Denise Remisberger

Ein beabsichtigter Mord mit unbeabsichtigten Folgen


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Gesichtsausdruck vorstellte und schon fast wieder kichern musste. Sie hielt auf einen Baum zu, drehte sich dann um und schaute ihm provozierend in die Augen, während sie sich genüsslich an den Baum drückte. Sie liess ihren Blick auf die unmögliche Militärhose fallen und gewahrte zu ihrem stillen Vergnügen seine ausgeprägte Wonne.

      Sie hätte ihm am liebsten ein Bein auf die Brust gelegt und sich von ihm vernaschen lassen, doch war er für eine heisse Nummer mitten auf dem Gehweg am hellichten Nachmittag bei regem Spazierbetrieb natürlich nicht zu haben. Er steuerte nur bis auf eine Nasenlänge an sie heran und starrte ihr auf den Mund. Obwohl er sie nicht berührte, durchfuhr sie ein für ihn sichtbarer Orgasmus, wobei sich ihr Mund mit einem leisen Laut öffnete, was ihn dazu veranlasste, wie ein Sieger zu lächeln. Dann war er verschwunden.

      Pendragona setzte sich auf den nächsten Stein, um wenigstens ihre Unterhose wieder trocken zu kriegen. Ihre Verwirrung war nicht so leicht zu bewältigen. Was beabsichtigte dieser elende Polizist eigentlich? Wollte er sie dazu bringen, ihn so sehr zu wollen, dass er sie nur zu berühren brauchte, um ein Geständnis aus ihr hervorzulocken?

      6

      Um auf ablenkende Gedanken zu kommen, rief Pendragona am übernächsten Abend Susanne an, um sie für einen Ausgang ins XTra zu animieren. Dazu brauchte es nicht viel, denn Susanne war verheiratet, und das mit Kind, sodass sie jede sich ihr bietende Gelegenheit zur Flucht wahrnahm und nutzte.

      Sie fanden sich schon um 21.00 Uhr ein und setzten sich, mit Ginger Ale und Orangensaft bewaffnet, an eins der Tischchen, die zwischen Bar und Tanzfläche montiert waren. Sie beobachteten die Hereinströmenden, erkannten trotz dem spärlichen Licht einen gemeinsamen Bekannten, Gerold, begrüssten ihn, bestaunten seinen langen geschlitzten Rock über den grobmaschigen Netzstrümpfen und liessen ihn wieder fort, ein paar Runden drehen.

      Dann begaben sie sich auf die Tanzfläche, von der sie zwei volle Stunden nicht mehr herunterkamen, um sich, nach der totalen Verausgabung mit Anne Clark, im Gang auf einem der bequemen Sofas niederzulassen, diesmal bewaffnet mit Cola und Cranberrysaft.

      Gerold setzte sich kurz zu ihnen, um zu erwähnen, dass seine Netzstrümpfe etwas unbequem wären, aber doch nett anzusehen.

      Ein ehemaliger Verehrer Pendragonas begrüsste sie euphorisch, da voll Bier und voll Gras, und schwenkte dabei seine Frisur bedenklich unter Einsturzgefahr hin und her. Seine überlangen rosaroten Dreadlocks waren zu einer Bazillus-Wabe auf seinem Kopf aufgetürmt und drohten, Pendragona direkt und mit voller Wucht ins Gesicht zu knallen.

      «Setz dich oder verschwinde», befahl sie Kemel darum. Er setzte sich und wollte sie sogleich davon überzeugen, die Nacht bis zum nächsten Mittag mit ihm zu verbringen. Sie lehnte ab mit der Begründung, dass sie nicht besonders auf Macker stehe, welche nicht unten liegen könnten, und ob er vielleicht nekrophil sei? Tausche Bakterienkultur gegen Leiche, so in die Richtung. Er hatte etwas dagegen, wenn sich die Frau bewegte oder etwas Fantasie zeigte. Er wollte ein stilles Brett. Vielleicht sollte er sich eine Puppe zulegen.

      Äusserst betrübt zog er wieder ab, um eine Opferbereitere zu finden. Später sahen sie ihn dann alleine nachhause schleichen. Pendragona und Susanne auf jeden Fall amüsierten sich noch eine ganze Weile auf der Tanzfläche und zogen dann leicht wie die Federn heimwärts.

      7

      Mittwoch, um 18.00 Uhr exakt, hockte Pendragona in der Galerie auf einer Fensterbank und starrte auf die offene Türe. Ihr linker Fuss wippte unkontrolliert.

      Die ersten Gäste verwickelten sie sogleich in ein längeres Gespräch, währenddem sie einzelne Bilder kommentieren musste, was ihren Mund solchermassen austrocknete, dass sie sich irgendwann auf die Suche nach einem kühlen Glas Orangensaft machte.

