Harley Barker

Love and Crime


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es ist ein ungewöhnlicher Name. Doch mittlerweile habe ich mich an ihn gewöhnt. Mein ganzes Leben ist ungewöhnlich verlaufen in den letzten Jahren.

      Deutschland. Die Vereinigten Staaten von Amerika.

      In beiden Ländern bin ich groß geworden. Beide Länder sind meine Heimat und in beiden Ländern leben meine Familie und meine Freunde. Meine Mutter wohnt in Deutschland, während sich mein Vater in Florida befindet. Nach ihrer Scheidung bin ich mit meiner Mutter in ihr Heimatland gegangen und habe dort die Schule besucht und meine Ausbildung gemacht. Meine Ferien habe ich immer bei meinem Dad verbracht, und zwar vom ersten bis zum letzten Tag. Und, wenn ich ehrlich bin, hängt mein Herz auch mehr an diesem Land. Eigentlich kann ich nicht einmal genau erklären, wieso es so ist.

      Dann kam der Punkt in meinem Leben, an dem ich mich entscheiden musste, in welchem Land ich die nächsten Jahre, vielleicht auch Jahrzehnte, verbringen will. Wo ich arbeiten und wohnen will. Und was soll ich sagen? Ich brauchte nicht zu lange darüber nachzudenken. Von Anfang an hatte für mich fest gestanden, dass es nur ein Land gibt, in dem ich meine berufliche Zukunft sehe. Und das sind nun einmal die USA.

      Meine Mom war nicht sehr angetan davon, als ich ihr vor einem halben Jahr meinen Entschluss eröffnet habe. Lange habe ich das Gespräch mit ihr vor mir hergeschoben, da ich mir ihre Reaktion darauf bereits denken konnte. Sie hat sämtliche Bedenken vorgebracht, die ihr in den Kopf gekommen sind. Doch auch das hält mich nicht davon ab, zu meinem Dad nach Tarpon Springs zu ziehen. Schließlich habe ich die Schule beendet und bin der Meinung, dass es an der Zeit ist, ein neues Kapitel in meinem Leben zu beginnen. Und das beinhaltet nun einmal auch einen Tapetenwechsel.

      „Entschuldigen Sie, Miss. Aber wir sind im Landeanflug. Schnallen Sie sich bitte an.“

      Ich bin so sehr in meine Gedanken vertieft, dass ich erschrocken zusammenzucke, als eine der Flugbegleiterinnen mich leicht am Arm berührt. Eindringlich, und dennoch freundlich, sieht sie mich an. Ich brauche einen Augenblick, um wieder zu mir zu kommen. Meine Augen wandern zu dem hell leuchtenden Signal über meinem Kopf.

      „Sicher, ich habe gerade nur …“, setze ich an. Doch noch bevor ich meinen Satz beenden kann breche ich ab. Schließlich geht es sie überhaupt nichts an. Außerdem bin ich mir genauso sicher, dass es sie nicht wirklich interessiert. Auch, wenn sie das wahrscheinlich niemals zu einem Gast sagen würde.

      Deswegen lächle ich nur kurz und greife nach den beiden Gurtenden.

      Es dauert noch einige Minuten bis die Maschine sich merklich senkt. Ich spüre, wie mein Herz schneller schlägt. Doch es liegt nicht daran, dass ich Flugangst habe. Ich habe die letzten Stunden sogar genossen und bin immer aufgeregter geworden. Schließlich fahre ich jetzt nicht zu Besuch zu meinem Vater. Nein, ich habe vor dort zu bleiben. Es ist eher so, dass ich endlich alles in Angriff nehmen kann, was ich mir vorgenommen habe. Und das ist eine Menge.

      Wahrscheinlich kommt es mir deswegen wie eine Ewigkeit vor, bis das Flugzeug stehen bleibt und ich es endlich verlassen kann. Ich komme aber nur langsam voran, da sich noch unzählige Fluggäste vor mir befinden. Kaum kann ich die schmale Treppe nach unten gehen, werde ich von der warmen Sonne begrüßt, die über Florida scheint. Sollte ich noch Zweifel gehabt haben, dass die Entscheidung falsch gewesen ist, so sind sie spätestens jetzt verschwunden. Aber die hatte ich nicht, sodass sich ein zufriedenes Lächeln auf meinem Gesicht ausbreitet.

      Mit großen Schritten folge ich den anderen und steige in den Bus, der bereits auf uns wartet. Ich lasse mich auf einen der vielen Plätze sinken und warte darauf, dass die Türen sich schließen und er zum Terminal fährt. Dort warte ich auf meine Koffer und mache mich auf den Weg durch den Zoll in die Eingangshalle. Mitten in der riesigen Tür bleibe ich stehen und schaue mich suchend um.

      Mein Dad hat mir vor meinem Abflug noch eine Nachricht geschrieben, in der er mir fest versprochen hat, dass er mich abholen wird und in der Halle auf mich wartet. Auch nach wenigen Sekunden kann ich ihn nicht erkennen, was aber noch lange nichts bedeutet. Schließlich ist es hier voll, da die meisten anscheinend abgeholt werden. Zumindest macht es den Eindruck auf mich.

