Irene Dorfner

Dreckiges Erbe


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an und gab ihm die Informationen. Dann wartete er; auf den Rückruf und auf neue Fahrgäste.

      Als sein Bruder sich meldete, lächelte Sharif zufrieden.

      „Ich habe Karin Bergmann ausfindig machen können. Die Information hat sich gelohnt, großer Bruder. Ich bringe dir morgen deinen Anteil.“

      „Wie viel ist es?“

      „Ich musste nicht lange verhandeln. Die Frau hat mir sofort zwanzigtausend Pfund angeboten, ich habe sie auf dreißigtausend bringen können.“

      „Das hast du sehr gut gemacht! Ich bin stolz auf dich, kleiner Bruder.“ Sharif war zufrieden. Der heutige Tag hatte sich richtig gelohnt.

      Karin Bergmann war überrascht, als sich ein Einheimischer telefonisch bei ihr meldete, der seinen Namen nicht nannte. Sie brauchte nicht lange, um zu verstehen, welche brisanten Informationen er für sie hatte. Die Journalistin befand sich also in El-Gouna. Wie kam sie bis dahin? Das war jetzt nicht wichtig. Die Frau, die die Fotos gemacht hatte, war endlich gefunden worden. Sie rief John an und gab ihm die Information sofort durch.

      3.

      „Ich bin es.“ Mehr sagte der Mann nicht, der sich als Adolf Maier ausgab. Ob das sein richtiger Name war?

      „Schön, dass Sie sich melden.“

      „Ich habe Ihnen für den van Gogh ein Angebot gemacht. Wie sieht es aus? Bekomme ich das Bild endlich?“

      „Wenn Sie noch eine Schippe drauflegen, sieht es sehr gut für Sie aus. Sie müssen wissen, dass noch ein weiterer Bieter im Rennen ist. Allerdings ist er Franzose und ich mag die Franzosen nicht. Ich würde sehr viel lieber an einen Deutschen verkaufen, in das Land meiner Vorfahren.“

      „Sie sind ein Halsabschneider, wie er im Buche steht. Gut, ich lege noch fünfzigtausend drauf, aber dann ist endgültig Schluss. Bekomme ich jetzt endlich den Zuschlag?“

      „Wir wollen doch fair bleiben, Herr Maier. Ich muss dem Franzosen zumindest die Chance geben, dass er sein Angebot verbessert. Patriotismus hin oder her; in erster Linie bin ich Geschäftsmann.“

      „Sie sind kein Geschäftsmann, Sie sind ein Halunke. Sie sind gierig und machen Versprechungen, an die Sie sich dann doch nicht halten. Vorhin sagten Sie noch, dass ich das Bild bekomme, wenn ich mein Angebot erhöhe. Mehr als fünfzigtausend sind nicht mehr drin, mein Limit ist erreicht.“ Der Mann schnaubte vor Wut. Diese Verhandlung zog sich seit Wochen hin. Obwohl er die Summe beinahe täglich erhöhte, bekam er den Zuschlag immer noch nicht. Es war an der Zeit, endlich andere Seiten aufzuziehen. „Hören Sie mir gut zu, Schweighofer. Ich weiß sehr gut, wer Sie sind und woher die Kunstwerke stammen. Ihr Onkel war einer der engsten Mitarbeiter von Ernst Kaltenbrunner. Ich brauche Ihnen nicht erklären, welche Rolle Kaltenbrunner im Dritten Reich gespielt hat?“

      Siegfried Schweighofer stöhnte auf. Damit, dass der Interessent so tief graben und die Wahrheit herausfinden würde, hätte er niemals gerechnet.

      „Sie schweigen? Also wissen Sie es. Die Kunstwerke, die Sie anbieten, stammen aus dem Nachlass Ihres Onkels, der hochbetagt und von den deutschen Behörden völlig unbehelligt vor fünf Monaten in Kairo verstarb, wo er seit 1947 lebte. Bei den Kunstwerken handelt es sich um Raubkunst, die auf dem freien Markt nicht angeboten werden kann. Ich möchte Sie daher bitten, mit Ihren Spielchen endlich aufzuhören.“

      „Es stimmt alles, was Sie sagen. Und trotzdem wollen Sie das Bild unter allen Umständen haben.“

      „Allerdings. Und weil Sie das wissen, treiben Sie den Preis immer weiter nach oben. Ich möchte das Bild haben und meine persönliche Schmerzgrenze ist nun erreicht. Sollten Sie mir das Bild nicht übergeben, sehe ich mich gezwungen, die Behörden einzuschalten. Wenn ich das Bild nicht bekommen kann, wird es kein anderer kaufen können. Und Sie verlieren sehr viel Geld. Überlegen Sie, wie Sie sich entscheiden, Schweighofer.“

      „Sie bluffen, Maier. Welche Informationen wollen Sie den Behörden geben? Außer dieser Telefonnummer und meinem Namen haben Sie nichts.“

