Harley Barker

Love and Crime


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Straße schaue. Und was ich dort entdecke, überrascht mich. Der Geländewagen, den ich schon vor dem Haus meiner Eltern gesehen habe, steht auf der anderen Straßenseite, nur ein paar Meter entfernt. Mir ist bewusst, dass es mehrere davon gibt, schließlich ist es ein schönes Auto, und es dementsprechend nichts zu bedeuten hat. Auf der anderen Seite bin ich mir sicher, dass es der gleiche Wagen ist.

       „Ich bin gleich wieder da“, erkläre ich und stehe gleichzeitig auf. Ich lasse den Wagen nicht aus den Augen. Ich habe keine Ahnung, wer sich auf der anderen Seite der Fenster befindet, doch ich habe vor, es herauszufinden. Und wenn es nur darum geht, meine aufgebrachten Nerven zu beruhigen.

       „Wo willst du hin?“ Aus dem Augenwinkel sehe ich, dass Katie mich irritiert ansieht. Doch die Erklärung muss warten.

       Mit schnellen Schritten nähere ich mich ihm. Ich lasse nicht den kleinsten Zweifel daran, wohin ich will. Doch kaum komme ich in seine Nähe, wird der Motor schlagartig gestartet und der tiefe Ton des Auspuffs dröhnt in meinen Ohren. Er verschwindet mit durchdrehenden Reifen, so schnell, dass es nicht lange dauert, bis er aus meinem Sichtfeld verschwunden ist.

       Ich hingegen bleibe mitten auf der Straße stehen und schaue ihm nach. In meinem Kopf überschlagen sich die Gedanken. Vorhin habe ich mir noch eingeredet, dass es ein Zufall ist. Nun bin ich mir da aber nicht mehr so sicher.

       Verwirrt schaue ich ihm nach, auch als ich ihn schon längst nicht mehr sehe.

       „Kannst du mir mal verraten, wer das war?“ Katie taucht neben mir auf und schaut ebenfalls in die Richtung, in die der Wagen verschwunden ist. Sie konzentriert sich auf mich.

       „Ich habe keine Ahnung“, flüstere ich so leise, dass ich meine eigenen Worte kaum verstehen kann. Innerlich versuche ich mir noch immer einzureden, dass es ein blöder Zufall ist. Doch ich finde es schon merkwürdig, dass er einfach verschwunden ist. Und das ist ein Grund, den ich als Bestätigung für mein merkwürdiges Gefühl nehme. Schließlich würde das wohl kaum ein normaler Mensch machen.

      Aber ich wünsche mir, dass ich mich getäuscht habe. Ich weiß nicht, an was mein Dad da genau arbeitet. Aber ich kann mir denken, dass die letzten Sekunden wahrscheinlich kein gutes Zeichen waren, wenn es wirklich mit ihm zu tun hat.

       Ja, die meisten würden jetzt wahrscheinlich Panik bekommen. Bei mir ist es anders. Es ist eher das Gegenteil der Fall. Ich bin neugierig, wer es war.

      3

       Am nächsten Nachmittag sitze ich im Schneidersitz auf meinem Bett und betrachte den Inhalt des Schrankes, den ich vorhin angefangen habe einzuräumen. Noch immer liegen ein paar der Klamotten auf dem Boden verteilt. In den letzten Tagen war ich so sehr darauf konzentriert, mich wenigstens einigermaßen auf die Gespräche vorzubereiten, dass ich mir überhaupt keine Gedanken darüber gemacht habe, was ich anziehen soll. Das erste Gespräch ist bereits heute und danach direkt das Grillfest. Ich brauche also etwas, was ich zu beiden Terminen tragen kann, da ich nicht absehen kann, ob ich mich vorher noch umziehen kann.

       Seufzend stehe ich auf und gehe noch einmal, zum gefühlt hunderten Mal, alles durch, was infrage kommen würde. Egal, ob es ein Rock und eine Bluse, oder ein Hosenanzug ist. Doch auch jetzt habe ich keine Eingebung, was das richtige Outfit ist. Außerdem wandert mein Kopf immer wieder zum Fenster und ich schaue hinaus. Ich will kontrollieren, ob der Wagen wieder da steht, wo er sich gestern befunden hat. Doch soweit ich das beurteilen kann ist er bis jetzt noch nicht wieder aufgetaucht.

       Oder er befindet sich an einer Stelle, die ich von hier aus nicht im Blick habe.

       „Mein Rat an dich: Zieh dir bequeme Klamotten an. Als Friseurin geht es nicht darum, dass du den ganzen Tag in so engen Klamotten da stehst, in denen du kaum atmen kannst. Und auch nicht darum, die höchsten Schuhe an den Füßen zu haben, nur um einen Kopf größer zu sein“, ertönt die Stimme von Monica hinter mir. „Sondern darum, dass zu tragen, was zwar gut aussieht, aber in dem man sich wohlfühlt.“ Mit vor der Brust verschränkten Armen steht sie in der Tür und lächelt mich an.