      Um die Leute vorbeizulassen, die sich hinter mir befinden, gehe ich noch ein paar Schritte weiter. Doch auch hier sehe ich ihn nicht. Langsam runzle ich meine Stirn, da das so gar nicht zu ihm passt.

      Mein Dad gehört so ziemlich zu den verlässlichsten Menschen, die ich kenne. Wenn er sagt, er holt einen ab, kann man davon ausgehen, dass es auch so ist. Doch das ändert nichts daran, dass er nicht auffindbar ist.

      Die meisten würden sich jetzt wahrscheinlich Sorgen um ihn machen. Schließlich ist er ein Polizist und da kann ständig etwas passieren. Die mache ich mir aber nicht. Ich bin mir sicher, wenn es so gewesen wäre, hätte Monica, meine Stiefmutter, mir bereits geschrieben.

      Ich will gerade zum dritten Mal über die Menge schauen, als ich spüre, wie mein Handy in der Hosentasche vibriert. Seufzend ziehe ich es heraus, da ich davon ausgehe, dass es meine Mutter ist. Sie meldet sich immer ziemlich pünktlich nach meiner Landung.

      Dieses Mal hat sie wahrscheinlich noch mehr darauf gewartet, dass mein Flugzeug endlich landet, denke ich.

      Als Kind fand ich das noch gut. In den letzten Jahren ist es eher nervig geworden, schließlich bin ich eine erwachsene Frau und in der Lage auf mich aufzupassen. Mir ist bewusst, wie viel es ihr bedeutet, sich an solchen Kleinigkeiten festzuhalten, deswegen werde ich es ihr nicht mitteilen. Zumindest jetzt noch nicht.

      Doch ich erkenne, dass es nicht meine Mom ist, die mir da gerade geschrieben hat, sondern mein Vater. Ich kann aber nicht einschätzen, ob ich froh darüber sein soll, oder nicht. Es bedeutet, dass er nicht hier ist und ich mich mit meinen Koffern alleine abmühen muss. Um das zu wissen, muss ich sie nicht öffnen.

       Ich hoffe, dass du einen guten Flug hattest. Leider schaffe ich es nicht, dich abzuholen, obwohl ich mich schon so sehr darauf gefreut habe, dich in deiner neuen Heimat zu begrüßen. Aber ich komme nicht aus dem Revier heraus. Es tut mir leid, dass du den Bus nehmen musst. Ich habe Monica geschrieben, damit sie dich abholt, sobald du da bist.

       „Na ganz klasse“, entfährt es mir viel zu laut und in einem viel zu scharfen Ton, sodass sich ein paar von denen, die sich um mich befinden, zu mir umdrehen. Sie werfen mir irritierte Blicke zu, um die ich mich aber nicht kümmere. Ruckartig bleibe ich stehen und lasse den Kopf ein wenig hängen.

       Ich bin schon öfters mit dem Bus nach Tarpon Springs gefahren und ehrlich gesagt hat es mich auch nie gestört. Aber nie hatte ich soviel mit, wie jetzt. Und das, obwohl ich vieles so geschickt habe und es erst noch ankommt.

       Ich betrachte die Koffer, die sich vor mir auf dem Wagen befinden und verziehe ein wenig das Gesicht. Es sind zwar nur drei, aber sie sind so schwer, dass ich mir überhaupt keine Gedanken darüber machen musste, ob sie vielleicht zu schwer sind. Das konnte ich mir auch so schon denken. Doch ich habe keine Ahnung, wann meine Sachen ankommen werden und bis dahin brauche ich ein paar Klamotten.

       So habe ich es mir nicht vorgestellt, doch nun sieht es anscheinend so aus, als würde ich zu meinem Einstand mit dem Kofferberg alleine klarkommen müssen.

       Die Erkenntnis sorgt auch nicht dafür, dass es mir besser geht. Es ist viel eher das Gegenteil der Fall. Meine Laune sinkt weiter in den Keller. Mir ist aber klar, dass mein Dad es nicht böse meint. Mir ist klar, dass er viel zu tun hat und als Polizist sich auch nicht immer seine Arbeitszeiten aussuchen kann. Er macht mehr Überstunden, als man sich vorstellen kann. Außerdem bin ich durchaus in der Lage, mich in den Bus zu setzen und alleine zu fahren. Schließlich habe ich das schon ein paar Mal gemacht.

       Deswegen straffe ich meine Schultern und suche mir einen Weg nach draußen. Direkt vor dem Eingang befindet sich ein riesiger Platz, auf dem überall Schilder aufgestellt wurden, für die verschiedenen Richtungen, in die die Busse fahren. Zielsicher gehe ich an den wartenden Bussen vorbei, die sich überall befinden. Mit großen Schritten halte ich auf den hinteren Teil zu, da der Bus dort steht, der nach Tarpon Springs fährt.

       Ich weiß nicht genau, wann er fährt oder wie oft. Deswegen versuche ich so schnell wie möglich mit dem riesigen Wagen durch die Menschenmenge