Walter Scott

Quentin Durward


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die Tochter des ärmsten Bürgers!«

      »Nicht so arm – gar nicht so arm, junge Dame – wir können das Unsre bezahlen,« sagte der Bürger.

      »Verzeiht, edler Herr,« begann das unglückliche Mädchen von Neuem.

      »Kein edler Herr,« sagte der Syndicus; »ein schlichter Bürger von Lüttich, der seine Wechsel in baaren Gulden bezahlt. – Doch das gehört nicht hieher. – Wohlan, sagt nur, Ihr seid eine Gräfin, aber trotzdem will ich Euch schützen.«

      »Ihr seid dazu verpflichtet, und wäre sie auch eine Herzogin,« sagte Peterkin, »Ihr habt einmal Euer Wort gegeben.«

      »Recht, Peterkin, ganz recht,« sagte der Syndicus; »es ist unsre alte niederländische Weise: ›ein Wort ein Mann!‹ Und nun laßt uns an das Werk. – Wir müssen uns von diesem Wilhelm von der Mark verabschieden, und doch weiß ich nicht – mir ahnt Böses, wenn ich an ihn denke; und könnte diese Ceremonie abgewendet werden, so wäre mir das eben recht.«

      »Thätet Ihr nicht besser, da Ihr doch eine Macht beisammen habt, vor das Thor zu rücken und die Wache zu überwältigen?«

      Aber einstimmig rief Pavillon und sein Rathgeber, daß ein solcher Angriff auf die Krieger ihres Bundesgenossen nicht thunlich sei, und zugleich machten sie einige Andeutungen auf seine Verwegenheit, wodurch sich Quentin überzeugte, daß sich dergleichen Wagniß mit solchen Genossen nicht unternehmen ließe. Sie beschloßen daher, kühn nach der großen Schloßhalle zu gehen, wo, wie sie hörten, der wilde Eber der Ardennen sein Gelag hielt, und freien Ausgang für den Syndicus von Lüttich und seine Begleiter zu verlangen, ein Gesuch, welches, wie es schien, zu vernünftig war, um abgeschlagen zu werden. Noch immer seufzte der gute Rathsherr, wenn er auf seine Begleiter blickte, und rief seinem treuen Peterkin zu: »Siehst du, was es gefährlich ist, ein zu kühnes und gefühlvolles Herz zu haben! Ach, Peterkin! wie viel haben mich Muth und Menschlichkeit schon gekostet, und wie viel werd' ich noch für meine Tugenden zahlen müssen, eh' uns der Himmel aus diesem verdammten Schlosse Schönwald befreit!«

      Als sie über die Höfe gingen, die noch mit Sterbenden und Todten bedeckt waren, flüsterte Quentin, indem er Isabellen durch die Schreckensscenen führte, ihr Muth und Trost zu, und erinnerte sie, daß ihre Sicherheit einzig von ihrer Festigkeit und Geistesgegenwart abhänge.

      »Nicht von der meinen, nicht von der meinen,« sagte sie, »sondern einzig von der Eurigen: – O, wenn ich nur dieser furchtbaren Nacht entgehe, so werd' ich nimmer dessen vergessen, der mich errettete! Nur eine Gefälligkeit noch, um die ich Euch bitte – ich beschwöre Euch, sie mir zu gewähren, beschwöre Euch bei Eurer Mutter Ehre und bei Eures Vaters Ruhm!«

      »Was könntet Ihr bitten, ohne daß ich es gewährte?« sagte Quentin leise.

      »Stoßt Euren Dolch in mein Herz,« sagte sie, »eh' Ihr mich als Gefangene in die Hände dieser Ungeheuer kommen laßt.«

      Quentins einzige Antwort war ein Handdruck, dessen Erwiederung nur der Schrecken zu verhindern schien. Und, auf ihren jungen Beschützer gelehnt, betrat sie die furchtbare Halle, während Pavillon und sein Lieutenant voranschritten und etwa ein Dutzend Kürschner- und Gerbergesellen folgten, die als Ehrenwache ihren Syndicus begleiteten.

      Bereits als sie der Halle nahten, schien das Jubelgeschrei und der Ausbruch wilden Gelächters, welcher herabtönte, eher ein Gelag von Teufeln zu verkünden, die sich eines Triumphes über das Menschengeschlecht freuten, als ein Fest menschlicher Wesen, die eine kühne Unternehmung glücklich vollbracht hatten. Ein so fester Muth, wie ihn allein die Verzweiflung eingeflößt haben konnte, unterstützte die erzwungene Standhaftigkeit der Gräfin Isabelle; unverzagter Sinn, der sich mit der Gefahr steigerte, beseelte Durward; Pavillon aber und sein Lieutenant machten aus der Noth eine Tugend, und sahen ihrem Geschick gleich den Bären, die an einen Pfahl gebunden sind, entgegen, welche nothwendigerweise der Gefahr stehen müssen.

       Die Zecher.

      Cade. Wo ist Dick, der Fleischer von Ashford?

      Dick. Hier, Sir.

