Harley Barker

Love and Crime


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mir fahren, erzähle ich dir alles.“

       „Wieso fährst du nicht mit dem Auto von deinen Eltern? Ich meine, von dir in die Stadt ist ja doch ein ganz schönes Stück.“ Ich höre die Verwunderung in ihrer Stimme. Allerdings bin ich mir sicher, dass das nichts im Gegensatz zu dem ist, was sie fühlen wird, wenn ich ihr berichte, was passiert ist. Ich will ihren Gesichtsausdruck erkennen, wenn ich ihr die Geschichte erzähle, deswegen halte ich jetzt auch meinen Mund und verliere kein Wort darüber.

       „Wir reden nachher darüber“, gebe ich nur von mir und lege auf. Mir ist klar, dass mein Verhalten wahrscheinlich einen Haufen Fragen bei ihr aufwirft, die sie mir stellen wird. Mir würde es nicht anders ergehen. Doch das ist sicherlich keine Geschichte, die man mal eben schnell am Telefon erzählt.

       Das Jones ist ein kleines Café, was sich zwischen zwei riesigen Geschäften befindet, sodass man es leicht übersehen kann. Um ehrlich zu sein bin ich auch ein paar Mal dran vorbeigelaufen, bis Katie mich darauf aufmerksam gemacht hat. Es ist unscheinbar, sodass man es kaum wahrnimmt. Und ich bin mir sicher, dass es den meisten so geht. Vor allem Touristen. In der gesamten Stadt gibt es keinen Kaffee, der besser schmeckt.

       Als der kleine Laden endlich in Sichtweite kommt, habe ich mich so weit wieder im Griff, dass mein Körper nicht mehr zu zittern anfängt, wenn ich an den Wagen denke, der demoliert wurde, oder an den Geländewagen. Dennoch bekomme ich es nicht aus meinem Kopf. Und das vor allem deswegen, weil ich zu gerne wissen würde, wer dahinter steckt.

       Das sind wohl die Gene meines Vaters, die da durchschlagen. Ich kann nicht einschätzen, ob ich das gut finden soll oder nicht, aber ändern kann ich es eh nicht.

       Als ich den Laden betreten will, kommt Katie hinaus und drückt mir beim Vorbeilaufen einen Kaffeebecher in die Hand.

       „Also? Wie war es? Ich möchte jedes Detail wissen.“ Neugierig betrachtet sie mich von oben bis unten, als würde sie so viel eher die Antwort auf ihre Frage bekommen.

       „Du hörst dich an, als würde ich von einem Date kommen.“

       „Ja, aber es ist genauso aufregend. Schließlich geht es hier um deinen Neuanfang in einer neuen Stadt. Je eher man die Jobfrage da geklärt hat, umso besser ist es. Es gibt schließlich noch andere wichtige Dinge, um die man sich kümmern muss.“

       Im Stillen muss ich ihr recht geben. Und ich wäre auch glücklicher, wenn ich es bereits wüsste, ob es klappt oder nicht.

       „Willst du erst die gute oder die schlechte Nachricht hören?“, sage ich also, bevor sie noch einen weiteren Versuch unternehmen kann, mehr aus mir herauszubekommen.

       „Es gibt eine schlechte Nachricht?“ Mit großen Augen sieht sie mich an.

       „Ja, die gibt es.“ Ich verziehe ein wenig das Gesicht.

       „Ich möchte erst die gute hören“, überlegt sie. „Danach kann ich die schlechte besser verdauen.“

       Mit kurzen Sätzen berichte ich ihr von dem Vorstellungsgespräch. Aufmerksam hört sie mir zu, auch wenn es da eigentlich gar nicht soviel zu berichten gibt. Und das bringt mich direkt zu meiner zweiten Geschichte. Ich berichte ihr einfach davon, der Vorteil ist, dass es nicht ihr Auto ist, das aufgebrochen wurde.

       Während ich ihr davon erzähle, sieht Katie mich so an, als würde sie davon ausgehen, dass ich einen Scherz mache. Jedes Wort, was meinen Mund verlässt, ist auch mein Ernst. Obwohl ich mir wünsche, dass es ein Scherz wäre.

       „Ach du scheiße“, entfährt es ihr, nachdem ich geendet habe. Geschockt schlägt sie die Hände vor das Gesicht und wendet sich nicht von mir ab. Ich sehe ihr an, dass sie keine Ahnung hat, was sie dazu sagen, beziehungsweise davon halten soll. Und mir geht es da nicht anders. Auch wenn ich es mittlerweile so weit verarbeitet habe, dass ich nicht mehr am Zittern bin, so geht es mir noch immer nah.

       „Ja, so kann man es wahrscheinlich auch ausdrücken“, überlege ich.

