und Ihr Geheimnis ausplaudern. Ich finde, fünfundzwanzig Prozent für jeden klingt mehr als fair. Betrachten Sie die Sache nüchtern: Entweder, Sie bekommen fünfzig Prozent von einer stattlichen Summe, oder Sie bekommen nichts. Ich denke, Sie sind ein cleverer Mann, Herr Schweighofer. Die Entscheidung liegt auf der Hand.“
„Ich habe bis jetzt noch nichts über den Wert eines Bildes auf dem Schwarzmarkt gehört. Was, denken Sie, bringt zum Beispiel dieses Bild?“
„Das ist ein Bild von Raffael aus dem Jahre 1513/1514. Wir könnten auf dem Schwarzmarkt einen zweistelligen Millionenbetrag dafür bekommen. Was denkst du Karin?“
„Ja, das müsste locker möglich sein. Ich würde den Wert genauer beziffern, ich denke an elf bis zwölf Millionen.“
„Euro?“
„Ja.“
Siegfried konnte sein Glück kaum fassen. Nach der Enttäuschung sah er wieder Licht am Ende des Tunnels, und zwar ein sehr helles, großes Licht.
„Ich biete Ihnen jeweils zwanzig Prozent an. Schlagen Sie ein.“
Karin Bergmann und John McCarthy zögerten anfangs, dann schlugen sie ein.
„Die Bilder müssen hier weg, und zwar so schnell wie möglich. Dass sie in all den Jahrzehnten keinen Schaden genommen haben, grenzt an ein Wunder. Alles muss ab sofort unter idealsten Bedingungen gelagert werden“, entschied John und Karin stimmte zu. Die Bilder in einem heruntergekommenen Keller zu sehen, tat ihr fast weh. „Die Skulpturen, Vasen und den Schmuck nehmen wir ebenfalls mit. Die beiden Goldbarren gehören selbstverständlich Ihnen.“
„Aber wohin mit dem ganzen Zeug?“ Siegfried kratzte sich den Kopf. Seine kleine Wohnung am Rande Kairos war bis unters Dach mit gefälschter Kunst vollgestopft, ebenso die Garage und eine kleine Lagerhalle.
„Am besten, wir bringen alles zu mir nach Hause“, schlug John vor.
„Nein, das ist keine gute Idee“, widersprach Karin. „Was glaubst du, welch hohen Wellen die ersten Verkäufe schlagen werden? Es dauert nicht lange, und die Kunstszene gerät völlig aus den Fugen. Dein Name ist bekannt und das könnte uns verraten. Außerdem hast du ganz sicher nicht die idealen Voraussetzungen für die optimale Lagerung. Wir sprechen von wertvollen Kunstschätzen, die wir nicht in Gefahr bringen dürfen.“
„Was halten Sie davon, wenn ich mich um ein geeignetes Haus kümmere. Mich kennt man in der Kunstszene nicht“, schlug Siegfried vor, der bereits ein Haus im Auge hatte. Schon als kleines Kind hatte er das herrschaftliche Anwesen eines ehemaligen Bankiers bewundert, das seit einigen Monaten zum Kauf angeboten wurde. Mit dem Geld, das er für die beiden Goldbarren bekommen würde, wären die Finanzierung und die Ausstattung des Lagerraumes ein Klacks.
„Das klingt gut. Sie kümmern sich um ein geeignetes Haus und ich werde sofort meine Kontakte informieren. Außerdem müssen die Kunstwerke umgehend verpackt werden.“ John brannte geradezu. Endlich war es so weit, dass auch er ein großes Stück des Kuchens abbekam.
„Ich bleibe hier und überwache das Verpacken der Kunstwerke. Ich werde morgen damit beginnen, meinerseits aktiv zu werden. Wir beide sprechen uns ab, sobald Angebote vorliegen, John.“
„Auf jeden Fall. Wir müssen so viel wie möglich herausschlagen, das ist schließlich in unser aller Interesse.“
„Nur, damit wir uns richtig verstehen“, sagte Siegfried laut. „Ich bin der Chef! Alle Angebote und Verkäufe laufen ausschließlich über mich. Sie vermitteln die Kontakte und ich erledige den Rest. Haben wir uns verstanden?“
John und Karin waren keineswegs damit einverstanden und protestierten. Sie drohten damit, zur Polizei zu gehen und Siegfried anzuzeigen. Die beiden wurden immer lauter und waren sich sicher, den Mann damit unter Druck setzen zu können und ihm ihre Bedingungen zu diktieren. Siegfried hatte die ganze Zeit nur zugehört, dann zog er eine Waffe.
