früheren Leben nur durch Sanftmuth und Wohlwollen ausgezeichnet hatte, in dieser äußersten Bedrängniß ein Gefühl seiner Würde und hohen Abkunft, welches sich für einen Sprößling seines edlen Geschlechts wohl ziemte. Sein Blick war gefaßt und unerschrocken; seine Haltung, sobald er von den rohen Händen, die ihn herbeischleppten, frei war, zeigte sich edel und zu gleicher Zeit so voll Ergebung, daß er zwischen einem vornehmen Lehensfürsten und einem christlichen Märtyrer die Mitte hielt; und so sehr war Wilhelm von der Mark betroffen durch das feste Benehmen seines Gefangenen, so wie durch die Erinnerung an früher von ihm empfangene Wohlthaten, daß er unentschlossen schien und die Augen zu Boden senkte, und erst nachdem er einen großen Becher Weines geleert hatte, der ihm sein hochmüthiges, unverschämtes Wesen in Blick und Betragen wiedergab, redete er den unglücklichen Gefangenen also an: »Ludwig von Bourbon,« sagte er, tief Athem holend, die Fäuste ballend, die Zähne zusammenbeißend und andere dergleichen Geberden zeigend, um seine natürliche Gemüthsrohheit anzureizen und zu behaupten – »ich suchte Eure Freundschaft und Ihr verschmähtet die meine. Was gäbt Ihr nun darum, daß Ihr anders gehandelt hättet? – Nickel, sei bereit!«
Der Fleischer stand auf, ergriff seine Waffe, schlich sich herum hinter Wilhelms Stuhl, wo er sich fest stellte und das Eisen mit seinen entblößten und nervigen Armen in die Höhe hielt.
»Seht diesen Mann an, Ludwig von Bourbon,« fuhr von der Mark fort – »was wirst du nun für Bedingungen bieten, um dieser gefährlichen Stunde zu entgehen?«
Der Bischof warf einen traurigen, aber unentmuthigten Blick auf den greulichen Gehülfen, der bereit schien, den Willen des Tyrannen zu vollziehen, und sodann sagte er mit Festigkeit: »Hört mich, Wilhelm von der Mark, und all' ihr guten Männer, wenn welche hier sind, die den Namen verdienen, hört die einzigen Bedingungen, die ich diesem Bösewicht bieten kann. – Wilhelm von der Mark, du hast eine kaiserliche Reichsstadt in Aufruhr gebracht – hast den Palast eines Fürsten des heiligen deutschen Reichs angegriffen und eingenommen – hast seine Leute erschlagen – seine Güter geplündert – seine Person gemißhandelt; dafür bist du der Acht des Reiches verfallen – hast verdient, für flüchtig und vogelfrei, für land- und rechtlos erklärt zu werden. Du bist in das Heiligthum des Herrn gebrochen – hast gewaltthätige Hand an einen Vater der Kirche gelegt – hast das Haus Gottes mit Blut und Raub besudelt, als ein kirchenschänderischer Räuber –«
»Bist du fertig?« sagte von der Mark, ihn zornig unterbrechend und mit dem Fuße stampfend.
»Nein,« antwortete der Prälat; »denn ich habe dir die Bedingungen noch nicht genannt, die du von mir zu hören verlangtest.«
»Wohlan,« sagte von der Mark; »und laß die Bedingungen mir mehr als die Vorrede gefallen, oder wehe deinem grauen Haupt!« Dabei warf er sich in seinem Stuhle zurück, knirschte mit den Zähnen, bis der Schaum von seinen Lippen floß, gleich wie von den Hauern des wilden Thieres, dessen Namen und Fell er trug.
»So sind deine Verbrechen,« fuhr der Bischof mit ruhiger Entschlossenheit fort; »nun höre die Bedingungen, die ich, als ein gnädiger Fürst und christlicher Prälat, alle persönlichen Beleidigungen bei Seite setzend, jedes einzelne Unrecht vergebend, mich anzubieten herablasse. Lege deinen Feldherrnstab nieder – entsage deines Oberbefehls – laß deine Gefangenen frei – gib ihren Raub zurück – vertheile die Güter, die du sonst besitzest, um denen zu helfen, die du zu Waisen und Wittwen gemacht hast. – Büße im Sack und in der Asche – nimm einen Pilgerstab in die Hand und wallfahrte barfuß nach Rom, und wir wollen uns selbst für dich verwenden, beim Reichstag zu Regensburg für dein Leben, und bei unserem heiligen Vater, dem Papst, um deiner armen Seele willen.«
Während Ludwig von Bourbon diese Bedingungen in einem so entschiedenen Tone vortrug, als behaupte er noch seinen bischöflichen Thron und als kniee der Usurpator flehend ihm zu Füßen, erhob sich der Tyrann langsam in seinem Stuhle, wobei das Staunen, welches ihn Anfangs erfüllte, allmälig der Wuth Platz machte, bis er, als der Bischof endigte, auf Nickel Block sah, und seinen Finger erhob, ohne ein Wort zu sagen. Der Bösewicht schlug zu, als verwalte er sein Geschäft im Schlachthause, und der ermordete Bischof sank, ohne einen Seufzer, todt am Fuße seines bischöflichen Thrones nieder. Die Lütticher, die auf eine so schreckliche Katastrophe nicht vorbereitet waren und erwartet hatten, die Conferenz werde mit einigen gütlichen Bedingungen enden, fuhren empor und stießen ein Geschrei des Abscheus und der Rache aus.
