Alexandra Eck

Between the fronts


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Wenn ich nur an Honsales denke,…dieser Testosteron gesteuerte Stier!«, schüttete ich ihm mein Herz aus. »Nach dreihundert Meter links abbiegen«, forderte mich die Navi Stimme auf, als ich schon in Williamsburg war. Ich tat wie mir erklärt. Ohne das Navigationsgerät wäre ich nicht zu diese Lagerhalle gekommen. Ich musste durch ein kleines Dorf hindurch, dann ging es weitere zehn Minuten nur durch eine Einöde, bis ich in der Gosse landete. Ich war recht schnell vorangekommen, denn es war erst halb vier. Ich fuhr durch eine Art Geisterstadt. An den Wänden der Häuser befanden sich Unmengen an Graffiti. Scheiben waren teilweise eingeschlagen und Gärten verwildert. An einem Mast wehte eine zerfetzte Nationalflagge. Überall auf dem Boden fanden sich Bierflaschen und Zigarettenstummel. Durch den Asphalt drangen schon die ersten Pflanzen. Ich fuhr so nah es ging an die Lagerhalle, die sich am Kopfende der Straße erstreckte. Sie sah noch schlimmer aus, als auf dem Bild, wenn das überhaupt ging. Um das Gebäude war ein hoher Maschendraht aufgebaut worden, der allerdings an einigen Stellen Löcher aufwies. Ich steuerte mein Auto durch einen Eingang im Zaun. An einem verwaisten Schild stand: Betreten verboten. Meinen Honda stellte ich an der Vorderseite des Labors, in Fluchtrichtung ab. Wenn mich jemand angreifen sollte, konnte ich sofort einsteigen und losdüsen. Beim Aussteigen wurden meine Haare von einer heftigen Böe nach hinten geweht und ich fröstelte. In Hampton war es nicht so kalt gewesen. Meine Hände schützend auf meine Arme gelegt, wanderte ich auf die andere Seite meines Fahrzeugs. Dort zog ich meine Regenjacke an, die den Wind erträglicher machte. Meine Tasche nahm ich auch vom Sitz. Mr. Duddle piepte. Ich setzte ihn in meiner Nähe ab, damit er sich erleichtern konnte. Sollte ich ihn mitnehmen? Ich wägte ab, im Auto war er zwar hoffentlich sicher aber was, wenn jemand kommen würde um es zu klauen? Dann war auch er weg. Wenn ich ihn mitnahm, dann fühlte ich mich nicht so allein und ich könnte ihn beschützen. Deshalb setzte ich ihn wieder in meine Tasche und stapfte auf die Tür des Gebäudes zu. Zur Sicherheit hatte ich allerdings mein Pfefferspray gezückt. Ich hielt es wie James Bond seine Pistole. Meine Tasche hing um meinen rechten Arm. Um sicher zu gehen, dass keiner um die Ecke lauerte, checkte ich beide Seiten der Halle ab. Zuerst lugte ich um die Ecke, dann trat ich hervor und begutachtete die Umgebung. An eine der Seiten schlängelten sich bereits Himbeerranken die Wand hinauf. Außerdem befanden sich große, verdreckte Fenster am Gebäude. Ich fühlte mich wie ein Polizist. Nachdem ich mit beiden Seiten fertig war, blickte ich in meinen Shoppingbag, aus dem mich Mr. Duddle anstarrte. »Keine Sorge, fast alles ist gesichert, wir gehen jetzt rein«, sagte ich ihm flüsternd und fasst mir ans Ohr, als hätte ich ein Headphone, durch das mich auch andere hören könnten. Vielleicht sollte ich 007 Agent werden. Ich gab unsichtbaren Kollegen ein Zeichen zum Stürmen. So zu tun, als wäre ich nicht allein, nahm mir ein wenig von der Anspannung was mich erwarten würde. Ich bewegte mich auf die metallene Tür zu. Beim Herankommen bemerkte