aber, sei es aus Sorge für diejenigen, die er unter seinen Schutz genommen hatte, oder vielleicht auch, um seiner eigenen Sicherheit gewisser zu sein, er begnügte sich damit, Boten auf Boten abzusenden, um seinen Lieutenant, Peterkin Geislaer, sogleich zu ihm zu beordern.
Endlich kam, zu seinem großen Troste, Peterkin herbei, welcher diejenige Person war, auf welche, mocht' es Krieg, Politik oder Handel betreffen, Pavillon bei allen wichtigen Angelegenheiten Vertrauen zu setzen gewohnt war. Er war ein stämmiger, derbgebauter Mann, mit breitem Gesicht und dichten schwarzen Augenbrauen, welche anzeigten, daß er rasch zu Rath und That war, – ein wahrhaftes Rathgebergesicht. Er trug ein Büffelwamms, einen breiten Gürtel und ein Schwert zur Seite und eine Hellebarde in der Hand.
»Peterkin, mein lieber Lieutenant,« sagte sein Vorgesetzter, »dies war ein glorreicher Tag – Nacht, sollt' ich sagen – ich hoffe, du bist diesmal zufrieden?«
»Ich bin schon zufrieden, da Ihr es seid,« sagte der wackere Lieutenant; »doch hätt' ich nicht gedacht, daß Ihr den Sieg, wenn Ihr es einen nennt, in dieser Kammer für Euch allein feiern wollt, während Ihr im Rathe vermißt werdet.«
»Aber bin ich dort vermißt?« sagte der Syndicus.
»Ei, freilich seid Ihr's, um für die Rechte Lüttichs aufzustehen, die mehr denn je in Gefahr sind,« antwortete der Lieutenant.
»Pfui, Peterkin,« antwortete sein Vorgesetzter, »du bist immer so ein grilliger Murrkopf« – –
»Murrkopf? Ich nicht,« sagte Peterkin; »was andern Leuten gefällt, wird immer auch mir gefallen. Ich wünsche nur, daß wir keinen König Storch statt eines Königs Klotz erlangt haben, wie in der Fabel, die der Küster von St. Lambert aus Meister Aesops Buche zu lesen pflegte.«
»Ich errathe Eure Meinung nicht, Peterkin,« sagte der Syndicus.
»Nun wohlan, ich sage Euch, Meister Pavillon, daß dieser Eber, oder Bär, gewiß Schönwald zu seiner eigenen Höhle machen wird, und daß wir dann wahrscheinlich einen schlimmern Nachbar für unsere Stadt an ihm haben, als an dem alten Bischof. Hier hat er sich die ganze Eroberung zugeeignet, und ist nur unschlüssig, ob er sich Fürst oder Bischof nennen soll; – und eine Schmach ist es, zu sehen, wie der alte Mann von ihnen gemißhandelt worden ist.«
»Ich will es nicht dulden, Peterkin,« sagte Pavillon, aufspringend; »ich haßte die Bischofsmütze, doch nicht das Haupt, das sie trug. Wir sind Zehn gegen Einen im Felde, Peterkin, und wollen dies Wesen nicht dulden.«
»Ja, Zehn gegen Einen im Felde, aber blos Mann gegen Mann im Schloß; überdies nimmt Nickel Block der Fleischer, und der ganze Vorstadtpöbel die Partei Wilhelms von der Mark, theils um in Saus und Braus zu jubiliren (denn er hatte alle Bier- und Weinfässer preisgegeben), theils aus altem Haß gegen uns, die wir Zunftgenossen sind und Privilegien haben.«
»Peterkin,« sagte Pavillon, »wir wollen sogleich nach der Stadt gehen. Ich will nicht länger in Schönwald bleiben.«
»Aber die Schloßbrücken sind aufgezogen, Meister,« sagte Geislaer – »die Thore geschlossen und von den Lanzknechten bewacht; und wenn wir den Weg mit Gewalt erzwingen wollten, so würden diese Kerle, deren tagtäglich Geschäft Krieg ist, uns, denen Fechten nur Feiertagsarbeit ist, übel mitspielen.«
»Aber warum hat er die Thore besetzt?« sagte der besorgte Bürger; »oder warum will er ehrliche Männer zu Gefangenen machen?«
»Ich kann's nicht sagen,« antwortete Peterkin. »Es geht da ein Geschrei um die Damen von Croye, die während des Sturms aus dem Schloß entflohen sind. Dies brachte den Mann mit dem Bart zuerst außer sich, und nun hat ihn das Trinken gleichfalls außer sich gebracht.«
Der Bürgermeister warf einen trostlosen Blick auf Quentin, und schien in Verlegenheit, was zu thun sei. Durward, der bei diesem Gespräch kein Wort verloren hatte, weil er davon höchlich beunruhigt ward, sah gleichwohl ein, daß ihre Sicherheit einzig auf der Aufrechthaltung seiner eigenen Geistesgegenwart beruhe, so wie auf der Erhaltung des Muthes Pavillons. Er mischte sich nun kühn in die Unterhaltung, als Einer, der ein Recht hat, seine Stimme abzugeben. – »Ich bin beschämt,« sagte er, »mein Herr Pavillon, zu bemerken, daß Ihr unschlüssig seid, was hier zu thun sei. Geht kühn zu Wilhelm von der Mark, und verlangt freien Abzug vom Schlosse für Euch, Euren Lieutenant, Euren Knappen und Eure Tochter. Er kann Euch unter keinem Vorwande gefangen halten.«
»Für mich und meinen Lieutenant – das bin ich selber und Peterkin? – Gut, aber wer ist mein Knappe?«
»Ich bin es für jetzt,« erwiederte der unverzagte Schotte.