      Sie liess es beinahe wieder fallen, als sie zwei ihr seit Neuestem sehr bekannte Stimmen miteinander plaudern hörte.

      «Was machen Sie denn so beruflich?», fragte die eine.

      «Ach, wissen Sie, ich baue Instrumente. Das eine Konzert auf der 1. Mai-Wiese wurde mit meinen Erzeugnissen vorgetragen», antwortete die andere gemächlich.

      «So, so. Der 1. Mai also», fasste die erstere kurz zusammen.

      Die italienischen Schuhe entfernten sich und wanderten von Bild zu Bild. Als sie um die Ecke gebogen waren, um sich im zweiten Raum umzutun, sprintete Pendragona auf Donostia los und flüsterte ihm leicht panisch ins Ohr: «Hast du deine Keule unterm Mantel? Und warum Instrumentenbauer?»

      Donostia flüsterte zurück: «Zur Keule: die Eisenstange habe ich wieder dorthin gelegt, wo ich sie gefunden habe, nämlich zum Altmetall. Und das Holzstück habe ich verbrannt. Und Instrumentenbauer bin ich wirklich – hauptberuflich.»

      Er tat ein bisschen beleidigt, da sie ihm anscheinend seinen Beruf nicht zutraute – den Hauptberuf.

      Dann fügte er hinzu: «Habe gestern meinen Dreizehnten erledigt, den letzten in der Reihe, habe meine Sachen gepackt und bin jetzt wieder hier. Ab nächsten Montag hat mein Geschäft also wieder geöffnet und ich baue weitere Instrumente. War ja nur zwei Monate weg, Sommerpause, sozusagen. Kannst du jetzt, da wir in der gleichen Stadt wohnen, früher auf Besuch kommen? Morgen Abend, zum Beispiel?»

      «Ich werde dich am Samstagabend beglücken, ist auch noch früh genug. Hast du dann Zeit?»

      «Ja.» Er verzog kurz einen Mundwinkel und lachte dann. «O.K. Samstag also.» Küsste sie und ging.

      Kriminalpolizist Lapiedra stand derweil im Türrahmen, das Gesicht Pendragona zugewandt, und versperrte den Weg zwischen den beiden Ausstellungsräumen, bis er von einem kopfschüttelnden älteren Herrn im seidenen Anzug rüde zur Seite geschubst wurde und noch eins mit der Preisliste übergezogen bekam.

      Herr Kenze war ein Sammler und wollte als Erster seine roten Punkte neben ein paar neue Bilder setzen.

      Diesmal grinste Pendragona wie eine Siegerin.

      8

      Manuel Lapiedra sass am Donnerstagmorgen um 8 Uhr exakt in seinem Büro im Haus der Neugierde und schaute verzückt auf seinen Computerbildschirm.

      «Oh, so eine Radikale», lispelte er vor sich hin.

      Was er sah, waren eigentlich nur ein paar Unterschriftensammelbögen von grün bis rot und retour, fachgerecht für die Schweizer Personenfiche kopiert. (Ja, ja, die wurde in zweiter Auflage fröhlich weitergeführt.)

      Na gut, es waren tausende, aber schliesslich war Pendragona auch schon seit ein paar Jährchen volljährig und durfte also alles unterstützen, was ihr so in die Finger kam. Von den einheimischen Kühen, die auf die ungedüngte Wiese wollten, bis zu den tamilischen Flüchtlingen, die einfach nicht mehr gefoltert werden wollten.

      Kriminalkommissar Lapiedra hatte die «Kleinen Demokraten» in den Nationalrat gewählt. Es hatte so viele Wahlzettel im Angebot gehabt und er war etwas verwirrt gewesen. Von Natur aus war er eigentlich nicht asozial.

      9

      Samstagabend um 20.00 Uhr radelte Pendragona mit ihrem Fahrrad zu der Adresse, welche ihr Donostia auf die Rückseite eines ehemals gültigen Konzertflyers geschrieben hatte, was hiess, dass sie übers Kopfsteinpflaster und auch noch bergaufwärts musste.

      Ziemlich pustend kam sie vor dem urchigen Haus an, das im Parterre den Instrumentenladen und in den zwei Stockwerken darüber die Wohnung beherbergte.

      Pendragona bewältigte langsam die steile Steintreppe, die neben dem Ladenschaufenster zur Wohnungstüre im ersten Stock führte und klingelte.

      Donostia öffnete mit einem breiten Lachen, liess sie ein und zeigte ihr sein Zuhause, das um einiges komfortabler war als seine Höhle in den Bergen.

      Sie kuschelten sich aufs Sofa im Wohnzimmer und hörten Loreena McKennitt