Walter Scott

Quentin Durward


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Mark abzuwenden, die er umherstreifend im Garten fand, und die mit dem Ruf: »Eber!« auf ihn eindrangen.

      Kurz, Quentin begann zu hoffen, daß sein Charakter als Abgeordneter Ludwigs, des geheimen Anreizers der Lütticher Insurgenten und des geheimen Unterstützers Wilhelms von der Mark, ihn vielleicht sicher durch die Schrecken dieser Nacht bringen würde.

      Als er das Thürmchen erreichte, schauderte er, da er die kleine Seitenthür, durch welche Marthon und die Gräfin Hameline noch kürzlich zu ihm gekommen waren, jetzt von mehr als einem todten Körper belagert fand.

      Zwei von ihnen schleppte er eilig bei Seite und wollte eben über den dritten schreiten, um durch die Thür zu treten, als der vermeintliche Todte seinen Mantel faßte und ihn bat, zu bleiben und ihm aufstehn zu helfen. Quentin wollte eben rauhere Mittel anwenden, um sich von diesem unzeitigen Aufenthalt zu befreien, als der gefallne Mann fortfuhr zu rufen: »Ich bin hier erstickt in meiner eignen Rüstung! – Ich bin der Syndicus Pavillon von Lüttich! Wenn Ihr für uns seid, will ich Euch reich machen – wenn Ihr von der Gegenpartei seid, will ich Euch schützen; aber laßt nur – laßt mich nur nicht den Tod eines erstickten Schweins sterben!«

      Mitten in dieser Scene von Blut und Verwirrung, sagte Quentin seine Geistesgegenwart, daß dieser Würdenträger Mittel haben dürfte, ihre Flucht zu decken. Er richtete ihn auf und fragte ihn, ob er verwundet sei.

      »Nicht verwundet – wenigstens glaub' ich's nicht« – antwortete der Bürger; »aber ganz ohne Athem.«

      »Setzt Euch denn auf diesen Stein, und kommt wieder zu Athem,« sagte Quentin, »ich werde sogleich zurückkehren.«

      »Für wen seid Ihr denn?« sagte der Bürger, ihn noch immer zurückhaltend.

      »Für Frankreich – für Frankreich!« antwortete Quentin, der sich hinwegzukommen mühte.

      »Wie, mein muntrer junger Bogenschütz?« sagte der würdige Syndicus. »Nein, wenn es mein Schicksal sein soll, einen Freund in dieser schrecklichen Nacht zu finden, so will ich ihn nicht verlassen, das versprech' ich Euch. Geht wohin Ihr wollt, ich folge; und, könnte ich einige von den handfesten Burschen meiner Zunft zusammenbringen, so würd' ich im Stande sein, Euch wieder zu helfen: aber sie sind alle zerstreut wie eben so viele Erbsen. – O, es ist eine furchtbare Nacht!«

      Währenddem schleppte er sich hinter Quentin her, welcher, einsehend, wie wichtig es sei, sich der Huld einer so einflußreichen Person zu versichern, seinen Schritt zügelte, um jenem beizustehn, obwohl er im Herzen die hemmende Last verwünschte.

      Oben am Ende der Treppe war ein Vorzimmer, wo Kisten und Truhen standen, welche die Merkmale der Plünderung trugen, da einiges vom Inhalte am Boden lag. Eine Lampe am Kamin, die zu erlöschen drohte, goß einen matten Schein über einen todten oder ohnmächtigen Mann, welcher vor dem Herde lag.

      Sich von Pavillon losreißend, wie ein Windhund von der Leine seines Jägers, und mit einer solchen Anstrengung, daß er jenen fast zu Boden warf, eilte Quentin durch ein zweites und drittes Gemach, wovon das letztere das Schlafzimmer der Damen von Croye schien. Kein lebendes Wesen war in beiden zu sehn. Er rief den Namen der Gräfin Isabelle, erst leise, dann lauter, und dann mit dem Tone der Verzweiflung; aber keine Antwort erfolgte. Er rang die Hände, raufte sein Haar, und stampfte verzweiflungsvoll den Boden. Endlich zeigte ein matter Lichtschimmer, der durch eine Spalte im Getäfel eines dunkeln Winkels des Schlafgemachs schien, daß hinter der Tapete noch irgend ein Versteck sein müsse. Quentin eilte, dies zu untersuchen. Er fand allerdings eine verborgne Thür, aber sie widerstand seinen hastigen Anstrengungen, sie zu öffnen. Unbesorgt um die ihm vielleicht drohende Gefahr, stürzte er sich mit der ganzen Kraft und Last seines Körpers gegen die Thür, und diese zwischen Hoffnung und Verzweiflung unternommene Kraftanstrengung war von der Art, daß sie weit stärkere Thüren gesprengt haben würde.

