Martine Batchelor

Loslassen lernen


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negative Wirkungen hervorrufen. Diese reichen von einem gesunden Überlebensmechanismus bis hin zu blinden Reaktionen, welche die Wirklichkeit der Situation, in der wir uns befinden, verzerren. Das führt mich zu der Frage: Welche Muster müssen wir ändern und welche nicht? Und wenn sie verändert werden sollen, wie können wir das bewerkstelligen? Meditation ist für mich ein positives und konstruktives Muster, das die Kraft hat, unsere schmerzvollen Gewohnheiten zu transformieren. Ein Schlüsselelement buddhistischer Meditation ist Konzentration. Sie hilft, den Geist zu beruhigen und die Macht blinder Reaktionen zu mindern. Ein anderes wesentliches Element ist das Fragen und Erkunden. Es erklärt uns unsere unterschiedlichen Erfahrungen und löst damit die Starre auf, die so oft aus zwanghaftem Verhalten resultiert. Zusammen praktiziert, verschmelzen Konzentration und Erforschung zu einem nichtwertenden Gewahrsein, das uns ermöglicht, in veränderter Weise auf uns und die Welt zu schauen.

      Betrachten wir unsere Erfahrungen mit einem solchen Gewahrsein, können wir vielleicht entdecken, dass Greifen all unseren negativen Gewohnheiten zugrunde liegt. Ich zeige die Gefahren »positiven« Greifens auf - wenn wir etwas sehr stark wollen und begehren - und »negativen« Greifens - wenn wir voller Hass und Ablehnung sind. Indem wir uns auf das reduzieren, was wir begehren oder ablehnen, begrenzen beide Formen des Greifens unsere Möglichkeiten, kreativ und frei auf eine Situation zu antworten. Meditation lässt uns erfahren, wie Greifen geschieht, wenn unsere Sinne angeregt sind. Indem wir auf meditative Weise zuhören, können wir lernen, selbst unangenehme Geräusche auf eine ruhige und weite Weise zu hören. Schon das bloße Hören kann der Ausgangspunkt für negatives Greifen (»ich kann den Lärm nicht ertragen«) oder für die Freiheit vom Greifen (»ich kann mit diesem Lärm kreativ umgehen«) sein.

      Geistige Gewohnheiten haben die Tendenz zur Wiederholung, sie machen uns flach und zweidimensional. In diesem Buch beleuchte ich einige dieser Gewohnheiten wie das Tagträumen oder Urteilen näher. Ich erforsche auch die inneren Sprachen, in denen wir uns unsere Erfahrungen selbst erzählen, und wie sie unsere Erfahrungen beeinflussen. Gewahrsein hilft zu erkennen, welch großen Einfluss gewohnte Denkmuster auf Gefühle haben. Solche Gewohnheiten prägen die Persönlichkeit und sperren in starre Verhaltensweisen ein. Durch meditatives Fragen können wir eine neue Beziehung zu unseren Gedanken herstellen und so beginnen, unsere Denkweise und dann allmählich auch unser Verhalten zu verändern. Ich beschreibe, wie Dr. Jeffrey Schwartz Meditation benutzt, um im Umgang mit Zwangsstörungen, Obsessive-Compulsive Disorder (OCD), neue Wege aufzuzeigen. Des Weiteren führe ich aus, dass es bei unseren geistigen Gewohnheiten drei Ebenen zu geben scheint, die ich »heftig«, »gewohnheitsmäßig« und »leicht« nenne - und ich stelle drei unterschiedliche Meditationstechniken vor, um mit diesen unterschiedlichen Ebenen von Verhaltensmustern umzugehen.

      Der Moment, in dem ein angenehmes oder ein schmerzliches Gefühl sich in eine störende Emotion wandelt, ist der Punkt, an dem meditatives Gewahrsein am wirkungsvollsten ist. So kann zum Beispiel ein einfaches Gefühl von Traurigkeit leicht in einen dunklen und schmerzvollen emotionalen Zustand übergehen, in dem wir uns in einem »Ich-Arme/r«-Syndrom verlieren und davon überzeugt sind, ungeliebt und allein in der Welt dazustehen. Ich gehe auf häufig erfahrene, emotionale Gewohnheiten ein, die mit Wut, Depression, Langeweile, Einsamkeit und Angst verbunden sind. Weiter stelle ich eine Meditationspraxis über Gefühlstönungen (Wohlgefühl, Schmerz, Gleichgültigkeit) vor. Sie ist ein machtvolles Instrument, unsere Gefühle unmittelbarer zu erfahren, sie so zu akzeptieren, wie sie sind, und mit ihnen in einer Weise umzugehen, dass sie nicht zu störenden Emotionen werden. Ich beschreibe die Arbeit von John Teasdale, Mark Williams und Zindel Segal, die die Methode der Achtsamkeitsbasierten Kognitiven Therapie, Mindfulness-Based Cognitive Therapy (MBCT), entwickelt haben, um Rückfällen bei Depressionen vorzubeugen.