       „Das Problem ist nur, dass ich mich in allen Sachen wohlfühle“, gebe ich zurück.

       „Ich würde eine Jeans und ein normales Shirt oder Top empfehlen. Und Sneaker.“ Mehr sagt sie nicht, sondern dreht sich um und verschwindet genauso schnell, wie sie gekommen ist.

       Ja, ich muss zugeben, dass sie recht hat. Schließlich stehe ich in dem Beruf die meiste Zeit und laufe hin und her. Die Erfahrung habe ich bereits in der Ausbildung gemacht. Ich bin mir nicht sicher, ob es das richtige Outfit für ein Vorstellungsgespräch ist. Trotzdem greife ich nach einer Jeans und einem schwarzen Shirt mit V-Ausschnitt, die ich mir schnell überziehe. Schnell mache ich mich fertig, da ich bereits spät dran bin.

       „Kann ich deinen Wagen nehmen?“, frage ich Monica, als ich wenig später die Küche betrete. „Ich werde ihn auch nicht lange brauchen, sondern direkt danach wieder herkommen. Es ist ja auch das Grillfest nachher.“

       „Nimm ihn ruhig und lass dir Zeit. Ich brauche ihn heute nicht mehr. Für die Feier habe ich alles hier, was ich brauche. Und sollte doch was fehlen, werde ich dir einfach eine Nachricht schreiben, damit du es mitbringst.“ Monica zieht die Schlüssel aus ihrer Tasche und wirft sie mir zu. Mit der rechten Hand fange ich sie auf, lasse sie jedoch sofort wieder fallen.

       „Verdammt“, fluche ich und betrachte meine Handinnenfläche. Die Spitze des Schlüssels hat sich mir ins Fleisch gebohrt und eine schmerzende Stelle hinterlassen.

       „Das tut mir leid“, entschuldigt Monica sich sofort und kommt zu mir.

       „Das braucht es nicht. Wo auch immer das Fettnäpfchen ist, ich trete hinein. Was das angeht, bin ich ziemlich zielsicher“, seufze ich. Das war schon immer so und ich habe die Befürchtung, dass sich das auch nicht mehr ändern wird. Es ist trotzdem nervig und ich wünsche mir, dass es nur einmal nicht so ist. Bis jetzt habe ich noch nichts ausgelassen.

       „Keine Sorge, ich bin mir sicher, dass sie dich lieben werden und alles glatt laufen wird. Du hast keinen Grund um nervös zu werden.“ Aufmunternd sieht sie mich an. Ich hingegen versuche meine Nervosität so weit in den Griff zu bekommen, dass ich mich überhaupt hinters Steuer setzen kann, ohne einen Unfall zu bauen.

       Außerdem gefällt es mir überhaupt nicht, dass ich es anscheinend nicht für mich behalten kann.

       „Viel Glück“, wünscht sie mir noch, als sie an mir vorbeigeht und zwinkert mir zu.

       Bevor ich es mir anders überlegen und alles abblasen kann, hebe ich sie auf und verschwinde.

       Der Friseursalon befindet sich mitten in der Stadt in einer Gegend, in der es immer voll ist. Schnell finde ich einen freien Parkplatz direkt vor dem Laden, was aber wohl eher ein Glücksfall ist.

       Ich bleibe vor dem Laden stehen und betrachte ihn. Von außen sieht er klein und gemütlich aus. Vor dem Laden und in den Schaufenstern befinden sich bunte Blumen, die einladend wirken und gute Laune verbreiten. Dazwischen wurden Bilder von unterschiedlichen Frisuren und Haarfarben in Szene gesetzt. Sie zeigen mir, dass es vielleicht ein kleiner Laden ist, aber die Angestellten dennoch wissen, was sie tun.

       Der Anblick lässt mich noch nervöser werden. Schnell schiebe ich in den hintersten Teil meines Körpers und straffe die Schultern. Ohne mir weiter den Kopf zu zerbrechen, was ich eh schon genug getan habe, öffne ich die Tür und gehe hinein.

       Im Inneren befindet sich mir gegenüber eine kleine Theke, auf der sich auch eine riesige Pflanze befindet, die beinahe den halben Platz einnimmt. Auf der anderen Hälfte steht ein Computer-Bildschirm und daneben eine Tastatur. Rechts neben der Tür befindet sich eine kleine Warteecke.

       „Hi, willkommen bei Sally. Hast du einen Termin?“, werde ich von einer Blondine begrüßt, die mich glücklich anstrahlt. „Ich bin Hannah.“

       „Hi, ich habe ein Vorstellungsgespräch bei …“, beginne ich. Doch noch bevor ich ausgesprochen habe, strahlt sie mich begeistert an.

       „Du musst Harley sein“,