       „Und es hat keiner mitbekommen?“ Ungläubigkeit hat sich in ihre Stimme geschlichen. „Es konnte keiner einen Hinweis geben?“

       „Mein Dad und seine Kollegen haben mit ihnen gesprochen. Was herumgekommen ist, weiß ich aber nicht. Er hat mir nichts gesagt.“ Ich zucke mit den Schultern. So gebe ich ihr zu verstehen, dass ich mich auch nicht näher damit auseinandergesetzt habe. Schließlich bin ich keine Polizistin und ich habe keine Ahnung, wie viel sie mir sagen würden. Außerdem muss ich zugeben, dass ich vorhin auch keine sehr große Lust mehr hatte, mich damit zu beschäftigen.

       „Wow“, raunt Katie und geht neben mir her. Einige Sekunden ist sie ruhig. „Am helllichten Tag einen Wagen aufzubrechen zeugt von Mut. Alleine der Gedanke daran, dass man mich erwischen könnte, würde mich davon zurückschrecken lassen. Aber gut das keiner von uns auf so eine Idee kommen würde. Und noch besser ist es, dass du nicht in der Nähe warst. Ich bin mir sicher, dass du sonst versuchst hättest, ihn aufzuhalten.“ Kaum hat sie ausgesprochen bleibt sie neben ihrem Auto stehen und öffnet die Türen.

       „Mut oder Dummheit“, gehe ich auf den ersten Teil ihrer Aussage ein. „Es kommt darauf an, von welcher Seite man es sieht“, murmle ich so leise vor mir her, dass ich meine Worte selber kaum verstehen kann. Mein Blick wandert von rechts nach links und wieder zurück. Nach der Geschichte habe ich das Bedürfnis sicherzugehen, dass nicht irgendwo eine Gefahr lauert und nur auf ihre Chance wartet.

       Aber es ist nicht nur das. Ich habe das Gefühl, als würde man mich beobachten. Das hatte ich gestern bereits, jetzt ist es aber noch schlimmer. Ich kann es mir nicht genau erklären, zumal ich nicht weiß, wo es plötzlich herkommt. Doch ich habe es.

       Katie sagt nichts weiter, auch wenn ich mir sicher bin, dass es da noch die eine oder andere Frage gibt, die ihr auf der Zunge brennt. Zumindest gibt es da ein paar, die mich interessieren würden und ich bin mir sicher, dass es ihr da nicht anders geht. Doch meine Freundin behält sie für sich. Und ehrlich gesagt bin ich froh darüber.

       Während wir zu mir fahren erzählt Katie mir von ihrem Tag. Auf der Highschool hat sie aus der Not heraus in einem der vornehmsten Restaurants der Stadt als Kellnerin angefangen. Auf die Weise wollte sie ihre Familie finanziell unterstützen, die zu dem Zeitpunkt mit einigen Schicksalsschlägen leben musste. Und anstatt danach aufs College zu gehen ist sie dort geblieben. Ich muss zugeben, dass es für mich zu heikel gewesen wäre. Auch wenn ich nicht studiert habe, so habe ich wenigstens eine abgeschlossene Berufsausbildung, doch für meine Freundin hat es sich gelohnt. Seit dem letzten Jahr ist sie sogar die stellvertretende Managerin. Ich bin mir sogar sicher, dass sie einmal den Laden leiten wird.

       „Dein Job ist sicherlich nicht leicht“, stelle ich fest, nachdem sie von den ganzen Katastrophen berichtet hat, die ihren Tag bestimmt haben.

       „Nein, das ist er nicht. Aber ich mache ihn gerne und das ist die Hauptsache. Mehr ist für mich nicht wichtig.“ Katie stellt ihren Wagen an die freie Stelle, an der vorhin noch der von Monica stand. In den letzten Minuten hat meine Freundin es geschafft, mich abzulenken. Nun habe ich aber sofort wieder ein schlechtes Gewissen, weil ich nicht besser auf ihren Wagen aufgepasst habe.

       „Ihr kommt genau richtig“, werden wir von Monica begrüßt, die durch die Küche wirbelt, als wir eintreten. Als sie mich entdeckt bleibt sie ruckartig stehen. Mit großen Schritten kommt sie auf mich zu und bleibt dicht vor mir stehen. Unerwartet schließt sie mich in ihre Arme. „Dein Dad hat schon angerufen und mir berichtet, was geschehen ist. Ich bin nur froh, dass er wenigstens so lange gewartet hat, bis du das Auto verlassen hast. Ich will mir überhaupt nicht ausmalen was alles hätte passieren können, wenn du noch in dem Auto gewesen wärst.“ Erneut drückt sie mich fest an sich. „Aber jetzt wollen wir uns nicht länger darüber unterhalten, sondern uns an die Arbeit machen. Sonst werden wir bestimmt nicht pünktlich fertig.“

       Kaum hat sie ausgesprochen, dreht sie sich bereits um und stellt sich wieder an die Arbeitsplatte, um Gemüse zu schneiden. Sie gibt mir nicht die Chance, noch mehr zu erklären. Deswegen ist es wahrscheinlich das Beste, wenn ich mich nicht weiter damit beschäftige. Es würde ja doch nichts an dem ändern, was geschehen ist.