Denise Remisberger

Ein beabsichtigter Mord mit unbeabsichtigten Folgen


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sie erblickte, war ein Paar lächelnde Augen, welche in ihren ein ganz eigenes Echo auslösten. Sie setzte sich wieder hin, da sie diese grosse Person für ungefährlich hielt.

      «Sind Sie der Förster?», wollte sie streng wissen.

      «Oh nein», antwortete er charmant, «ich bin der Räuber».

      «Aha. Bitte», lud sie ihn mit einer auffordernden Geste zum Sitzen ein. Sein langer schwarzer Ledermantel schwang ihm leicht um die langen Beine, als er sich glücklich niederliess.

      Pendragona schaute immer noch missmutig, als er den Wein einschenkte und ihr ein Glas reichte. Sie schnupperte misstrauisch daran und nippte dann kurz.

      Während sie ihn beobachtete, wie er da mit grossen, im Feuerschein schillernden Augen über sein Glas hinweg himmelte, eine grosse Hand in seinen borstigen Wollknäueln von Haaren, fragte sie zweifelnd: «Räuber? Was rauben Sie denn so?»

      «Ach, ich raube dem Land die Rechtsextremen.»

      «Will heissen?»

      «Na ja, ich lauere ihnen auf, den Jungen in ihren Bomberjacken und den Alten mit ihren Jagdgewehren, brate ihnen eins über und rolle sie einen Abhang hinunter.

      Damit es so aussieht, als wäre ihnen ein grosser Brocken Stein auf den Kopf gefallen, rolle ich noch etliche davon hinterher.»

      «Aha.» Er wurde ihr immer sympathischer.

      «Wie heissen Sie?», fragte er sanft.

      «Pendragona. Und Sie?»

      «Nennen Sie mich Donostia, das ist der baskische Name für San Sebastián, ein Städtchen mit Kampfgeist.»

      «Wo hatten Sie sich eigentlich vorher versteckt?»

      «Na, in der anschliessenden Höhle hinter diesem Vorsprung dort. Übrigens nett eingerichtet», winkte er mit einem ganzen Gartenzaun.

      Die leichte Wellenbewegung, die von ihrem Becken in ihre Füsse strömte, nahm er mit einem glitzernden Blick zur Kenntnis.

      «Darf ich Sie einladen, dorthin?»

      «Ja.» Sie bemühte sich, neutral und gelassen zu tönen, hatte aber ihre Mühe dabei.

      Sie löschten das Feuer, schlüpften durch eine schmale Öffnung im Felsen, und Donostia verankerte eine von Eisenscharnieren gehaltene und mit Gummi eingefasste Steinplatte so im Fels, dass die Enden dicht anschlossen.

      Das Erste, was ihr auffiel, war ein Knüppel, aus Holz gefertigt, mit einem Griff aus Metall, der seltsam weit aus dem Holz herausragte. Als sie näher trat, sah sie, dass das Metall nicht alleine den Griff ausmachte, sondern eine momentan aus dem Holz herausgezogene Eisenstange war.

      «Handlich», meinte sie trocken.

      «Eigenkonstruktion», betonte er überflüssigerweise.

      In einer Ecke stand ein Kohlebecken auf einem Dreibein aus Messing, welches angenehme Wärme verbreitete.

      Auf dem Boden lagen farbenfrohe Wollteppiche und an den Wänden hingen gemusterte Tücher. Ein Gestell mit Schubladen, ein Tisch mit einem Stuhl und ein Bettrost, alles aus hellem Holz, sowie eine dicke Matratze auf dem Rost schmückten die Höhle.

      Hinter einem neuerlichen Vorsprung plätscherte Wasser über eine Felskante, welches in einer Spalte gegenüber verschwand. Neben dem Wasserfall stand eine bestückte Seifenschale und ein Shampoo, neben dem Abfluss ein Desinfektionsmittel und eine WC-Bürste. Dort war dann wohl kauern angesagt, so wie in manchen Autobahnklos.

      Auf Bodenhöhe befand sich eine Öffnung im Gestein, die von Menschenhand gemacht schien. Auf alle Fälle liess sie Sauerstoff und ein bisschen Licht herein.

      Pendragona drehte sich beeindruckt um die eigene Achse, während Donostia verlegen auf den Boden schaute.

      «Wollen wir uns setzen?», schlug er vor.

