Friedrich Schiller

Gesammelte Dramen: Die Braut von Messina oder die feindlichen Brüder • Die Jungfrau von Orleans • Die Räuber • Die Ve...


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das sich seinen Augen zeigt –

      Doch schnell, als hätten Gottes Schrecken ihn

      Ergriffen, wendet er sich um

      Zur Flucht, und Wehr und Waffen von sich werfend

      Entschart das ganze Heer sich im Gefilde,

      Da hilft kein Machtwort, keines Führers Ruf,

      Vor Schrecken sinnlos, ohne rückzuschaun,

      Stürzt Mann und Roß sich in des Flusses Bette,

      Und läßt sich würgen ohne Widerstand,

      Ein Schlachten wars, nicht eine Schlacht zu nennen!

      Zweitausend Feinde deckten das Gefild,

      Die nicht gerechnet, die der Fluß verschlang,

      Und von den Unsern ward kein Mann vermißt.

      KARL.

      Seltsam bei Gott! höchst wunderbar und seltsam!

      SOREL.

      Und eine Jungfrau wirkte dieses Wunder?

      Wo kam sie her? Wer ist sie?

      RAOUL.

      Wer sie sei,

      Will sie allein dem König offenbaren.

      Sie nennt sich eine Seherin und Gott-

      Gesendete Prophetin, und verspricht

      Orleans zu retten, eh der Mond noch wechselt.

      Ihr glaubt das Volk und dürstet nach Gefechten.

      Sie folgt dem Heer, gleich wird sie selbst hiersein.

      Man hört Glocken und Geklirr von Waffen, die aneinandergeschlagen werden.

      Hört ihr den Auflauf? Das Geläut der Glocken?

      Sie ists, das Volk begrüßt die Gottgesandte.

      KARL zu Du Chatel.

      Führt sie herein –

      Zum Erzbischof.

      Was soll ich davon denken!

      Ein Mädchen bringt mir Sieg und eben jetzt,

      Da nur ein Götterarm mich retten kann!

      Das ist nicht in dem Laufe der Natur,

      Und darf ich – Bischof, darf ich Wunder glauben?

      VIELE STIMMEN hinter der Szene.

      Heil, Heil der Jungfrau, der Erretterin!

      KARL.

      Sie kommt!

      Zu Dunois.

      Nehmt meinen Platz ein, Dunois!

      Wir wollen dieses Wundermädchen prüfen,

      Ist sie begeistert und von Gott gesandt,

      Wird sie den König zu entdecken wissen.

      Dunois setzt sich, der König steht zu seiner Rechten, neben ihm Agnes Sorel, der Erzbischof mit den

      übrigen gegenüber, daß der mittlere Raum leer bleibt.

      Zehnter Auftritt

      Die Vorigen. Johanna begleitet von den Ratsherren und vielen Rittern, welche den Hintergrund der Szene anfüllen; mit edelm Anstand tritt sie vorwärts, und schaut die Umstehenden der Reihe nach an.

      DUNOIS nach einer tiefen feierlichen Stille.

      Bist du es, wunderbares Mädchen –

      JOHANNA unterbricht ihn, mit Klarheit und Hoheit ihn anschauend.

      Bastard von Orleans! Du willst Gott versuchen!

      Steh auf von diesem Platz, der dir nicht ziemt,

      An diesen Größeren bin ich gesendet.

      Sie geht mit entschiedenem Schritt auf den König zu, beugt ein Knie vor ihm und steht sogleich wieder auf, zurücktretend. Alle Anwesenden drücken ihr Erstaunen aus. Dunois verläßt seinen Sitz und es wird Raum vor dem König.

      KARL.

      Du siehst mein Antlitz heut zum erstenmal,

      Von wannen kommt dir diese Wissenschaft?

      JOHANNA.

      Ich sah dich, wo dich niemand sah als Gott.

      Sie nähert sich dem König und spricht

      geheimnisvoll.

      In jüngst verwichner Nacht, besinne dich!

      Als alles um dich her in tiefem Schlaf

      Begraben lag, da standst du auf von deinem Lager,

      Und tatst ein brünstiges Gebet zu Gott.

      Laß die hinausgehn und ich nenne dir

      Den Inhalt des Gebets.

      KARL.

      Was ich dem Himmel

      Vertraut, brauch ich vor Menschen nicht zu bergen.

      Entdecke mir den Inhalt meines Flehns,

      So zweifl ich nicht mehr, daß dich Gott begeistert.

      JOHANNA.

      Es waren drei Gebete, die du tatst,

      Gib wohl acht, Dauphin, ob ich dir sie nenne!

      Zum ersten flehtest du den Himmel an,

      Wenn unrecht Gut an dieser Krone hafte,

      Wenn eine andre schwere Schuld, noch nicht

      Gebüßt, von deiner Väter Zeiten her,

      Diesen tränenvollen Krieg herbeigerufen,

      Dich zum Opfer anzunehmen für dein Volk,

      Und auszugießen auf dein einzig Haupt

      Die ganze Schale seines Zorns.

      KARL tritt mit Schrecken zurück.

      Wer bist du, mächtig Wesen? Woher kommst du?

      Alle zeigen ihr Erstaunen.

      JOHANNA.

      Du tatst dem Himmel diese zweite Bitte.

      Wenn es sein hoher Schluß und Wille sei,

      Das Szepter deinem Stamme zu entwinden,

      Dir alles zu entziehn, was deine Väter,

      Die Könige in diesem Reich besaßen,

      Drei einzge Güter flehtest du ihn an

      Dir zu bewahren, die zufriedne Brust,

      Des Freundes Herz und deiner Agnes Liebe.

      König verbirgt das Gesicht heftig weinend, große Bewegung des Erstaunens unter den Anwesenden. Nach einer Pause.

      Soll ich dein dritt Gebet dir nun noch nennen?

      KARL.

      Genug! Ich glaube dir! So viel vermag

      Kein Mensch! Dich hat der höchste Gott gesendet.

      ERZBISCHOF.

      Wer bist du heilig wunderbares Mädchen!

      Welch glücklich Land gebar dich? Sprich! Wer sind

      Die gottgeliebten Eltern, die dich zeugten?

      JOHANNA.