Alexandra Eck

Between the fronts


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genaueren Blick in die Ecken des Raumes, lief mir ein Schauer über den Rücken. Blut. Jemand hatte zwar versucht es wegzuwischen, doch es war immer noch in kleinen Spritzern zu sehen. Plötzlich flackerte die Neonröhre. Erst ganz selten, dann ging es im Sekundentakt. Eine Tür erschien, auch sie war aus Metall. Ich wollte zu diesem Ausgang flüchten, da wurde die Tür aber schon aufgerissen und ein Arzt kam herein. Sein Kittel war weiß und an manchen Stellen mit Blut beschmutzt. Ich ließ meinen Blick höher wandern und starrte auf den Kopf. Rote Augen starrten mich gierig an, sie waren Blut unterlaufen. Die Nase war nicht mehr vorhanden und aus dem Mund quoll eine schwarze Flüssigkeit hervor. »Ahh, du bist gekommen, Jessica«, rief er oder es. Die Stimme hallte durch das Labor. Dieses Flackern hörte einfach nicht auf. Es war unheimlich. Der Doktor hatte Zuckungen. »Jessica!«, kreischte es. Er öffnete seinen Mund nicht. Sein Kopf klappte nach hinten, so entstand ein Riss in der Kehle, durch den er sprach. Als er einen Schrei ausstieß, reckte er sich so weit nach hinten, dass ich seine Wirbelsäule sehen konnte. Ich zog mich zurück Richtung Stuhl, doch er stampfte mir hinter her. »Schätzchen, du brauchst keine Angst zu haben! Es wird nicht weh tun!«, hallte seine grässliche Stimme von den Wänden wieder. Er zückte eine Spritze, die mit einer pechschwarzen Flüssigkeit gefüllt war. Ich zitterte am ganzen Körper. Ein Donner war zu hören. Ich versuchte meine Augen vom Mann abzuwenden, doch es gelang mir nicht. Als er näher kam, um mir die Spritzte in das Gesicht zu rammen, konnte ich sein Gesicht besser sehen. Und als ich es erkannte, stiegen mir die Tränen in die Augen. Es war das Gesicht meines Vaters, das zu einer Fratze verzogen war. Ein Schluchzer entfuhr mir. Seine Hand kam immer näher. Der Arm war mit Falten und Narben übersäht. Doch das Schlimmste war, dass er anstatt Fingern, Krallen hatte. Was war ihm nur passiert?! »Nein, bitte nicht«, bettelte ich. Er stieß einen markerschütternden Jubelschrei aus und stieß zu.

      Ich schlug die Augen auf. Tränen flossen über meine Wangen. Ich atmete schwer. Der Eichelhäher hüpfte auf mich zu und legte sich neben mich. »Danke«, flüsterte ich ihm zu. Er war wirklich kein normaler Vogel. Irgendwie musste er mich verstehen. Ich griff zu meinem Nachttisch, auf dem ich mein Handy abgelegt hatte. Aus eine der Schubladen angelte ich mir Kopfhörer. Die Musik hatte mir schon immer bei schlechten Träumen geholfen. Zu den Tönen von Christina Perris A thousand years schloss ich meine Augen erneut. Und nach sechs weiteren ruhigen Liedern, dämmerte ich weg.