ich, wie verrostet sie war. Ich öffnete sie und ………erkannte nichts, weil es zu dunkel war. Ich tastete mich vorsichtig an der Wand entlang. Meine Hand fand einen Lichtschalter und gegen meine Erwartungen wurde der Raum taghell beleuchtet. Ich schaute mich um. Es sah ziemlich verlassen aus, wie der Rest des Ortes hier. Ich ging über sechs morsche Stufen, um am Boden der Halle anzukommen. Überall hatte der Zahn der Zeit genagt. Auch hier hatte sich die Natur ausgebreitet. Ranken und sogar Moos. Der Raum erstreckte sich in die Länge vor mir. Verschiedene Maschinen waren zu sehen, doch die meisten waren verrostet, verschmutzt oder auseinander genommen. Am Boden lag Geröllstaub. Das Dach war noch vorhanden, doch auch die Streben dort waren schon orangerot. Was das wohl gewesen war? Auf den ersten Blick fand ich nichts Laborartiges, weshalb ich in den hinteren Teil vordrang. Auf dem Weg schaute ich mir die Maschinen genauer an, vielleicht war das hier eine Wäscherei gewesen. Meine Schritte hallten durch das ganze Gebäude, obwohl ich versuchte zu schleichen. Das mit dem Überraschungseffekt würde schon mal nicht klappen. Als ich gegen etwas stieß, schepperte es laut. Ich schaute mich um, doch nichts war zu sehen. Mein Herzschlag wurde immer schneller. Es war echt gruselig. Das letzte Stück wurde von einer verdreckten Glasfront abgetrennt. Auf der anderen Seite erwartete mich ein altes Büro. Hier war der Boden aus Holz und es war wesentlich dunkler. Ein Schreibtisch aus Kirschholz und ein grün gepolsterter Lederstuhl zierten die Mitte des Zimmers. An der linken Wand befand sich ein massiver Schrank. Zu meiner Rechten war ein heller Sekretär. »Modern geht anders«, teilte ich dem Vogel mit. Ich schritt auf die Möbel zu und durchwühlte die Schubladen, doch es gab nichts zu finden. Ich stieß einen enttäuschten Seufzer aus und ließ mich auf den Sessel fallen. »Wenn in dem Schrank jetzt auch keine Unterlagen sind, gebe ich auf«, sprach ich mit mir selbst. Ich stemmte mich auf und öffnete die Schranktüren. Mein Herz machte einen erfreuten Satz. Hinter den Türen befand sich ein Aufzug, der offen war. Keiner, der zusammen mit der Lagerhalle, oder was es war gebaut wurde. Es war ein Moderner aus der heutigen Zeit. Wer hätte das gedacht? Ohne zu überlegen, stieg ich ein und wie auf ein Zeichen schlossen sich die Türen. Eine Etage konnte ich nicht auswählen, er setzte sich einfach in Gang. Zu meiner Überraschung fing eine Fahrstuhlmusik an zu ertönen. Das war mein Vater, er hatte immer etwas mit Stil. Der Eichelhäher schaute mich mit großen Augen an. Erst dann bemerkte ich, dass ich leise angefangen hatte zu kichern. Ich bemerkte wie sich die Fahrtgeschwindigkeit verlangsamte und dann ganz still stand. Lautlos öffnete sich der Ausgang. Nun stand ich in einem hell erleuchteten Gang. Er war ganz in Weiß gehalten. Doch der Boden war nicht aus Fliesen, sondern aus Marmor. Geronimo hatte auf jeden Fall viel Geld in diese Forschungsfunktion gesteckt. Von diesem Gang zweigten vier Türen ab. Drei davon waren aus Milchglas, die vierte war schwarz. Meine Anspannung stieg bei jedem Schritt. Zuerst schaute ich zu der nächsten, einer weißen. Dieser Raum hatte ebenfalls weiß, als Motto. Darin befanden sich Labortische und Schränke in verschiedenen, grauen