      Sie setzten sich aufs Bett und tranken mehr Wein, während Pendragonas Kribbeln sogar im Kerzenschein sichtbar wurde. Donostia sass auf dem Bett und rührte keinen Finger, schaute nur, wartete.

      Ihre Finger zuckten und strichen schliesslich sanft über seine Lippen, gleiteten in seinen Mund und liessen sich von seiner Zunge liebkosen. Er nahm ihre Hand in seine und küsste ihren Mund, wobei er ihren Hals mit der anderen Hand streichelte.

      Die Kleider landeten eins nach dem anderen auf dem Boden, Haut wurde mit dem Mund erforscht, mit den Fingerkuppen erspürt, Worte ins Ohr geflüstert. In einem Sternenmeer badend verschmolzen Körper und Seelen, als ob sie sich wiedererkannt hätten, nach einer langen Reise der Einsamkeit.

      «Ich muss gehen», sprach Pendragona leise in die Decken und machte Anstalten aufzustehen. Ihre Uhr zeigte sieben Uhr, vermutlich morgens.

      «Die Gondelbahn fährt heute aber nicht», tönte es versuchsweise zurück.

      «Ich komme ja wieder, mein Süsser», lachte sie.

      «Ach so, na gut, eigentlich fährt die Gondelbahn heute doch.»

      Pendragona löste sich aus dem festen Griff Donostias, zog sich an, nötigte ihn, ihr die Felsentüre zu öffnen, was er äusserst widerwillig tat, und gab ihm einen langen Abschiedskuss.

      «Ich könnte mich aufs Entführen verlegen», kam es rau von Donostia.

      «Und wer erlöst uns dann von den Rechten?»

      «Na gut, ich könnte beides machen.»

      «Überfordere dich nicht.»

      «O.K. Wann kommst du wieder?»

      «Wenn der Mond wieder so steht wie jetzt.»

      «So lange noch.»

      «Du hast ja Arbeit.»

      «Vielleicht», tönte es unlustig.

      Sie gab ihm noch einen langen Kuss und hüpfte dann endgültig davon.

      Zuhause angekommen, liess sie sich ein heisses schaumiges Bad einlaufen und schwelgte dann darin, bis sie fast einschlief. Dann kochte sie sich Gemüse-Spaghetti und ging früh zu Bett.

      5

      Am nächsten Morgen machte sie sich daran, ihre Kunstausstellung, welche am Mittwoch der folgenden Woche Vernissage hatte, vorzubereiten. Sie wählte die auszustellenden Bilder nach Gruppenzugehörigkeit aus, auch wenn nicht alle Gruppen vollständig waren. Von den vier Elementen hatte sie das Wasser bereits verkauft. Die Aszendenten hingegen gab es noch alle. Auch die Tarotkarten waren unvollständig, aber sie wollte sie trotzdem ausstellen.

      Ihre Bilder zeichneten sich durch Intensität und Mystik aus, ein seltenes Gemisch. Das Gästebuch wollte sie ebenfalls mitnehmen, denn es bereitete ihr Freude, zu einem jeweils späteren Zeitpunkt darin nachzulesen, was die Gäste an ihrer Malerei berührt hatte.

      Da die Sonne einladend zum Fenster hereinschien und ihr einflüsterte, sie auch zu geniessen, denn bald würde es wieder regnen und kalt sein, entschloss sie sich, einen Spaziergang am See zu unternehmen, ohne sich noch für zusätzliche Erledigungen verpflichten zu lassen, wie etwa, den halben Body-Shop leer zu kaufen oder so.

      Zu heiss für einen Versuch auf dem Fahrrad, setzte sie sich ins Tram und wählte einen Schattenplatz.

      Am Bellevue stieg sie aus und spazierte los, Richtung Zürichhorn. Gemächlich schlendernd spürte sie die Sonne auf der Haut, liess den Blick über die funkelnden Lichtreflexe auf dem Wasser wandern und stutzte plötzlich, als sie hinter einem Baum ein Stück khakifarbener Hose sah und dazu unpassend gewisse italienische feine Lederschuhe.

      «Besass der gute Junge nur das eine Tenue?», fragte sie sich konsterniert.

      Als sie vorbeilief, verschwanden Hose sowie Schuh auf die andere Seite des Baumes, um gleich darauf unauffällig-auffällig, ausgefüllt mit dem Kommissar persönlich, hinter Pendragona herzuschleichen.

      Sie warf die