      Cade. Sie fielen vor dir, wie Schafe und Ochsen; und du benahmst dich, als wärst du in deinem eignen Schlachthause.

       Zweiter Theil von König Heinrich VI.

      Kaum konnte ein mehr seltsamer und schrecklicher Wechsel möglich sein, als der in der Schloßhalle von Schönwald stattgefunden hatte, seit Quentin dort dem Mittagsmahl beiwohnte; und es war in der That eine Scene, welche mit den furchtbarsten Zügen das Elend des Krieges malte, zumal des Krieges, der von den schonungslosesten aller Krieger, den Miethsoldaten einer barbarischen Zeit geführt ward; Männer waren es, welche durch Gewohnheit und tägliche Uebung mit alledem vertraut geworden waren, was grausam und blutig am Kriege ist, während sie des Patriotismus und des romantischen Rittersinnes gänzlich entriethen.

      Statt des ordentlichen, anständigen und etwas förmlichen Mahles, wozu sich bürgerliche und geistliche Beamte wenige Stunden zuvor in dem nämlichen Raume versammelten, wo ein leichter Scherz nur leise ausgesprochen werden konnte, und wo, bei allem Ueberfluß an Speisen und Wein, ein Anstand herrschte, der fast zur Heuchelei ward, da war nun eine Scene wilder und tobender Schwelgerei, wie sie Satan selbst, hätte er das Festmahl in Person angerichtet, nicht schlimmer bieten konnte.

      Am obern Ende der Tafel saß, in des Bischofs Thronsessel, den man eilig aus seinem großen Rathszimmer hierher gebracht hatte, der gefürchtete Eber der Ardennen selbst, der diesen schrecklichen Namen wohl verdiente, dessen er sich zu freuen schien und den er auch so viel als möglich zu verdienen strebte. Er hatte den Helm abgelegt, trug aber außerdem seine gewichtige und glänzende Rüstung, die er wirklich nur selten ablegte. Ueber seine Schulter hing ein grober Ueberwurf, aus der Haut eines großen wilden Ebers gemacht, dessen Hufen und Hauzähne von massivem Silber gefertigt waren. Die Haut des Kopfes war so zubereitet, daß sie, über den Helm gezogen, wenn der Freiherr bewaffnet war, oder auch als Kappe, wenn er ohne Helm ging, wie es jetzt der Fall war, ihm das Ansehen eines grinzenden, scheußlichen Ungeheuers gab; und doch bedurfte das Gesicht, welches so überschattet wurde, kaum solcher Schreckmittel, um das Furchtbare seines natürlichen Ausdruckes zu erhöhen.

      Der obere Theil des Gesichts Wilhelms von der Mark, wie es die Natur geformt hatte, strafte fast seinen Charakter Lügen. Denn obwohl sein Haar, wenn er es unbedeckt zeigte, den rauhen und wilden Borsten der Kappe glich, die er überzog, so versprachen doch eine offne, hohe und männliche Stirn, volle rothe Wangen, große glänzende, hellfarbige Augen und eine Adlernase, Tapferkeit und Großmuth. Aber die Wirkung dieser glücklichern Züge ward gänzlich durch die Gewohnheit der Gewaltthat und der Unbändigkeit vernichtet, die, vereinigt mit Schwelgerei und Unmäßigkeit, diesen Zügen einen Charakter aufgeprägt hatten, der mit der rauhen Ritterlichkeit, die sie sonst bezeichnet haben würden, im Widerspruch stand. Jene Wuth hatte, weil sie Gewohnheit geworden, die Backenmuskeln, sowie die um die Augen gelegenen, und diese vorzüglich, aufgeschwellt; schlechte Sitten und Gewohnheiten hatten die Augen selbst trübe gemacht, den Theil derselben, der weiß sein sollte, geröthet und das ganze Gesicht jenem häßlichen Ungeheuer ähnlich gemacht, welchem der schreckliche Freiherr sich gern vergleichen ließ. Aus einer ganz besondern Art des Widerspruchs jedoch bemühte sich Wilhelm von der Mark, während er sonst das Ansehn eines wilden Ebers annahm und sich selbst des Namens zu freuen schien, durch die Länge und Stärke seines Bartes den Umstand zu verstecken, der ihm die Benennung ursprünglich zugezogen hatte. Dies war eine ungewöhnliche Stärke und ein Hervorragen des Mundes und der Unterkinnlade, was, sammt den großen, vorstehenden Seitenzähnen, ihm die Aehnlichkeit mit jenem wilden Thiere gab; so daß er, zumal da er auch gern im Ardennerwalde jagte, den Namen des Ebers der Ardennen erhielt. Der Bart, groß, wirr und ungekämmt, versteckte aber keineswegs das Schreckenhafte seines Gesichts, und vermochte auch den brutalen Ausdruck desselben nicht zu veredeln.

      Die Krieger und Offiziere saßen rings um die Tafel, untermischt mit den Männern aus Lüttich, deren einige aus den niedersten Ständen waren; unter ihnen zeichnete sich Nickel Block der Fleischer, der nahe beim Eber