Harley Barker

Love and Crime


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habe, als würde mich jemand beobachten. Schnell rede ich mir ein, dass es nur daran liegt, weil ich von so vielen Menschen umgeben bin, die alle mit mir sprechen wollen.

       Als ich spät in der Nacht endlich in meinem Bett liege, gehe ich die Vorkommnisse noch einmal durch. Die letzte halbe Stunde habe ich damit verbracht mein Schlafzimmer wieder aufzuräumen. Ich bin noch einmal alle Dinge durchgegangen, konnte aber nicht feststellen, was fehlt. Das Letzte, was ich will, ist, morgen früh sofort wieder daran erinnert zu werden, was geschehen ist. Ich bin mir nicht sicher, ob der Plan auch funktioniert.

       Immer wieder habe ich die Sekunden vor meinem inneren Auge, als der Typ an mir vorbeigelaufen ist. Immer wieder versuche ich einen Anhaltspunkt zu finden. Etwas, an dem man ihn erkennen könnte. Doch da ist nichts. Und selbst wenn ich es finden würde, so wäre die Wahrscheinlichkeit doch sehr gering, dass man den Typen überhaupt ausfindig machen könnte. Denn das ist das einzige, was ich mit Gewissheit behaupten kann.

       Dass es ein Mann war.

       Die Statur kann unmöglich zu einer Frau gehört haben.

       Auf dem Flur höre ich meinen Dad und Monica, die sich noch unterhalten. Um mich abzulenken, drehe ich mich auf die Seite und schaue aus dem geöffneten Fenster hinaus. Der Himmel ist klar, sodass man die Sterne leuchten sehen kann. Normalerweise beruhigt mich der Anblick, jetzt ist das aber nicht der Fall. Es dauert noch, bis ich endlich einschlafe.

       Als ich am nächsten Morgen wach werde, tut mir jeder einzelne Knochen weh und mein Kopf dröhnt, als hätte ich in der letzten Nacht eindeutig zu viel getrunken.

       Ein paar Minuten bleibe ich liegen. Gestern habe ich noch gehofft, dass ich heute die Geschehnisse des letzten Tages verarbeitet habe und nicht ständig daran denken muss. Doch der erste Gedanke, der sich nun in mein Gedächtnis schleicht, gilt dem Einbruch. Seufzend schiebe ich die Decke zur Seite, stehe auf und mache mich fertig. Gleichzeitig beschließe ich, dass ich mich bei meinem Vater erkundigen werde wie es aussieht, sobald ich ihn sehe.

       Im Vorbeigehen greife ich nach meiner Handtasche, bevor ich nach unten gehe. Dort werde ich bereits vom Geruch von frischen Brötchen begrüßt.

       „Setzt dich“, fordert Monica mich auf, nachdem ich die Küche betreten habe. Sie zeigt auf einen der Stühle.

       „Ist alles in Ordnung?“, erkundige ich mich vorsichtig, nachdem ich prüfend den Tisch betrachtet habe. Auf ihm stehen Wurst, Käse und verschiedene Marmeladensorten. Außerdem Obst, was in Stücke geschnitten wurde.

       „Ja, wieso sollte nicht alles in Ordnung sein?“, erwidert Monica. Sie dreht sich nicht ein einziges Mal in meine Richtung. Deswegen gehe ich leise zum Tisch und setze mich.

       „Dir ist aber schon bewusst, dass du das nicht hättest machen müssen, oder?“, erkundige ich mich vorsichtig.

       „Willst du nichts frühstücken?“

       „Das meine ich nicht“, murmle ich vor mir her.

       Verzweifelt suche ich nach den richtigen Worten, aber ich finde sie nicht. Ich glaube sogar, dass es sie überhaupt nicht gibt.

       „Schon klar. Aber die Wahrheit sieht so aus, dass es schon ein wenig merkwürdig ist, wenn eine fremde Person das Haus durchsucht.“ Mehr braucht Monica nicht von sich zu geben. Ich kann mir auch so denken, was ihr durch den Kopf geht. Mir ging es in der letzten Nacht auch nicht anders.

       „Soweit wir es gestern feststellten, wurde nichts geklaut“, fährt sie fort.

       Ich weiß nicht, ob ich über die Nachricht erleichtert sein soll oder nicht. Wie sich herausgestellt hatte, wurde auch im Auto nichts geklaut. All das sorgt dafür, dass ich wieder an die Worte meiner Freundin denken muss.

       Zufall.

