Friedrich Schiller

Gesammelte Dramen: Die Braut von Messina oder die feindlichen Brüder • Die Jungfrau von Orleans • Die Räuber • Die Ve...


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mich,

      Ich bin nur eines Hirten niedre Tochter

      Aus meines Königs Flecken Dom Remi,

      Der in dem Kirchensprengel liegt von Toul,

      Und hütete die Schafe meines Vaters

      Von Kind auf – Und ich hörte viel und oft

      Erzählen von dem fremden Inselvolk,

      Das über Meer gekommen, uns zu Knechten

      Zu machen, und den fremdgebornen Herrn

      Uns aufzuzwingen, der das Volk nicht liebt,

      Und daß sie schon die große Stadt Paris

      Innhätten und des Reiches sich ermächtigt.

      Da rief ich flehend Gottes Mutter an,

      Von uns zu wenden fremder Ketten Schmach,

      Uns den einheimschen König zu bewahren.

      Und vor dem Dorf, wo ich geboren, steht

      Ein uralt Muttergottesbild, zu dem

      Der frommen Pilgerfahrten viel geschahn,

      Und eine heilge Eiche steht darneben,

      Durch vieler Wunder Segenskraft berühmt.

      Und in der Eiche Schatten saß ich gern,

      Die Herde weidend, denn mich zog das Herz.

      Und ging ein Lamm mir in den wüsten Bergen

      Verloren, immer zeigte mirs der Traum,

      Wenn ich im Schatten dieser Eiche schlief.

      – Und einsmals als ich eine lange Nacht

      In frommer Andacht unter diesem Baum

      Gesessen und dem Schlafe widerstand,

      Da trat die Heilige zu mir, ein Schwert

      Und Fahne tragend, aber sonst wie ich

      Als Schäferin gekleidet, und sie sprach zu mir:

      »Ich bins. Steh auf, Johanna. Laß die Herde.

      Dich ruft der Herr zu einem anderen Geschäft!

      Nimm diese Fahne! Dieses Schwert umgürte dir!

      Damit vertilge meines Volkes Feinde,

      Und führe deines Herren Sohn nach Reims,

      Und krön ihn mit der königlichen Krone!«

      Ich aber sprach: »Wie kann ich solcher Tat

      Mich unterwinden, eine zarte Magd,

      Unkundig des verderblichen Gefechts!«

      Und sie versetzte: »Eine reine Jungfrau

      Vollbringt jedwedes Herrliche auf Erden,

      Wenn sie der irdschen Liebe widersteht.

      Sieh mich an! Eine keusche Magd wie du

      Hab ich den Herrn, den göttlichen, geboren,

      Und göttlich bin ich selbst!« – Und sie berührte

      Mein Augenlid, und als ich aufwärts sah,

      Da war der Himmel voll von Engelknaben,

      Die trugen weiße Lilien in de Hand,

      Und süßer Ton verschwebte in den Lüften.

      – Und so drei Nächte nacheinander ließ

      Die Heilige sich sehn, und rief: »Steh auf, Johanna,

      Dich ruft der Herr zu einem anderen Geschäft.«

      Und als sie in der dritten Nacht erschien,

      Da zürnte sie und scheltend sprach sie dieses Wort:

      »Gehorsam ist des Weibes Pflicht auf Erden,

      Das harte Dulden ist ihr schweres Los,

      Durch strengen Dienst muß sie geläutert werden,

      Die hier gedienet, ist dort oben groß.«

      Und also sprechend ließ sie das Gewand

      Der Hirtin fallen und als Königin

      Der Himmel stand sie da im Glanz der Sonnen,

      Und goldne Wolken trugen sie hinauf

      Langsam verschwindend in das Land der Wonnen.

      Alle sind gerührt. Agnes Sorel heftig weinend verbirgt ihr Gesicht an des Königs Brust.

      ERZBISCHOF nach einem langen Stillschweigen.

      Vor solcher göttlicher Beglaubigung

      Muß jeder Zweifel irdscher Klugheit schweigen.

      Die Tat bewährt es, daß sie Wahrheit spricht,

      Nur Gott allein kann solche Wunder wirken.

      DUNOIS.

      Nicht ihren Wundern, ihrem Auge glaub ich,

      Der reinen Unschuld ihres Angesichts.

      KARL.

      Und bin ich Sündger solcher Gnade wert!

      Untrüglich allerforschend Aug, du siehst

      Mein Innerstes und kennest meine Demut!

      JOHANNA.

      Der Hohen Demut leuchtet hell dort oben,

      Du beugtest dich, drum hat er dich erhoben.

      KARL.

      So werd ich meinen Feinden widerstehn?

      JOHANNA.

      Bezwungen leg ich Frankreich dir zu Füßen!

      KARL.

      Und Orleans sagst du, wird nicht übergehn?

      JOHANNA.

      Eh siehest du die Loire zurückefließen.

      KARL.

      Werd ich nach Reims als Überwinder ziehn?

      JOHANNA.

      Durch tausend Feinde führ ich dich dahin.

      Alle anwesende Ritter erregen ein Getöse mit ihren Lanzen und Schilden, und geben Zeichen des Muts.

      DUNOIS.

      Stell uns die Jungfrau an des Heeres Spitze,

      Wir folgen blind, wohin die Göttliche

      Uns führt! Ihr Seherauge soll uns leiten,

      Und schützen soll sie dieses tapfre Schwert!

      LA HIRE.

      Nicht eine Welt in Waffen fürchten wir,

      Wenn sie einher vor unsern Scharen zieht.

      Der Gott des Sieges wandelt ihr zur Seite,

      Sie führ uns an, die Mächtige, im Streite!

      Die Ritter erregen ein großes Waffengetös und treten vorwärts.

      KARL.

      Ja heilig Mädchen, führe du mein Heer,

      Und seine Fürsten sollen dir gehorchen.

      Dies Schwert der höchsten Kriegsgewalt, das uns

      Der Kronfeldherr im Zorn zurückgesendet,

      Hat eine würdigere Hand gefunden.

      Empfange du es, heilige Prophetin,

      Und sei fortan –

      JOHANNA.