Tönen. Auf einem der Tische befanden sich verschieden große Phiolen und ein Mikroskop. Mein Vater besaß in diesem Zimmer einen Universalschrank, lauter Gläser, die wir auch in Chemie benutzten (die Namen waren bei einem Ohr rein und beim anderen raus gekommen), ein Destillationsgerät, ein Stativ, Scheren, Pipetten und anderes Laborzeug, dessen Namen ich nicht kannte. Hier gab es sicher keine Informationen, die ich verstehen konnte. Deshalb besichtigte ich den nächsten Raum. Um es kurz zu machen, es war eine Folterkammer. Es gab eine Art Badewanne, die man mit einem Stachelgitter verschließen konnte. Peitschen verschiedenster Arten lagen auf einem Tisch. Es gab einen Liege- und Fesselstuhl. Spritzen lagen auf einem Tisch, der Größe nach sortiert. Es gab sogar ein Nagelkissen und Häutungsmesser. Ich musste würgen. Es war grausam, wenn ich nur darüber nachdachte, welche Foltermethoden man bei diesen Utensilien erfinden konnte. Kurz bevor ich dieses schreckliche Zimmer verließ fiel mir auf, dass eine der mittleren Spritzen fehlten. Oh nein! Wer hatte sie bloß? War die Person noch auf meiner Ebene? Vorsichtiger, als zuvor, schaute ich mich im nächsten Raum um. Der, mit der dunklen Tür. In ihr waren Edelsteine eingelassen. Wieso das denn? Diese Kammer war kleiner als die Vorherigen. In ihr befand sich lediglich ein Tisch, auf dem ein Glaskasten gestanden hatte, doch beides lag auf dem schwarzen Marmorboden. Ich bückte mich und erkannte Blut an dem zersplitterten Glas. Da es nichts mehr zu entdecken gab, besuchte ich den letzten Raum. Ich brach in kalten Schweiß aus. Wenn jemand hier war, konnte er sich nur noch in diesem letzten Zimmer befinden. Leise schlich ich mich heran. Ich atmete einmal tief ein. Dann stieß ich die Tür mit einem Schrei auf, schloss die Augen und sprühte mit meinem Spray wild um mich. Doch nichts geschah. Ich öffnete meine Augen und erkannte, dass ich allein war. Mein Blick schweifte durch die Räumlichkeit. Auf dem Holzboden lag ein weinroter Teppich, mein Vater hatte das hier zu seinem Büro auserkoren, denn hier stand ein dunkler, aus Kiefernholz gefertigter, Schreibtisch mit einem bequemen Chefsessel. Auf dem Tisch stand ein Foto von mir an meinem fünfzehnten Geburtstag. Außer einem Bücherregal gab es nichts mehr. Er mochte es schon immer schlicht und gemütlich. Sofort eilte ich auf das Regal zu, um mir Unterlagen herauszusuchen. Diese wollte ich mitnehmen, denn hier unter der Erde, mit einem frei laufendem Experiment, fühlte ich mich nicht wohl. Ich schaute mir die Akten näher an. Die Unterlagen über seine Versuche und Ergebnisse der letzten zwei Jahre, nahm ich aus dem Regal und stopfte sie in meine Tasche. Zu Hause konnte ich sie in Ruhe studieren, ohne dieses Gefühl, beobachtet zu werden. Dann warf ich einen Blick auf mein Handy, es war schon mehr als eine Stunde vergangen. Das war eindeutig genug Zeit. Bevor ich mich wieder auf den Weg nach oben begab, knipste ich Fotos von jedem einzelnen Zimmer. Als ich in den Aufzug einstieg, erfüllte mich Erleichterung, ich hatte es geschafft. Ich hatte Akten und ich war lebend aus dem Labor herausgekommen. »Mr. Duddle, wir haben eine super Job geleistet. Heute bekommst du mal was richtig Gutes zu futtern«, versprach ich ihm erfreut. Ein Pling