      „Unterschätzen Sie mich nicht. Ich weiß, dass Sie in Kairo leben. Es ist für mich eine Kleinigkeit, Ihre Adresse rauszufinden, was mich eigentlich herzlich wenig interessiert. Ich möchte nur das Bild, mehr nicht.“

      „Schon gut, Sie bekommen den van Gogh. Ich werde Ihnen das Bild wie vereinbart übergeben. Wohin soll ich es bringen?“

      „Na also! Ich wusste, dass wir uns schlussendlich doch einig werden. Den Übergabeort werde ich Ihnen spätestens in zwei Tagen mitteilen.“

      „Wie Sie wollen. Heute ist Mittwoch. Ich könnte Ihnen das Bild am Sonntag übergeben. Es versteht sich von selbst, dass ich das Geld in bar entgegennehme.“

      „Sonntag wäre hervorragend. Die Summe bekommen Sie in bar überreicht, Sie können sich darauf verlassen.“

      „Ich erwarte Ihre Anweisungen für die Übergabe.“

      „Sie werden verstehen, dass ich Ihnen nicht vertraue, deshalb werde ich einen Gutachter mitbringen, der das Bild umgehend prüfen wird. Sobald er grünes Licht gibt, bekommen Sie Ihr Geld.“

      „Einverstanden.“

      Adolf Maier lehnte sich zurück und lächelte.

      „Hat er angebissen?“

      „Ja.“

      „Endlich.“

      „Lass uns einen geeigneten Ort für die Übergabe finden. Alles muss perfekt laufen, wir dürfen uns keinen Fehler leisten.“

      Siegfried Schweighofer schenkte sich einen Wodka ein. Er hatte für das Bild mehr bekommen, als er ursprünglich dafür haben wollte. Kunst war nicht sein Metier. Gefälschte Kunst ja, da konnte er sich preislich an adäquaten Objekten orientieren. Aber bei Kunst großer Meister aus den vergangenen Jahrhunderten musste er passen. Er hatte zwei Experten an seiner Seite, die ihm gerade zu Beginn der Zusammenarbeit diesbezüglich eine große Hilfe waren. Inzwischen hielt er sich nur vage an die Vorgaben von John und Karin. Er machte seine eigenen Preise und stieg hoch ein, was ihm bei dem van Gogh entgegenkam. Ja, er hatte hoch gepokert und einen vermeintlichen Mitbieter erwähnt, den es nicht gab. Dieser Maier war geradezu vernarrt in den van Gogh. Aber dessen Schmerzgrenze war erreicht und der Deal konnte über die Bühne gehen. Am Sonntag war er um einige Millionen reicher. Was für ein herrliches Gefühl, das leider nicht nur durch das plötzliche Auftreten dieser deutschen Journalistin getrübt wurde. Was Schweighofer zusätzliche Kopfschmerzen bereitete, war die Tatsache, dass Maier über die dunkle Geschichte seines Onkels Bescheid wusste. Sein Onkel Friedrich war ein schwieriger Charakter, der Zeit seines Lebens Nationalsozialist geblieben war. 1946 floh Friedrich Schweighofer gemeinsam mit seiner Schwester und seiner Mutter zunächst nach Tunesien, danach ging es nach Kairo. Dort wurde er selbst 1955 geboren. Seine Mutter verstarb früh, er konnte sich nicht mehr an sie erinnern. Wer sein Vater war, blieb immer ein Geheimnis, auch wenn er noch so sehr bohrte und Fragen nach seinem leiblichen Vater stellte. Er wuchs bei der Großmutter auf, die stets darauf achtete, dass er eine deutsche Schule besuchte und nur Umgang mit Deutschen pflegte. In diesem Punkt waren sich der Onkel und die Großmutter einig. Aber das umging er, indem er sich selbst Freunde suchte, von denen beide nichts ahnten. Siegfried schenkte sich einen weiteren Wodka ein, schließlich gab es etwas zu feiern. Während er trank, hatte er das Bild seines Onkels vor sich. Groß, stattlich und stets korrekt, wenn es um seine Prinzipien ging. Was für ein verbohrter Trottel! Siegfried konnte sich noch sehr gut an die vielen Diskussionen mit seinem Onkel Friedrich erinnern, die er vor allem im Teenageralter mit ihm geführt hatte und die oft sehr heftig verliefen. Er konnte das braune Gedankengut, das bei seinem Onkel stark ausgeprägt war, sowie die Verherrlichung des Dritten Reiches nicht nachvollziehen. Mit Anfang zwanzig brach er mit seinem Onkel. Bei der Beerdigung der Großmutter sahen sie sich nach vielen Jahren wieder. Siegfried hatte gehofft, dass sich sein Onkel geändert hätte, aber stattdessen war er noch fanatischer geworden. Vor fünf Monaten verstarb sein Onkel im hohen Alter von achtundneunzig Jahren. Der alte Zausel war sehr zäh gewesen und hatte