      So erzwang er sich den Eingang in ein kleines Bettgemach, wo eine weibliche Gestalt, die in Todesangst knieend vor dem heiligen Bilde gebetet hatte, jetzt auf den Boden hingesunken war, überwältigt von dem durch das nahende Getöse aufs Neue erregten Schrecken. Er eilte, sie aufzurichten, und, Freude über Freude! sie war es, die er retten wollte, Gräfin Isabelle. Er drückte sie an sein Herz – er beschwor sie, zu sich zu kommen – er flehte sie, getrosten Muthes zu sein – denn sie stehe jetzt unter dem Schutz eines Mannes, dessen Herz und Hand ausreiche, um sie gegen Armeen zu vertheidigen.

      »Durward!« sagte sie, als sie sich endlich sammelte, »bist du es in der That? – dann ist noch Hoffnung übrig. Ich dachte, all' meine Freunde hätten mich meinem Schicksal überlassen – Verlaßt Ihr mich nicht wieder!«

      »Nie – nie!« sagte Durward. »Was auch geschieht – welche Gefahr auch naht, ich will die Wohlthaten dieses heiligen Kreuzes verwirkt haben, wenn ich nicht Euer Geschick theile, bis es wieder ein glückliches ist.«

      »Sehr pathetisch und rührend, wahrhaftig,« sagte eine rauhe, abgebrochne und kurzathmige Stimme hinter ihnen – »Eine Liebesaffaire, wie ich sehe; und meiner Seel, das zarte Geschöpf dauert mich, als ob es mein eignes Trudchen wär'.«

      »Ihr müßt mehr thun, als uns bedauern,« sagte Quentin, sich zu dem Sprechenden wendend: »Ihr müßt uns schützen helfen, Herr Pavillon. Seid versichert, diese Dame war unter meinen besondern Schutz gestellt durch euren Verbündeten, den König von Frankreich; und wofern Ihr sie mir nicht vor jedmöglicher Beleidigung und Gewaltthat schützen helft, so wird eure Stadt der Gunst Ludwigs von Valois verlustig gehen. Vor Allem muß die Dame vor Wilhelm von der Mark beschirmt werden.«

      »Das wird schwer halten,« sagte Pavillon, »denn diese Schelme von Lanzknechten sind wahre Teufel, wenn es gilt, Weibsbilder auszuspüren; doch will ich mein Bestes thun – Wir wollen in's andre Zimmer gehn, und dort will ich überlegen – der Treppeneingang ist nur eng und Ihr könnt die Thür mit einer Pike verteidigen, während ich aus dem Fenster sehe und einige meiner flinken Bursche von der Lütticher Gerberzunft zusammen rufe, die sind so treu, wie die Messer, die sie im Gürtel tragen. – Aber erst befreit mich von diesen Schnallen – denn ich habe diesen Harnisch seit der Schlacht von St. Tron nicht getragen, und seitdem bin ich drei Stein schwerer geworden, wenn nämlich holländisch Gewicht nicht trügt.«

      Die Oeffnung der Eisenrüstung gab dem ehrlichen Manne große Erleichterung, der, als er sie anlegte, mehr seinen Eifer für die Sache Lüttichs, als seine Fähigkeit, Waffen zu tragen, erwogen hatte. Es erwies sich in der Folge, daß diese Magistratsperson, da sie unwillkürlich vorwärts gedrängt und von ihrer Compagnie beim Angriff über die Mauer gehoben worden war, hierhin und dorthin, je nachdem die Woge des Angriffs und der Vertheidigung ebbte und fluthete, getragen wurde, ohne endlich auch nur ein Wort sagen zu können; so war er endlich, wie die See ein Stück Treibholz in der ersten Bucht an den Strand wirft, am Eingange zu den Gemächern der Damen von Croye niedergeworfen worden, wo die Last seiner eigenen Rüstung, so wie das drückende Gewicht zweier am Eingang erschlagener Männer, die auf ihn gefallen, ihn lange genug niedergehalten haben würde, hätte ihn Durward nicht erlöset.

      Dieselbe Wärme des Temperaments, welche Hermann Pavillon zu einem hitzköpfigen und ungemäßigten politischen Eiferer machte, hatte auch die angenehmere Folge, ihn im Privatleben zu einem gutmüthigen, freundlichen Manne werden zu lassen, der, mochte er auch zuweilen ein wenig durch Eitelkeit irre geführt werden, doch stets gutdenkend und wohlwollend war. Er ermahnte Quentin, für die arme artige Jungfrau die größte Sorge zu tragen, und nach dieser unnöthigen Ermahnung begann er aus dem Fenster zu rufen: »Lüttich, Lüttich, hierher, von der wackern Kürschner- und Gerberzunft!«

      Einige von seinen Gesellen versammelten sich auf diesen Ruf und auf das besondere Pfeifen, wovon er begleitet ward (jede der Zünfte hatte für sich solch' ein eigenthümliches Zeichen), und bildeten, während noch mehrere hinzukamen, eine Schutzwache unter dem Fenster, aus welchem ihr Führer rief, so wie vor der Hinterthür.

      Es schien sich nun eine gewisse Ruhe herzustellen. Aller Widerstand hatte aufgehört, und die Führer der verschiedenen Klassen der Angreifenden trafen Maßregeln, um einer allgemeinen Plünderung vorzubeugen. Die große Glocke ward geläutet, um einen Kriegsrath zusammen zu rufen, und da ihre Eisenzunge die glorreiche Einnahme