„Ich würde Ihnen beiden raten, mich nicht zu unterschätzen. Es steht außer Frage, dass die Kunstschätze mir gehören. Von rechtlicher Seite nicht, aber ich habe das Haus und alles, was darin ist, geerbt. Wenn ich möchte, kann ich das Haus mitsamt den Kunstschätzen in die Luft jagen und Sie können mich nicht daran hindern. Ich könnte auch ein Stück nach dem anderen verschenken, oder alles den Behörden übergeben. Sie sehen, dass nicht nur Sie ein Druckmittel gegen mich haben. Ich sage ihnen jetzt, wie ich mir die Zusammenarbeit vorstelle. Sie beide vermitteln die Kontakte, nennen mir den Schätzpreis auf dem Schwarzmarkt und ich übernehme den Rest. Ich lagere die Kunstschätze unter idealen Bedingungen ein und kümmere mich darum, dass sie beschützt werden. Dafür habe ich drei Mitarbeiter, auf die ich mich hundertprozentig verlassen kann. Darüber hinaus führe ich die Verkaufsverhandlungen und sorge dafür, dass jedes Kunststück sicher beim Käufer ankommt. Sobald ein Verkauf über die Bühne gegangen ist, bekommen Sie Ihren Anteil von jeweils zwanzig Prozent. Ich finde, dass Sie damit sehr gut leben können und dass das ein großzügiges Angebot ist, zumal die Hauptarbeit in meiner Hand liegt. Was meinen Sie? Entweder, es läuft so, wie ich es sage, oder die Sache ist gestorben.“ Siegfried hoffte darauf, dass die beiden zustimmten, denn ohne sie war er aufgeschmissen. Er pokerte hoch. Ob die beiden darauf eingingen?
„Einverstanden“, sagte John und reichte Siegfried die Hand.
„Ich auch“, sagte Karin enttäuscht, auch wenn sie viel Geld für wenig Arbeit bekam. Sie hatte darauf gehofft, dass ihr eintöniges Leben endlich aufregend werden würde, aber das war nach der Ansage offenbar nicht mehr der Fall.
Das Haus in der Innenstadt Kairos war bereits nach zwei Tagen bezugsfertig und der Umzug konnte stattfinden. Siegfried hatte das Gold einschmelzen lassen und es bereits verkauft. Damit hatte er ein üppiges Startkapital, mit dem alles sehr viel leichter und auch viel schneller ging. Siegfrieds Mitarbeiter Essam, Moustafa und Malcolm bewachten die Kunstwerke. Die drei hatten zwar keinen blassen Schimmer von Kunst, verstanden aber Siegfrieds Anweisung, ganz besonders sorgfältig mit den Stücken umzugehen und auf sie aufzupassen. Nichts und niemand würde sich daran zu schaffen machen, dafür garantierte jeder einzelne.
Die ersten Kontakte waren schnell geknüpft. Nicht alle sprangen auf die Beutekunst an, vielen war das Eisen zu heiß. Trotzdem rissen sich immer noch genug darum und boten sich gegenseitig hoch. Der Schmuck verkaufte sich sehr gut. Es gab darunter einen Siegelring, den Siegfried behalten wollte. Die üppigsten Stücke mit wertvollen Edelsteinen, wie Karin behauptete, warteten in einer Schatulle auf Interessenten. Zwei Bilder und vier Skulpturen waren ebenfalls bereits verkauft, die erzielten Beträge waren mehr als zufriedenstellend. Dann interessierte sich ein Herr Maier aus Deutschland für den van Gogh Maler auf der Strasse zu Tarascon aus dem Jahre 1888 und bot sagenhafte vierzehn Millionen Euro dafür. Siegfried hatte ihn auf sechzehn hochhandeln können – der Verkauf war perfekt. Alles lief prima, wenn nur nicht diese neugierige Frau aus Deutschland wie aus dem Nichts aufgetaucht wäre. John hatte sie im Lager entdeckt, als sie gerade dabei war, Fotos zu machen. Nach Johns Beschreibung musste es sich um die neugierige, penetrante Journalistin handeln, die sich bezüglich gefälschter ägyptischer Kunst nur zwei Tage vorher an ihn gewandt hatte. Er hatte die Frau abwimmeln können – und dann hatte sie die Raubkunst entdeckt, nachdem sie einfach ins Haus eingebrochen war. John war ihr sofort gefolgt, aber sie konnte durch ein unbewachtes Fenster im Erdgeschoss entwischen. Alle hatten sich angeschrien und sich gegenseitig die Schuld zugeschoben. Dass Siegfried seine Leute ordentlich zusammengestaucht hatte, war selbstverständlich. Aber was geschehen war, konnte er nicht mehr rückgängig machen. Dass die Frau beseitigt werden musste, stand außer Frage. Sie war ein Sicherheitsrisiko, das sie sich nicht leisten konnten.
John McCarthy wollte sich des Problems persönlich annehmen und überzeugte den Boss, ihm das zu übertragen. Zähneknirschend willigte Siegfried ein. Ob John der Richtige für den Job war? Der zarte, intellektuelle Mann sollte versuchen, eine Frau zu stellen und sie notfalls zu beseitigen? Das traute er ihm nicht zu. John gab sich kämpferisch und mutig, aber das war er beileibe nicht. Er war ein Feingeist und aß niemals mit den Fingern. Auch kannte er jedes musikalische Stück, das er ihm vorspielte. John und ein harter Mann? Niemals! Aber John gab nicht auf. Er versuchte, den Boss mit überzeugenden Argumenten weichzuklopfen.