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      Kapitel 9

      Der Wecker weckte mich. Ich hätte ihn fast nicht gehört. Heute hatten wir Sport, weswegen ich mir nur wasserfeste Wimperntusche auftrug. Der Wetterbericht hatte für heute wieder schönes Wetter angesagt. Im Bad begutachtete ich meine Schrammen, sie waren soweit verschwunden, dass ich sie nicht mehr zu überschminken brauchte. Deshalb zog ich mir eine Jeans Hotpants an und darüber ein schulterfreies Top mit Spitze. Meine Sportsachen packte ich in einen Turnbeutel. Meine Mum stand bereits in der Küche, sie machte sogar Rührei und Bacon zum Frühstück. Lecker! »Gibt es irgendwas zu feiern?«, fragte ich sie und setzte mich auf die Bank. Sie schwenkte die Pfanne herum und befüllte meinen Teller: »Wie kommst du darauf?« »Sonst machst du nie etwas zum Frühstück«, erklärte ich ihr mit vollem Mund. Ihre Mundwinkel zogen sich nach unten. Kein gutes Zeichen. »Was nicht als Kritik gelten soll. Es schmeckt echt super lecker. Besser sogar wie bei I-Hop«, versuchte ich die Stimmung zu retten. Mein Plan ging auf. »Das freut mich, Schatz«, sagte sie sichtlich glücklich darüber, dass es mir schmeckte. »Ohh. Schon so spät. Jessica, du musst los, sonst kommst du noch zu spät« Das musste ich zwar nicht aber ich wollte meiner Mutter nicht im Weg stehen bei dem was sie tat. Vielleicht traf sie sich mit jemanden. Das wäre schön, vor allem seit ich herausgefunden hatte, wie mein Vater wirklich gewesen sein musste. Ich gönnte es meiner Mum. »Du hast vollkommen recht. Ich bin schon auf und davon«, stimmte ich ihr grinsend zu. Schnellstmöglich verschwand ich. In meinem Auto schaltete ich die Klimaanlage ein. Meine Mutter stand sogar noch vor der Tür und winkte mir zu. Ich hupte ihr auch kurz zur und fuhr dann auf die Interstate. Nachdem ich an den vielen Fastfood Geschäften vorbei war, befand sich rechts von mir ein kleiner Waldstreifen. Zu meiner linken befand sich der Seitenstreifen, auf dem Bäumchen wuchsen, die rosa Blüten trugen. Während der Fahrt ließ ich mir die Sonne ins Gesicht strahlen, setzte mir aber meine Rafen Sonnenbrille auf. Auf halben weg rief ich Liss an. Ich stellte das Telefon auf laut. Nach drei Freitönen ging sie ran. »Morgen Lissy! Wie geht’s dir?«, begrüßte ich sie munter. »Morgen. Mir geht’s gut aber es ist zu früh«, maulte sie in den Hörer. »Ach was. Bei uns ist schönstes Wetter, da muss man einfach früh aufstehen. Wie ist es bei euch?« »Auch schön. Gibt es was Neues?«, fragte sie gähnend. Die Klimaanlage blies mir angenehme kühle Luft ins Gesicht. »Ja. Ich hatte schon zwei Dates mit Kevin, du weißt schon dem Basketballer«, trällerte ich. »Nein«, kreischte Liss. »Doch.« »Wie war es?«, fragte sie aufgeregt. »Schön.« »Nun lass dir nicht alles aus der Nase ziehen!«, jammerte sie. »Er hat mich beide Male eingeladen. Dann waren wir einmal im Kino, das war der Wahnsinn und schwimmen waren wir auch. Er hat mich einfach ohne Vorwarnung abgeholt«, plapperte ich drauf los. »Habt ihr euch geküsst?«, drängte sie zu erfahren. »Ja, schon bei unserem ersten Treffen.« »Wie hat er dich gefragt?« »Mit einem Zettel im Unterricht«, erklärte ich ihr. Sie schien auf einmal viel wacher zu sein. »Vollhirnie!« »Meinst du mich, Jess?« »Nein, da war nur grad so ein Depp, der mich überholt hat. Der hat seinen Karren einfach so auf meine Spur gezogen«, erklärte ich ihr. »Ahh, du fährst. Und was ist das dann? Seid ihr zusammen? Aber ihr habt noch keinen Schritt weiter gemacht, oder? Sonst bin ich immer noch die einzige Jungfrau!«, löcherte sie mich. »Nein, um Gottes willen! Das war letzten Freitag. Ich weiß nicht genau ob wir zusammen sind. Ich weiß nicht mal, ob ich was von ihm will«, klärte ich sie auf. »Halloo! Das ist der Kevin. Soweit ich mich erinnern kann, sieht der recht gut aus.« »Ja schon. Er ist auch ein Gentleman…..aber ich weiß nicht, ob ich bereit für eine Beziehung bin. Er hat sogar gefragt, ob ich nicht für ihn cheerleadern möchte. Er hat bis jetzt nichts klar gestellt«, schwärmte ich. »Der will auf jeden Fall was von dir«, stellte sie klar. »Okay. Das wollte ich aber eigentlich nicht mit dir diskutieren«, erzählte ich ihr. »Was dann?« »Ich hab den Laptop von meinem Dad gehackt«, fing ich an, wurde aber so gleich von ihr unterbrochen. »Du kannst hacken? Das letzte Mal, als ich dich Live erlebt habe, hast du es nicht geschafft deinen Laptop anzuschalten. Also sag mir nicht, du hast es allein geschafft«, erklärte sie. »Ja, Kevins Bruder hat mir geholfen und ja, das werde ich dir auch detailliert beschreiben, doch nicht jetzt«, gab ich zu, »Also ich war in den Dateien drinnen. Es ging hauptsächlich um ein Experiment« »Dein Vater war Wissenschaftler. Was ist da so besonders?«, fragte sie kritisch. »Ich glaube es war ein menschliches Experiment. Ein Mann hat ihn nämlich beschuldigt seinen Sohn gekidnappt zu haben. Und er hat in einem Dokument, dass er 2018 verfasst hat, geschrieben, dass das Versuchsobjekt 18 wurde. Verstehst du? Das passt mit den Geburtsdaten des Jungens überein«, sprudelte es aus mir heraus. »Okay, das ist echt krass. Bis du dir wirklich sicher? Wie kommst du da Überhaupt drauf?«, befragte sie mich. »Sicher bin ich mir noch nicht zu 100 Prozent, aber ich glaube ich habe den Jungen gesehen«, beantwortete ich ihre Fragen. »Das musste ich jemanden mitteilen. Ich muss jetzt auflegen, weil die Schule gleich los geht.« »Tschau, Jess. Halt mich auf dem Laufenden, nicht nur über deinen Vater. Und pass auf dich auf«, verabschiedete sie sich. »Du bist unmöglich!«, rief ich noch in den Hörer bevor sie auflegte. Ich schüttelte den Kopf. Ihre Gedanken schwirrten immer um einen Jungen. Ich parkte und stieg aus. Auf dem Campus saßen Lena und Ava zusammen auf einer roten Picknickdecke. Ich schulterte meine Schultasche und gesellte mich zu ihnen. Eine hauchdünne Tauschicht war im Schatten noch zu erkennen. Sie hatten allerlei Häppchen auf Tellern drapiert. »Ein Morgen Picknick?«, fragte ich. Ava strahlte mich an: »Setz dich zu uns. Wir haben genug für zehn.« »Gibt es etwas zu feiern?«, fragte ich neugierig. Lag heute irgendetwas in der Luft? Erst meine Mama und dann die zwei. »Heute ist der 21. Juni. Sommeranfang!«, riefen sie freudig im Chor. »Verstehe, ihr habt Sommergefühle«, sagte ich grinsend und setzte mich ebenfalls auf die Decke. Sie hatten einen richtig guten Platz erwischt. Wir saßen schön in der Sonne hatten aber auch einen Kirschenbaum als Schattenspender.