       Es ist nur ein Wort, doch es setzt sich in meinem Kopf fest. Ein paar Mal versuche ich es zur Seite zu schieben, doch es gelingt mir nicht. Gedankenverloren nehme ich meine Kaffeetasse in die Hand und will einen Schluck hinausnehmen. Doch kaum kommen meine Lippen mit dem heißen Getränk in Berührung, zucke ich zusammen und verschütte den Inhalt auf dem Tisch.

       „Verdammt“, murmle ich.

       „Ich glaube die Ereignisse von gestern haben uns alle ziemlich durcheinander gebracht.“

       „Ich würde es eher auf meine Schusseligkeit schieben“, entgegne ich. „Aber so kann man es natürlich auch machen.“

       Das leise Lachen meiner Stiefmutter dringt an mein Ohr. Es sorgt dafür, dass ich auch lachen muss. Und nachdem, was alles geschehen ist, ist das ehrlich gesagt eine nette Abwechslung.

       „Und was hast du heute noch so schönes vor?“

       „Ich muss gleich noch ein paar Unterlagen im Rathaus abgeben. Es amtlich machen, dass ich nun hier lebe.“

       „Ich würde dir ja meinen Wagen geben, aber der wird noch die nächsten Tage in der Werkstatt stehen.“

       „Das brauchst du nicht. Danach wollte ich nach einem Auto suchen.“

       „Bist du dir sicher?“

       „Ihr braucht eure Autos und wenn es mit dem Job klappt, werde ich früher oder später auch einen brauchen. Schließlich kann ich ja nicht immer zu Fuß gehen. Das würde auf Dauer doch zu viel Zeit in Anspruch nehmen.“

       Monica sieht so aus, als würde sie davon ausgehen, dass ich es mir gleich anders überlege. Das mache ich nicht. Außerdem verschafft ein eigenes Auto mir ein wenig Unabhängigkeit. Doch das werde ich ihr nicht unter die Nase halten. Ich bin mir sicher, dass es die nächste Unterhaltung nach sich ziehen würde und das will ich gerade nicht.

       „Haben die Polizisten gestern noch mehr gesagt?“, erkundige ich mich, nachdem ich mir nach dem Frühstück meine Tasche übergehängt habe.

       „Bis jetzt habe ich noch nichts gehört. Vielleicht erfährt dein Vater heute ja etwas Neues. Wieso fragst du?“ Während sie spricht, dreht sie sich in meine Richtung.

       „Ich bin nur neugierig“, murmle ich.

       Schweigend frühstücken wir weiter. Doch es macht auch keiner von uns Anstalten sich zu unterhalten. Ich versuche all das zu verstehen, während Monica wahrscheinlich noch damit beschäftigt ist, alles zu verarbeiten.

       „Ich werde mich jetzt auf den Weg machen. Sonst schaffe ich heute überhaupt nichts mehr. Wir treffen uns später bestimmt noch“, verabschiede ich mich von ihr, nachdem ich meinen Teller in die Spüle gestellt habe.

       „Ja, und falls du von deinem Vater hörst erinnere ihn bitte daran, dass er noch beim Elektriker anrufen soll.“

       „Mach ich“, verspreche ich ihr und verschwinde.

       Während ich die Richtung der Stadt einschlage, kann ich nicht verhindern mich umzublicken. Doch weit und breit kann ich nirgends den dunklen Geländewagen erkennen. Oder sonst jemanden, der sich auffällig verhält. Ich wüsste auch gar nicht, was ich machen sollte. Als ich das erste Mal zu ihm hingegangen bin, war es eher eine Kurzschlussreaktion. Ich bin mir nicht sicher, dass ich mir das ein zweites Mal trauen würde.

       Und obwohl ich nichts und niemanden erkennen kann, macht sich wieder einmal das Gefühl in mir breit, dass jemand in der Nähe ist. Es gibt nicht den kleinsten Grund dafür, doch ich werde es auch nicht los. Genauso wie gestern hält es sich beharrlich.

       Um mich davon abzulenken, konzentriere ich mich auf meine Umgebung. Mittlerweile befinde ich mich in einer Gegend, in der es einige Geschäfte gibt. Mütter schieben Kinderwagen hin und her, während sie sich unterhalten. Ältere Leute sitzen vor den wenigen Cafés, die es hier gibt, und unterhalten sich.

       Als ich das Rathaus erreiche bleibe ich stehen und betrachte es kurz. Es ist nicht sonderlich groß, aber das hier ist auch keine riesige Stadt wie Los Angeles oder New York. Vor dem Backsteingebäude befinden sich riesige Säulen, die bis zur dritten Etage hochgehen und dort den Balkon stützen. Auf der jährlichen Parade steht dort oben immer der Bürgermeister, zusammen mit dem Polizeichef