Nina Hutzfeldt

Die Seelen der Indianer


Скачать книгу

gut versteckt.

      »Kannst du Rachel ausrichten, dass ich hier war?«

      »Das mache ich, auf Wiedersehen.« Dann verschwand er vom Fenster und Sadie entfernte sich wieder von der Farm.

      Beauty fiel in einen leichten Trab und glitt in einen mittleren Galopp. Dabei schloss Sadie für eine kurze Zeit die Augen und genoss die Wärme der aufgehenden Sonne auf ihren Lidern.

      Es hatte seit Wochen nicht geregnet, der Boden war besonders hart und die Pflanzen lechzten nach Wasser. Sadie hörte einen durstigen Bären auf der Suche nach einer Wasserstelle und sah einen Adler auf der Jagd nach seiner Beute.

      Doch plötzlich übernahm Beauty die Kontrolle. Er wurde schneller und jeder Hufschlag donnerte auf dem harten Boden. Äste von verlorenen, verwaisten Bäumen in der Prärie peitschten Sadie ins Gesicht. Panisch klammerte sie sich an seine Mähne fest. Bloß nicht herunterfallen, bloß nicht herunterfallen, betete sie.

      Doch Sadie fiel und blieb mit dem Fuß im Steigbügel hängen.

      Bevor er sich beruhigte, schleifte er Sadie eine viertel Meile hinter sich her.

      Hinter einer großen Biegung blieb Beauty stehen. Sadie traten Tränen in die Augen. Als sie versuchte, sich aufzurichten, übermannte sie ein Schmerz, so heftig wie ein Messerstich. Ihre Augenlider fühlten sich schwer wie Blei an und trieben sie in die Bewusstlosigkeit.

      »Wo bin ich?«, murmelte Sadie, als sie aufwachte. Sie blinzelte ein paar Mal, bevor sie ahnte, wo sie sich befand. Sie lag in einem kegelförmigen Zelt und neben ihr loderte ein Feuer in einem Steinkreis. Als sie sich aufrappelte, spürte sie die weichen Büffelfelle, auf denen sie lag. Sadies Kopf schmerzte, als würde ihr jemand von innen einen Stein gegen die Stirn werfen. So legte sie sich schnell wieder hin und erkundete im Liegen das Zelt. Einige Feldtaschen standen herum. Ein Köcher mit Pfeilen stand neben dem Ausgang auf der anderen Seite.

      Sadie hörte Stimmen vorm Zelt, die sich in einer unbekannten Sprache unterhielten. Ihr Körper spannte sich an, das Herz klopfte wie wild in ihrer Brust, als das Büffelleder aufgeschlagen wurde und jemand ins Zelt trat.

      Was mache ich denn jetzt?. Panisch dachte sie nach.

      Mit geschlossenen Augen blieb sie ruhig liegen. Eine Hand legte sich auf ihre Stirn und Sadie lief vor Kälte ein Schauer den Rücken hinab. Wieder redete jemand in der fremden Sprache und Sadie konnte nur ahnen, von wem sie gefangen genommen wurde. Als ihr die Augenlider einzeln hochgezogen wurden, öffnete sie ihre Augen und blickte in das Gesicht eines Indianers.

      Er hatte schwarze Haare, in dem sich graue Strähnen verloren hatten.

      »Hallo«, murmelte Sadie, zitternd vor Angst. Der Indianer nahm ihre Hand und drückte sie ganz fest, während er etwas gebrochenes Englisch sprach. »Du wach. Wie gehen dir?«

      Sadie runzelte die Stirn. »Entschuldige, ich weiß nicht.«

      Der Indianer stand auf und verließ das Zelt.

      Zum Glück hat er mich nicht getötet. Sadies Anspannung verpuffte. Ein Mörder würde sein Opfer doch nicht so liebevoll behandeln.

      Sadie tastete ihre Stirn, als der Mann mit einem jüngeren Indianer zurückkam. Er zog Sadies volle Aufmerksamkeit auf sich. Seine perlweißen Zähne und die muskulösen Oberarme machten ihn sehr attraktiv, doch an den Indianer vom Fluss kam er nicht heran. Sein Gesicht hatte sich in ihr Gedächtnis eingebrannt. Sie könnte ihn unter Hunderten von Indianern wiedererkennen.

      »Guten Tag. Ich bin Black Horse und das ist mein Vater Big Crow. Mein Vater ist der Medizinmann in unserem Dorf. Er fragte, wie es dir geht?«

      »Du sprichst meine Sprache?«

      »Ja.« Black Horse übersetzte seinem Vater. »Mein Vater versucht die Sprache noch zu lernen. Bitte verzeih ihm!«

      »Das ist nicht schlimm.« Sadie setzte sich auf. »Ich habe Kopfschmerzen.« Erneut betastete sie ihre Stirn.

