezähne zupften an einer Unterlippe, was er immer dann tat, wenn er angestrengt nachdachte. Mirko spürte, wie er vom Haken hüpfte.

      Schließlich schlug Jascha mit seiner schweren Hand auf die Tischplatte, dass die Eiswürfel in der leeren Glaskaraffe klapperten.

      „Ich sag dir was. Ich sprech` die Sache mit meinem Buchhalter durch. Aber bist du auch sicher, dass der Hipster in der Zeit nicht einfach die Fliege macht?“

      „Ganz sicher. Der hat viel zu viel Schiss vor dem, was ich mit ihm machen würde, wenn ich ihn dabei erwischen sollte.“

      „Hoffen wir es für dich.“ Jascha rieb sich die Nase und wandte sich wieder der Flügeltür zu. „Daria! Bring neuen Eistee!“

      Mirko drückte nervös seine noch nicht vollständig aufgerauchte Zigarette in den sauberen Aschenbecher und holte eine neue aus seiner Schachtel. Jascha bemerkte es und lächelte. „Bist du wegen irgendetwas nervös, mein Freund?“

      „Du sprachst von zwei Fehlern. Was ist denn der zweite?“

      „Du hast wirklich keine Ahnung?“

      Mirko hatte durchaus eine Ahnung, zog es aber vor, unschuldig mit den Kopf zu schütteln.

      „Warte einen Moment“, sagte Jascha, als Daria die leere Karaffe vom Tisch nahm.

      Mirko nahm nervöse kurze Züge. Es war nicht allein die sommerliche Hitze, die ihm die Schweißperlen auf die Stirn trieb, als ihn plötzlich ein Schlag am linken Oberarm traf.

      Erschrocken fuhr er zusammen.

      Ein Fußball prallte vom Geländer der Veranda ab, sprang gegen das Stuhlbein und tippelte dann über die Steinplatten, ehe Jascha ihn mit dem Fuß zum Stehen brachte. Mühsam erhob er sich, hob den Ball auf und trat an die Stufen, von wo er auf vier vor Schreck versteinerte Jungs herabblickte. „Tariel, Levani, was soll das? Ihr sollt doch aufpassen!“

      „Entschuldige Papa“, sagte einer der Jungs mit gesenktem Kopf und auf dem Rücken verschränkten Armen.

      „Entschuldigt euch nicht bei mir. Mich habt ihr ja nicht angeschossen.“

      „Entschuldige, Onkel Mirko“, sagten drei der Jungs im Chor, während der Vierte und jüngste verlegen auf seine schmutzigen Füße schaute.

      „Seid vorsichtig“, sagte Jascha, trat unbeholfen gegen den Ball und schoss ihn mitten in den Pool, in dem zwei kleine Mädchen planschten.

      „Ups“, murmelte der dicke Gangsterboss und deutete damit an, dass es mit seinen fußballerischen Qualitäten auch nicht sonderlich weit her war. Mit einem verschmitzten Lächeln ließ er sich wieder in seinen Stuhl fallen, als Daria durch die Tür schritt, die beiden Gläser füllte, die somit gleich wieder halbleere Karaffe auf den Tisch stellte und im Haus verschwand.

      Mirko fragte sich kurz, was sie dort wohl machte.

      Jascha nahm sein Glas, schob sich den Strohhalm zwischen die fleischigen Lippen und saugte kräftig daran.

      Nachdem er das halbe Glas geleert hatte, stellte er es ab und faltete die Hände über seinem dicken Bauch.

      „Dann wäre da noch diese zweite Sache.“

      „Bin ganz Ohr“, sagte Mirko und versuchte, sich betont lässig zu geben.

      Jascha hob drohend den Zeigefinger seiner rechten Hand. „Ich seh´s dir genau an, mein Freund, dass du weißt, wovon ich rede.“

      Betreten senkte Mirko den Blick auf die Tischkante.

      „Hör auf, meine Cousine zu vögeln. Ich sag` dir das jetzt im Guten.“

      „Wer erzählt den so was?“, fragte Mirko, wagte es aber immer noch nicht, seinem Boss ins Gesicht zu sehen.

      „Ich sag´s mal so: Die Spatzen pfeifen es von den Dächern. Ich hab´ fünf Cousinen und keine von denen kann irgendjemandem heimlich auch nur einen Blowjob verpassen, ohne dass ich das spitz kriege. Den Rest verrät mir die Fresse, die du gerade ziehst.“

      Mirko griff selbst zu seinem Eistee und legte sich vorsichtig zurecht, was er nun sagen wollte. „Das… das hat alles nichts mit fehlendem Respekt meinerseits zu tun, Jascha. Und es ging auch nicht nur um einen … einen…“

      „Ja, ja, ja, nicht nur um einen Blowjob. Ich kann´s mir denken.“ Jascha machte eine wegwerfende Handbewegung. „Marissa ist nun einmal von allen fünf die Heißeste und sicherlich auch die Cleverste. Es ist nicht so, dass ich dich nicht verstehen kann, mein Freund.“

      „Aber?“, fragte Mirko und seine Stimme klang trotzig, da er ahnte, was jetzt kommen würde.

      Jascha registrierte diese Aufwallung des Zorns sehr genau. Wieder schoss der mahnende Zeigefinger nach oben. „Vorsichtig, Freundchen. Ja, Marissa ist heiß und klug. Sie ist zu heiß und klug für dich. Der Sohn von diesen neapolitanischen Spaghettifressern denkt wohl genauso wie du.“

      „Gigi Caporetta?“

      „Genau der.“

      „Heißt dass, das sie ihre Cousine einem der Scheiß-Italiener übergeben wollen?“

      „Die Scheiß-Italiener machen hier nun mal mit Abstand das beste Geschäft. Sogar in diesen Scheiß-Zeiten. Denk bloß nicht, dass die Sache mit den Restaurants mir neu ist. Es steht ja sogar schon in den Zeitungen, dass die Camorra das macht. Nur die Bullen kriegen sie nicht dran.“

      „Und was hat das mit Marissa zu tun?“

      „Wenn die verfickten Italiener weiter so groß werden, dann werden sie die kleinen Leute irgendwann ganz aus dem Geschäft drängen. Bisher waren sie nicht zu groß und ich nicht zu klein, aber schon vor der Scheiß-Seuche ist dieses Verhältnis immer mehr gekippt. Ich hab meine besten Huren-Wohnungen an die Bastarde verloren und meine Mädchen müssen jetzt in irgendwelche Provinznester auf dem Land oder in die letzten Pennerviertel, nach Gorbitz, Prohlis oder nach Heidenau. Und irgendwann ist das Einzige, was ich hier in der Stadt noch habe, mein Haus, aber kein Geschäft. Aber ´ne Verbindung zwischen meiner Familie und den Caporettas würde sicherstellen, dass ich meine Geschäfte in dem Maß, wie ich sie jetzt betreibe weiterführen kann. Verstehst du das? Und ob du Marissa jetzt liebst oder nur ihre Muschi geil findest, ist mir dabei scheißegal.“

      „Was sagt