Irene Dorfner

Dreckiges Erbe


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ein Zimmer nach dem anderen. Im Keller des Hauses bin ich fündig geworden. Ich fand aber keine gefälschte ägyptische Kunst, sondern Raubkunst aus dem Zweiten Weltkrieg.“

      „Bitte? Sie wollen uns erzählen, dass Sie rein zufällig auf Raubkunst gestoßen sind und diese sofort erkannten?“ Georg war erschrocken, mit einer solchen Geschichte hatte er nicht gerechnet.

      „Ja, das habe ich. Ich interessiere mich für Kunst, habe sogar vier Semester Kunst studiert, bevor ich das Studienfach gewechselt habe. Ich kenne nicht alle Stücke, die im Dritten Reich und nach Kriegsende verschwunden sind, aber die bekanntesten erkenne ich. Ich habe Fotos gemacht. Leider wurde ich unvorsichtig, man hat mich entdeckt. Mein Verfolger hat mir die Tasche entrissen, ich habe kein Geld und keine Papiere mehr. Und jetzt ist man hinter mir her.“

      „Handel mit gefälschter Kunst? Und dazu Raubkunst aus dem zweiten Weltkrieg? Darum geht es?“, rief Leo enttäuscht. Er hatte sich eine persönliche Tragödie vorgestellt, in der er als strahlender Retter auftreten konnte. Lag das am Alkohol? Er musste sich zwingen, sich zu konzentrieren, damit er den Faden nicht verlor. Wenn er ehrlich war, verstand er nicht viel von dem, was die hübsche Frau mit dem losen Mundwerk von sich gab. Seit sie Georg angeschnauzt hatte, was ihn zum Schmunzeln gebracht hatte, konnte er nicht mehr ganz folgen.

      „Wenn das alles der Wahrheit entspricht, wäre das der Hammer“, sagte Georg, der jedes Wort verstand und keineswegs beleidigt war, schließlich hatte er die Frau unterbrochen. Der Begriff Raubkunst war ihm nicht fremd, ganz im Gegensatz zu Leo, der zwar schon davon gehört hatte, aber nicht genau wusste, worum es dabei ging. „Ich habe darüber gelesen, dass es im zweiten Weltkrieg an der Tagesordnung war, dass Kunstwerke einfach enteignet wurden. Es gab nicht wenige Nazi-Größen, die im Besitz einer umfangreichen Kunstsammlung waren. Zum Kriegsende wollte man diese in Sicherheit bringen. Waggonladungen voller Kunstgegenstände sind zum Kriegsende 1945 und kurz danach spurlos verschwunden. Man munkelt, dass die Alliierten viele Kunstschätze nach Hause schickten, was aber nicht bewiesen werden konnte. Es gibt viele, viele Stücke, die immer noch verschwunden sind.“ Georg sprach langsam, da er Leo ansah, dass der keine Ahnung hatte, worum es ging. Leo hörte aufmerksam zu und verstand trotzdem nicht alles.

      „Es gibt umfangreiche Literatur darüber“, sagte Sabine. „Sie können sich vielleicht vorstellen, wie erschrocken ich war, als ich vor Vincent van Goghs Maler auf der Strasse zu Tarascon stand. Das Selbstbildnis des Künstlers zählt zu den berühmtesten Bildern, die aus ungeklärten Umständen seit dem zweiten Weltkrieg verschwunden sind. Man vermutet, dass es 1945 bei einem Brand zerstört wurde, aber bewiesen wurde das nie.“

      „Wie viel ist das Bild wert?“, brachte sich Leo ein, der sich mit Kunst überhaupt nicht auskannte.

      „Es hat einen sehr hohen Schätzwert, man kann von einer hohen zweistelligen Millionensumme ausgehen, aber das ist nur eine Vermutung meinerseits. Museen und private Sammler würden sich darum reißen und jede Summe bezahlen.“

      „Und Sie sind sicher, dass es sich um das echte Gemälde handelt?“

      „Ich bin, wie gesagt, Journalistin und keine Kunstkennerin. Sie hätten sehen müssen, wie die Kunstwerke im Keller des Kairoer Hauses gelagert werden. Das und die Tatsache, dass ich bis nach Hurghada verfolgt wurde, bestätigt mir die Echtheit. Was nicht heißt, dass man nicht Fachleute hinzuziehen sollte. Ich persönlich bin davon überzeugt, dass ich da auf echte Raubkunst gestoßen bin. Das ist eine Sensation!“

      „Die Raubkunst befindet sich in Kairo? Sie wollen mir sagen, dass Sie von dort bis nach Hurghada verfolgt wurden?“

      „Endlich haben Sie verstanden! Sehen Sie jetzt auch, dass ich mit meiner Vermutung richtig liege, dass es sich um echte Raubkunst handeln muss?“

      Georg nickte.