      »Wir haben hier etwas Suppe für dich.« Black Horse nahm eine Schüssel von seinem Vater und reichte sie weiter an Sadie. »Du musst wieder zu Kräften kommen.«

      »Wieso bin ich hier? Habt ihr mich gefangen genommen und warum habe ich überhaupt dieses Kopfweh?« Sadie pustete in ihre Suppe.

      Black Horse übersetzte. Sein Vater lächelte und wies Sadie an, die Suppe zu essen.

      »Wir haben dich in der Prärie hinter einer Wegbiegung bewusstlos gefunden. Du bist vom Pferd gestürzt. Du bist unsere Patientin, nicht unsere Gefangene.« Er schmunzelte.

      »Nein, wirklich?«

      »Ja, zum Glück haben wir dich gefunden. Mein Vater hat dein Bein versorgt.« Er deutete auf Sadies Bein, welches mit Stöcken fixiert war. Als sie das Bein versuchte zu bewegen, zogen sich Schmerzen wie ein Blitz durch ihren Körper. »Aua.«

      »Ja, das braucht noch Zeit, um wieder zu verheilen.«

      »Wie lange denn? Ich muss gleich nach Hause. Meine Eltern suchen mich sicher schon.«

      »Das ist schlecht. Du kannst jetzt nicht von hier weg. Du bist gestürzt. Wir haben schon drei Monde gewartet, bis du aufgewacht bist«, erklärte Black Horse. Big Crow nicke dabei.

      »Das verstehe ich nicht. Was bedeutet drei Monde?« Sadie rappelte sich auf. Ihr Kopf tat zwar höllisch weh, doch musste sie den beiden Männern in die Augen sehen, falls sich ihre Ahnung bestätigte. Lieber Gott im Himmel, geheiligt werde dein Name.

      »Vor drei Tagen.«

      Alles Beten war verloren. Sadie, die Schüssel auf dem Schoß, vergrub das Gesicht in den Händen. »Oh, nein. Bitte nicht«, murmelte sie.

      Black Horse berührte sie vorsichtig an der Schulter. »Tut mir leid, wenn du Ärger bekommst.«

      »Ärger, mein Vater wird mich hängen.« Sadie liefen die ersten Tränen die Wangen hinab. Big Crow tippte seinen Sohn auf die Schulter. Er wollte Antworten.

      »Mein Vater möchte wissen, warum du so in Sorge bist?«

      »Weil mein Vater die Siedlung in einen Ausnahmezustand versetzt, wenn ich verschwunden bin. Er ist gerade auf Heimaturlaub.«

      »Heimaturlaub, ist er ein Soldat?«

      »Ja«, seufzte ich und blickte die beiden Retter an.

      Daraufhin beobachtete Sadie, wie Vater und Sohn sich in aller Ruhe unterhielten.

      Vielleicht beratschlagten sie, was sie mit mir machen sollten. Vielleicht doch töten und essen oder freilassen? Sadie war sich nicht sicher, hoffte aber auf Letzteres.

      »Mein Vater und ich sind uns einig«, sagte Black Horse. Big Crow nickte, als verstünde er doch jedes Wort. Sadie wartete erwartungsvoll.

      »Wir werden dich in die Nähe einer Wohnsiedlung bringen. Wir wollen keinen Ärger mit den Weißen bekommen.«

      »Gut, wann brechen wir auf?« Sadie lächelte.

      »Vater meint, wir sollten bis morgen warten. Du warst drei Monde nicht bei Bewusstsein. Das ist zu gefährlich.«

      »Wir können aber nicht warten. Mein Vater hat großen Einfluss, wenn er mich hier findet, wird er euch angreifen und euer Dorf zerstören.«

      Daraufhin redete Black Horse wieder mit seinem Vater.

      »Gut, iss deine Suppe auf! Mein Vater wird dir eine neue Schiene anlegen, während ich die Pferde fertigmache.«

      Erst jetzt fiel mir Beauty wieder ein. »Was ist mit meinem Pferd?«

      »Dein Pferd stand einige Schritte entfernt und graste.« Black Horse ging hinaus.

      Mir fiel ein Stein vom Herzen. Beauty war nichts geschehen, dafür hatte ich aber umso stärkere Schmerzen. Big Crow arbeitete mit seinen geschickten Händen, berührte das Bein, strich leicht darüber und murmelte etwas Unverständliches. Danach fixierte er es wieder und stand auf.

      Black Horse kam