Ханс Фаллада

Der eiserne Gustav


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schon etwas, nun besitzt sie schon viel! Sie wird diesen Schatz nie wieder hergeben! Sie wird stille sein!

      Sie hört den Schritt des Vaters auf dem Gang, seine scheltende, die weinerliche Stimme der Mutter. Rasch steckt sie die Schmucksachen in ein Beutelchen. An einer dünnen, festen Schnur hängt das Beutelchen zwischen ihren Brüsten. Nun dreht sie sich um zur Wand und stellt sich schlafend ...

      Der Vater steht auf der Schwelle des Schlafzimmers, er lauscht. Von je hat er so auf den Schlaf der Kinder gelauscht, er kennt jedes Geräusch, weiß sofort, wenn sie sich verstellen ...

      »Eva!« ruft er scharf. »Du schläfst nicht. – Wo ist Erich?«

      »Ich weiß doch nicht, Vater ...«

      »Doch, du weißt es. Sag mir sofort, wo Erich ist.« Fast bittend: »Sei doch vernünftig, Evchen, ich will ihm doch nichts tun. Ich möchte bloß wissen, wo er ist.«

      »Ich weiß es wirklich nicht, Vater! Ich war doch einholen, als das ganze Theater war. Bestimmt, Vater, ich würde es dir sagen; ich hätte ihn überhaupt nicht rausgelassen!«

      Ja, diese Tochter ist nun des Vaters Meinung: Erich hätte nicht fort gedurft. Aber seltsam, so geäußert ist es dem Vater auch wieder nicht recht.

      »Ich will gar nicht wissen«, sagt er, »was du denkst. Paß morgen auf, ob Erich kommt oder irgendeine Botschaft schickt, und sag mir sofort Bescheid.«

      »Ja, Vater.«

      »Tust du es auch?«

      »Ja doch, Vater!«

      »Gut.«

       Hackendahl wendet sich, will schon gehen, da erst wird ihm klar, daß das zweite Bett in diesem Zimmer unbesetzt ist. Er fragt: »Sophie hat schon wieder Nachtdienst?«

      »Sophie? Ja, hat dir denn Mutter nicht gesagt, daß Sophie auch weg ist?!«

      »Was heißt weg?!«

      »Na, zu ihren frommen Schwestern doch! Sie ist doch heute mittag für ganz ins Krankenhaus gezogen! Mit Sack und Pack. Wir sind ihr ja wohl nicht fromm genug. Wir streiten uns zuviel, hat sie gesagt!«

      »So!« antwortet der Vater bloß. »So! – Na, gute Nacht, Evchen.«

      Langsam zieht er die Tür zu, lange steht er auf dem Gang. Schlag auf Schlag, immer schlimmer, zwei Kinder an einem Tage verloren: Und auch Sophie hat mir nicht adieu gesagt! Was habe ich ihnen denn getan, daß sie mich so behandeln?! Nun gut, ich bin streng gewesen, ein Vater muß streng sein! Ich bin vielleicht noch nicht streng genug gewesen! Jetzt sehe ich erst, wie weich sie sind, wie sie gleich ausreißen, wenn es schwierig wird! Die hätten Soldaten sein müssen! Die Zähne zusammen, nicht mit der Wimper gezuckt – und durch!

      Er steht da, lange, lange, seine Gedanken gehen hin und her, anklagend, grollend, zornig. Aber so viel er auch bedenkt, er wird nicht weich, er gibt nicht nach! Sie haben ihm schwere Wunden geschlagen, aber er klagt nicht wegen der Wunden, er klagt, daß Kinder eines Vaters Feinde sein können, ihn aus dem Hinterhalte schlagen.

      Nein, er gibt nicht nach, der eiserne Gustav strafft den Rücken, er setzt den gewohnten, abendlichen Rundgang fort. Er verkriecht sich nicht in Bett und Wehleid, er geht in das Schlafzimmer der Söhne.

      Der Schritt hallt, fahl leuchten die Betten – von dreien sind hier zwei unbesetzt ...

      »Guten Abend, Vater«, sagt Heinz.