      „Es ist besser, ich sage Ihnen nicht, wo genau die Kunstschätze aufbewahrt werden. Je weniger Details Sie wissen, desto besser für Sie. Außerdem kennen wir uns nicht. Ich habe mich mit der Wahrheit sowieso schon viel zu weit aus dem Fenster gelehnt. Ich wollte Ihnen lediglich meine Situation erklären. Lügen gehört nicht zu meinen größten Stärken.“ Sabine Kofler stand unter Druck, außerdem hatte sie große Angst und sie war auf die Hilfe der fremden Polizisten angewiesen. Jetzt war sie nicht mehr allein und vielleicht fand sich eine Möglichkeit, wie sie sich aus dieser Situation befreien konnte. Warum hatte sie sich nur auf die Spur der gefälschten ägyptischen Kunst gemacht? Mit großem Elan hatte sie vor knapp zwei Wochen dieses Abenteuer angetreten. Fest entschlossen, diesem Handel mit gefälschter ägyptischer Kunst ein Ende zu setzen. Die Händler gingen sehr dreist vor. Sie legten Fotos von echter Kunst vor, verschickten aber plumpe Fälschungen, die man schon von Weitem als solche erkannte. Dann tauchten die Händler unter. Einer der Museumsdirektoren in England verlor deshalb schon seinen Job. Es war nur eine Frage der Zeit, wann ihm andere nachfolgten. Obwohl das bekannt war, fielen immer wieder Museen und Privatsammler auf diese Masche herein. Sabine wollte der Sache auf den Grund gehen und versprach sich von der Aufdeckung sehr viel. Ihr Job war sehr hart und es war nicht leicht, gutes Geld damit zu verdienen. Das konnte endlich der Durchbruch sein, auf den sie schon so lange wartete. Sie hatte ihre Ersparnisse zusammengekratzt und recherchierte auf eigene Faust, nachdem Magazine und Zeitungen nicht darauf ansprachen und sie nicht unterstützen wollten. Egal, das schaffte sie auch alleine!

      Seitdem war sehr viel geschehen. Sie hatte mit viel Arbeit und mit Hilfe ihrer Kontakte einige Hintermänner ausfindig gemacht, die offenbar mit dem schmutzigen Handel in Verbindung standen. Der Ire John McCarthy schien eine Rolle zu spielen, ebenso die Deutsche Karin Bergmann. Beide waren in der Kunstszene bekannt, fielen aber bisher nie negativ auf. Sowohl McCarthy, als auch Bergmann arbeiteten in berühmten Museen und wurden gerne als Kunstexperten zu Rate gezogen. Sabine war überrascht gewesen, dass gerade diese beiden in diese dreckigen Geschäfte verwickelt schienen. Noch fehlten ihr die Beweise, die ihre Annahme stützten. Wenn dem so war, dann waren die beiden lediglich die Vermittler. Wer der Kopf der ganzen Bande war, hatte sie noch nicht herausgefunden. Sie hatte Fotos gemacht. Sowohl von den echten Kunstschätzen, als auch von den gefälschten. Auch das Gebäude und die Straße hatte sie fotografiert.

      Sie floh bis Hurghada, wo sie glaubte, vorerst sicher zu sein. Wie konnten diese Leute sie finden? Das war ihr immer noch ein Rätsel. Sie hatte sich den beiden fremden Deutschen anvertraut, allerdings hatte sie nicht ganz die Wahrheit gesagt. Bei dem Schmuck hatte sie zugegriffen und eine besonders schöne Kette in die Tasche gesteckt. Ob es sich um ein wertvolles Stück handelte, konnte sie nur vermuten. Die Kette mit dem Amulett war sicher sehr alt, oder war das eine Fälschung? Warum dann das Hakenkreuz neben der Gravur? Das war jetzt nicht wichtig. Sie trug diese Kette unter dem Kleid. Sollte sie den beiden Fremden davon erzählen?

      „Sie sagten, Sie hätten Fotos gemacht“, riss Georg sie aus ihren Gedanken. „Wie ich sehe, haben Sie keine Tasche dabei.“

      „Ich habe die Speicherkarte meiner Kamera bei mir. Wenn mir meine Tasche nicht entrissen worden wäre, hätte ich meinen Pass noch und hätte längst das Land verlassen. Ohne Pass und Geld bin ich gezwungen, hier zu bleiben.“

      Beide Männer sahen die Frau an. Wo sollte sie die Speicherkarte haben? Jetzt musste Sabine lachen, was ihr sehr gut tat.

      „Sie suchen nach der Speicherkarte? Sie steckt in meinem BH.“

      „In meinem Hotelzimmer habe ich einen Laptop. Wenn Sie erlauben, werden wir uns die Bilder ansehen.“

      „Gerne.“ Sabine willigte schnell ein. Was blieb ihr anderes übrig? Wo sollte sie allein und ohne Geld und Papiere hin? Die indirekte Einladung der Deutschen kam ihr gelegen. Damit hatte Sie Zeit gewonnen, sich eine Lösung ihres Problems zu überlegen.

      Sharif war die ganze Zeit still gewesen. Wenn seine Fahrgäste auf ihn aufmerksam wurden, lächelte er nur. Er verstand nicht viel, was die Frau von sich gab. Aber das, was er hörte, reichte ganz sicher aus, um Informationen verkaufen zu können. Er hatte den Namen Vincent van Gogh verstanden, sowie John McCarthy und Karin Bergmann. Er musste die beiden Personen finden und ihnen ein Angebot machen. Dazu musste er so schnell wie möglich seinen Bruder Ahmed kontaktieren. Der war in diesem Fall genau der Richtige für den Job, denn er selbst hatte dafür keine