Aber Wilhelm von der Mark, seine furchtbare Stimme über den Tumult erhebend, und die geballte Faust mit ausgestrecktem Arme schüttelnd, schrie laut: »Wie, ihr Schweine von Lüttich! ihr, die im Schlamme der Maas wühlen! – wagt ihr's, euch mit dem Eber der Adennen zu messen? – Auf, ihr des Ebers Brut!« (ein Ausdruck, womit er und Andere oft seine Soldaten bezeichneten) »laßt diesen flämischen Säuen eure Hauer sehen!«
Ein jeder seiner Genossen sprang bei diesem Befehl auf; und da sie, mit ihren neuen Bundesgenossen untermischt, zu solch' einer Ueberrumpelung vorbereitet waren, so nahm Jeder augenblicklich seinen nächsten Nachbar beim Kragen, während seine Rechte einen breiten Dolch zückte, der im Lampenlicht und Mondschein flimmerte. Jeder Arm war erhoben, doch keiner stieß zu; denn die Opfer waren zu sehr überrascht, um Widerstand zu leisten, und es war wahrscheinlich des von der Mark Absicht, nur seinen bürgerlichen Verbündeten einen Schrecken einzujagen.
Aber der Muth Quentin Durwards, der mehr gewandt und entschlossen war, als seine Jahre glauben ließen, und jetzt durch Alles, was seine natürliche Klugheit und Entschlossenheit noch kräftigen und erhöhen konnte, angetrieben ward, gab der Scene eine neue Wendung. Indem er die Bewegung der Gefährten des von der Mark nachahmte, sprang er auf Karl Eberson, den Sohn ihres Anführers, los und bemächtigte sich seiner mit Leichtigkeit. Dabei zückte er seinen Dolch gegen des Burschen Hals und rief: »Ist das Euer Spiel? dann spiel' ich hier auch das meine.«
»Halt, halt!« rief von der Mark, »'s ist ein Scherz – ein Scherz. – Meint Ihr, ich würde meine guten Freunde und Verbündeten der Stadt Lüttich verletzen? – Soldaten, laßt los! Setzt Euch nieder, nehmt den Leichnam da weg,« (dabei gab er des Bischofs Körper einen Fußstoß), »welcher diesen Zwist unter Freunden erregte, und laßt uns die Unfreundlichkeit in einem frischen Trunk ersäufen.«
Alle ließen ihre Opfer los, und die Bürger und Soldaten starrten einander an, als ob sie kaum wüßten, ob sie Freunde oder Feinde wären. Quentin Durward nützte diesen Moment.
»Hört mich,« sagte er, »Wilhelm von der Mark, und ihr, Bürger und Einwohner Lüttichs; und Ihr, junger Herr, steht still« (der junge Karl suchte seinen Händen zu entfliehen), »es soll Euch kein Leid geschehen, wofern nicht ein ähnlicher arger Scherz die Runde hier macht.«
»Wer bist du, in's Teufels Namen?« sagte der erstaunte von der Mark, »der du kommst, um Bedingungen zu setzen und Geiseln zu nehmen in unserer eigenen Mitte – von uns, der Bürgen von Andern nimmt, aber sie Keinem jemals stellt?«
»Ich bin ein Diener König Ludwigs von Frankreich,« sagte Quentin kühn; »ein Bogenschütze seiner schottischen Garde, wie Euch zum Theil meine Sprache und Kleidung verräth. Ich bin hier, um Euer Verfahren zu beobachten und darüber zu berichten; und mit Staunen seh' ich, daß es mehr heidnisch als christlich zugeht – mehr als handelten Rasende, denn vernünftige Wesen. Die Heerschaaren Karls von Burgund werden sogleich gegen Euch Alle rücken; und wenn Ihr Beistand von Frankreich wünscht, so müßt Ihr Euch auf andere Weise betragen. – Was euch betrifft, Männer von Lüttich, so rath' ich euch, sogleich nach eurer Stadt zurückzukehren; und wenn man eurem Abschiede Hindernisse in den Weg legt, so erkläre ich die, welche das thun, für Feinde meines Herrn, Seiner Majestät von Frankreich.«
»Frankreich und Lüttich! Frankreich und Lüttich!« schrieen Pavillons Gefährten und verschiedene andere Bürger, deren Muth sich bei der kühnen Sprache Quentins zu heben schien.
»Frankreich und Lüttich, und lang' lebe der wackere Bogenschütz'! Wir wollen leben und sterben mit ihm!«
Wilhelms von der Mark Augen sprühten, er faßte seinen Dolch, als wollte er ihn dem kühnen Sprecher in's Herz stoßen; aber als sein Auge umherblickte, las er in den Gesichtern seiner Soldaten Etwas, was selbst er achten mußte. Viele