      »Guten Abend, Bubi. Schläfst du noch nicht? Es ist schon längst Schlafenszeit.«

       »Ich werd schon noch einschlafen, Vater. Du läufst ja auch noch rum und stehst drei Stunden früher auf als ich.«

      »Ein alter Mann braucht wenig Schlaf, Bubi.«

      »Du bist doch noch kein alter Mann, Vater!«

      »Doch!«

      »Bestimmt nicht.«

      »Doch!«

      »Nein.«

      Der Vater geht durch das Zimmer, er setzt sich im Halbdunkel auf des Jungen Bett, er fragt ganz kameradschaftlich, gar nicht väterlich: »Hast du 'ne Ahnung, Bubi, wo der Erich hin ist?«

      »Keine Ahnung, Vater. Du machst dir wohl Sorgen?«

      »Ja; die hier bei uns wissen auch nicht, wohin er ist?«

      »Glaub ich nicht. Aber ich kann ja morgen mal in der Penne horchen. Vielleicht weiß einer von seinen Freunden was.«

      »Das tu, Bubi.«

      »Das tu ich, Vater.«

      »Und du könntest mal zum Herrn Direktor gehen. Ich hatte ihm versprochen, den Erich morgen wieder zur Schule zu schicken. Daraus wird ja nun nichts. Du mußt ihm das erklären ...«

      »Ach, Vater ...«

      »Was?«

      »Ich möchte morgen lieber nicht zum Direx gehen ...«

      »Warum denn nicht? Du sollst doch nicht Direx sagen!«

      »Och – vielleicht hat er 'ne Pieke auf mich. Wir haben uns nämlich heute ein bißchen gekloppt, einer aus meiner Klasse und ich, und Kunze hat uns aufgeschrieben und sagt, er meldet uns dem Direx – dem Direktor.«

      »Warum habt ihr euch denn gekloppt?«

      »Ach, nur so. Der hat immer so 'ne Schandschnauze, da muß er mal was draufkriegen.«

      »Und hat er was draufgekriegt?«

      »Aber feste, Vater! Aber nach Noten! Zum Schluß hat er nur noch nach Luft geschnappt und immerzu Pax geschrien.«

       »Was heißt denn Pax?«

      »Ach, Pax heißt Friede. Das schreit man, wenn man zu Kreuze kriecht.«

      »So – na, Bubi, deswegen kannst du dem Direktor ruhig meine Bestellung ausrichten. Der Herr Direktor und ich haben nämlich aus dem Fenster gesehen, wie ihr euch gekloppt habt.«

      »Au fein! Ich hatte schon 'nen Bammel, eine Vier im Betragen wäre kummervoll.«

      Einen Augenblick ist Stille. Der Vater ist ganz ruhig und friedlich geworden bei diesem Sohn.

      »Na, also schön, Bubi, vergiß das nicht. Und schlaf auch gut!«

      »Schlaf du auch gut, Vater. Wegen Erich mach dir bloß keine Gedanken. Der ist schlauer als du und ich und der Direktor zusammen – der Erich kommt immer durch.«

      »Gute Nacht, Bubi.«

      »Gute Nacht, Vater.«

      Ein Krieg bricht aus

      1

      Es ist der 31. Juli 1914.

      Dicht gedrängt bis tief in den Lustgarten hinein steht seit dem frühen Morgen die Menge am Kaiserlichen Schloß, über dem die gelbe Kaiserstandarte weht, das Zeichen für die Anwesenheit des obersten Kriegsherrn. Unaufhörlich fluten die Menschen ab und zu; sie warten eine Stunde oder zwei, dann gehen sie wieder an ihre täglichen Verrichtungen, die doch nur eilig, nur obenhin erledigt werden, denn auf jedem lastet die Frage: wird Krieg?

      Vor drei Tagen hat das verbündete Österreich Serbien den Krieg erklärt – was wird nun geschehen? Wird die Welt ruhig bleiben? Ach, ein Krieg unten auf dem Balkan, ein Riesenreich gegen das kleine Serbenvolk – was kann das schon viel bedeuten? Aber sie sagen ja, Rußland macht mobil, der Franzose rührt sich – und was wird England tun?

      Die Luft ist heiß, es wird immer schwüler. Es saust und braust in der Menge. Am Vormittag soll der Kaiser vom Schloß herab gesprochen haben – aber noch lebt Deutschland mit aller Welt in Frieden. Es gärt und braust – ein Monat ist vergangen mit Ungewißheit, mit Hin und Her, unverständlichen Verhandlungen, mit Drohungen