      Zusätzlich zu unseren geistigen und emotionalen Gewohnheiten, entstehen auch Gewohnheiten körperlicher Art. Oft sind sie das Ergebnis einer ungesunden Beziehung zu unserem Körper; wir ignorieren oder verdrängen vielleicht wichtige Signale unseres Körpers, weil wir es gewohnt sind, uns in Gedanken zu verlieren oder von Gefühlen beherrscht zu sein. Ich stelle eine Praxis der Körper-Achtsamkeit vor, die einen besseren Zugang zu unseren Empfindungen ermöglicht. Ich gehe zudem auf die Arbeit von Dr. Jon Kabat-Zinn ein. Dessen innovative Methode, Achtsamkeitsmeditation zur Stressbewältigung zu verwenden, hat sich als außerordentlich wirkungsvoll erwiesen.

      Als Nächstes untersuche ich die Frage, was wir tun können, wenn unsere geistigen, emotionalen und körperlichen Gewohnheiten so starr und machtvoll geworden sind, dass sie zu einem Suchtverhalten geworden sind. Meditation hat sich hier als wertvoller Ansatz erwiesen, um von der Sucht loszukommen. Sie vermittelt die wesentlichen Elemente von Stabilität und Spiritualität. Ich zeige, wie Menschen erfolgreich Meditation mit dem Zwölf-Schritte-Programm verbunden haben (siehe Kapitel 7), und stelle das buddhistische Konzept der Zehn Vollkommenheiten als Leitlinie vor, die Menschen bei der Heilung von der Abhängigkeit unterstützen kann.

      Ungute Gewohnheiten können auch unser Potenzial für liebevolle Beziehungen zu anderen Menschen hemmen. Solche zerstörerischen Gewohnheiten können selbst Gefühle für unseren Partner, unsere Kinder, Familie oder Freundinnen und Freunde untergraben. Meditation kann uns befähigen, diese Muster klarer zu sehen, und uns damit zu der Einsicht und dem Mut verhelfen, sie zu verändern. Sie kann uns auch zeigen, dass Annehmen und Vertrauen die Wurzel der Liebe sind. Diese Praxis lässt uns mehr Selbstvertrauen entwickeln.

      Das macht uns unabhängiger von anderen und verringert die Angst, die möglicherweise daran hindert, gesunde und vertrauensvolle Beziehungen aufzubauen. Meditation führt nicht dazu, dass wir unnahbarer und abgeklärter werden, sondern sie spielt auch eine wichtige Rolle im Bereich von Intimität und Sexualität.

      Denn unser aller Leben hat eine soziale Dimension. Wir sind allein und gleichzeitig unausweichlich mit anderen Menschen verbunden.

      Von daher ist die Frage, wie wir andere Menschen behandeln, von äußerster Wichtigkeit. Ist unser Verhalten von tiefsitzenden egozentrischen Gewohnheiten getrieben? Wie können wir von einer vorwiegend ichbezogenen Beziehung zur Welt zu einer Sichtweise gelangen, die sich zunehmend auf andere ausrichtet? Indem wir uns auf unsere fundamentale Gleichheit besinnen, können wir eine emphatische Identifikation mit anderen spüren, die wir dann in mitfühlendes Handeln auf allen Ebenen transformieren können. Meditation und mitfühlende Ethik führen dazu, auf neue, unbekannte Situationen in kreativer, fürsorglicher Weise zu reagieren, statt blind aus unseren Gewohnheiten heraus zu handeln.

      Schließlich untersuche ich, wie wir Meditation in unserem geschäftigen und hektischen Leben praktizieren können. Ich glaube daran, dass wir die negative Kraft unserer unguten Gewohnheiten aufzulösen vermögen, sie transformieren können und dabei unser Potenzial für ein weises, mitfühlendes, kreatives Leben hervorbringen können. Im Zen-Buddhismus werden die »zehn Ochsenbilder«, die Stadien des meditativen Weges, mit der Suche eines Hirten nach dem widerspenstigen Ochsen des Geistes und dessen Zähmung verglichen. Ich interpretiere diese Bilder aus der Perspektive des Verstehens und Zähmens unserer eigenen destruktiven Muster. Auch wenn diese Bilder aus dem alten China stammen, sind sie auch heute noch Wegweiser für eine radikal neue Weise, unser Leben in der heutigen Zeit zu leben.

       Muster

       Wiederholung und Anpassungsfähigkeit

      Einmal habe ich in einem Stück Bernstein eine vier Millionen Jahre alte Ameise entdeckt. Sie sah genauso aus wie jede Ameise in meinem Garten heutzutage. Statt sich an veränderte Umweltbedingungen anpassen zu müssen, sind Ameisen in ihrer äußeren Erscheinung über Millionen Jahre hinweg weitgehend gleich geblieben. Ameisen sind sowohl extrem unverwüstlich als auch anpassungsfähig, und sie konnten von daher für so lange Zeit in fast der gleichen Form überleben.

      Alles Lebendige hat sich durch Reproduktion entwickelt. Die Entstehung und die Wandlung des Lebens sind durch konstante Muster in Verbindung mit gelegentlichen Mutationen möglich geworden. Gäbe es keine stabilen, wiederkehrenden Muster und Strukturen, könnte kein Geschöpf in einer konsistenten Form bestehen. Doch gäbe es nur Wiederholung und keine Variationsmöglichkeiten, dann wäre der lebendige Organismus unfähig, sich an Veränderungen anzupassen. Wiederkehrende Muster und Strukturen sichern Stabilität,