»Ihr?« sagte der betroffene Bürger; »aber seid Ihr nicht der Abgeordnete König Ludwigs von Frankreich?«
»Wahr; aber meine Botschaft geht an den Magistrat zu Lüttich – und blos in Lüttich werd' ich mich ihrer erledigen. – Wenn ich vor Wilhelm von der Mark meine Eigenschaft anerkennen wollte, müßt' ich dann nicht in Unterhandlung mit ihm treten? Ja, und wahrscheinlich würd' er mich zurückhalten. Ihr müßt mich insgeheim in der Eigenschaft Eures Knappen mit aus dem Schlosse nehmen.«
»Gut – mein Knappe; aber Ihr spracht von meiner Tochter – meine Tochter ist, hoff' ich, sicher in meinem Hause in Lüttich – wohin ich auch ihren Vater wünsche, von ganzem Herzen und ganzer Seele.«
»Diese Dame,« sagte Durward, »wird Euch Vater nennen, so lange wir hier sind.«
»Und für mein ganzes übriges Leben,« sagte die Gräfin, sich zu des Bürgers Füßen werfend und seine Kniee umschlingend. – »Nie soll ein Tag vergehen, an welchem ich Euch nicht ehren, lieben und für Euch beten will, wie eine Tochter für ihren Vater, wenn Ihr mir nur in dieser fürchterlichen Lage beisteht. – O, seid nicht hartherzig! Denkt, Eure eigene Tochter kniete so vor einem Fremden, und bät' um Leben und Ehre bei ihm – denkt daran, und gebt mir den Schutz, welchen Ihr Eurer Tochter wünschen würdet!«
»Fürwahr,« sagte der gute Bürger, sehr gerührt von ihrer ausdrucksvollen Rede – »ich glaube, Peterkin, dieses artige Mädchen hat etwas von unsers Trudchens süßem Blicke, mir kam es gleich so vor; und auch der muntere Jüngling hier, der so mit seinem Rath bei der Hand ist, hat Aehnlichkeit mit Trudchens Liebhaber. – Ich wette d'rauf, Peterkin, dies ist eine Liebesgeschichte, und es wäre Sünde, sie nicht zu fördern.«
»Eine Sünd' und Schande wär's,« sagte Peterkin, ein gutmüthiger Flamänder, trotz all' seiner Selbstgefälligkeit; und während er so sprach, trocknete er sein Auge mit dem Aermel seines Wammses.
»Demnach soll sie meine Tochter sein,« sagte Pavillon, »gehörig in ihren schwarzseidenen Schleier gehüllt; und wenn nicht genug treuherzige Gerber vorbanden sind, sie zu schützen, da sie die Tochter des Syndicus ist, so sollen sie nie wieder eine Haut gerben. – Aber hört, es wird Fragen zu beantworten geben – wie, wenn man mich fragt, was meine Tochter hier bei solchem Blutvergießen gemacht hat?«
»Was hat die Hälfte der Lütticher Weiber hier gemacht, als sie uns zum Schlosse folgten?« sagte Peterkin; »sie hatten gewiß keinen andern Grund, als daß sie eben dahin wollten, wohin sie gar nicht gehörten. – Unsre Jungfrau Trudchen ist ein wenig weiter als die Andern gekommen – das ist Alles.«
»Trefflich gesprochen,« sagte Quentin; »seid nur kühn und nehmt dieses Herrn guten Rath an, edler Herr Pavillon, und, ohne Euch selber Mühe zu machen, verrichtet Ihr die würdigste Handlung seit den Tagen Karl des Großen. – Hier, süße Dame, hüllt Euch dicht in diesen Schleier« (denn viele Gegenstände weiblichen Putzes lagen im Zimmer zerstreut), – »seid getrost, und binnen wenigen Minuten werdet Ihr in Freiheit und Sicherheit sein. – Edler Herr,« setzte er hinzu, sich an Pavillon wendend, »gehen wir denn!«
»Halt – halt – halt eine Minute,« sagte Pavillon, »mir ahnt Unheil! – Dieser von der Mark ist ein Wüthrich; ein vollkommener Eber seiner Natur wie seinem Namen nach; wie, wenn die junge Dame eine von denen von Croye wäre? – und wie, wenn er sie entdeckte und in Zorn geriethe?«
»Und wenn ich eine von jenen unglücklichen