Tobias Fischer

Veyron Swift und die Allianz der Verlorenen


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wissen wir schon«, raunte Tom, was ihm einen zornigen Blick von der Seelenkönigin einerseits und ein listiges Lächeln Veyrons andererseits einbrachte. »Unablässig arbeitet der Dunkle Meister an seiner physischen Rückkehr, doch bis heute ist ihm das nicht gelungen«, fuhr er durch Veyrons Geste ermuntert fort.

      »Genau da irrst du dich!«, zischte die Seelenkönigin Tom wütend an, dann wandte sie sich wieder an Veyron. »Der Dunkle Meister ist leibhaftig zurückgekehrt, in einem neuen Körper, und entschlossen, das Dunkle Imperium von Neuem zu errichten. Er ruft seine Schatten zu sich, und alle haben seinem Ruf geantwortet: der Schattenkönig und die anderen. Allein ich habe ihm meine Antwort versagt.«

      Veyron erwiderte darauf nichts, doch Tom glaubte, genau zu wissen, was seinem Paten durch den Kopf ging. Sicher das Gleiche wie ihm: Wie in einem schlechten Mafia-Film, wo das Gangster-Liebchen mit dem Privatdetektiv anbandelt und die unschuldige Jungfrau in Not spielt. Hätte sie vielleicht mal besser nachdenken sollen, bevor sie von Elderwelt hierher gereist ist. Darauf fallen wir nicht herein!

      »Bitte sprecht weiter, Mylady«, sagte Veyron, anstatt der Dämonin eine Abfuhr zu erteilen.

      »Was?«, entfuhr es Tom schockiert. Sowohl Veyron als auch die Seelenkönigin ignorierten ihn.

      »Ich hielt mich lange Zeit versteckt, denn wir Schatten werden von jedermann gehasst und gejagt. Eines Tages wurde ich des Versteckspiels überdrüssig und kehrte in meine einstige Heimat zurück. Seit etwa einhundert Jahren herrsche ich dort inzwischen als Königin. Es ist nur ein kleines Land und unwichtig für die Geschicke Elderwelts, doch es ist mein Land, und ich kann tun und lassen, was ich will. Jeder meiner Untertanen lebt und dient allein nach meinem Willen. Niemals wieder möchte ich mich daher einem größeren Herrn beugen müssen. Deshalb verweigerte ich dem Dunklen Meister den Gehorsam«, erzählte sie – genau, wie sich Tom das schon gedacht hatte.

      Er stieß ein höhnisches Schnauben aus. »Moment mal, Seelenkönigin«, protestierte er. »Wir wissen ganz genau, dass der Dunkle Meister Euch in diesem Fall jederzeit die Kräfte entziehen kann. Es sind nämlich nicht Eure magischen Kräfte, die Ihr benutzt, sondern die seinen. Eure Kräfte sind sozusagen nur die App, die Euch von einem Provider, dem Dunklen Meister, zur Verfügung gestellt wird, um es mal so auszudrücken. Erzählt uns also keine Märchen!«

      Mit einem Fauchen sprang die Seelenkönigin auf. Tom spürte, wie ihn eine unsichtbare Kraft packte und gegen die Wand schleuderte. Die Luft wurde ihm aus den Lungen gepresst, nicht einmal schreien konnte er noch. Im nächsten Moment war die Seelenkönigin vor ihm, ihre metallenen Fingerkrallen an seiner Kehle.

      »Wie kannst du es wagen, so mit mir zu sprechen? Ich bin die Seelenkönigin! Du weißt nichts von mir – aber ich werde es dich lehren!«, herrschte sie ihn an.

      Tom fehlte noch immer der Atem, um darauf etwas zu erwidern. Der finstere Zauber dieser Hexe fesselte ihn an die Wand, ließ ihm keinen Raum, sich zu wehren. Mit einer Mischung aus Wut und Verzweiflung starrte er in die schwarzen Augen seiner Gegnerin. Mordgier stand ihr im Gesicht.

      »Zur Erinnerung: Ihr seid zu uns gekommen, Seelenkönigin, und Ihr bittet uns um Hilfe. Von daher ist es wohl wenig ratsam, Eure potenziellen Helfer zu töten«, hörte er Veyron sagen. In aller Ruhe und Gelassenheit, als wäre der Ausraster dieser Dämonin nichts weiter als eine Showeinlage, lümmelte er mit überschlagenen Beinen seelenruhig in seinem Sessel.

      Die Seelenkönigin atmete tief durch, dann löste sie ihren Zauber, und Tom rutschte hustend zu Boden. Kommentarlos kehrte die weibliche Schatten auf ihren Platz zurück. Tom schnappte gierig nach Luft und rappelte sich mühevoll auf. Seine Knie zitterten. Er befürchtete, jeden Moment wieder zusammenzusacken.

      »Ja, es ist wahr. Ich bin durch meine Zauberkräfte mit dem Dunklen Meister verbunden. Er hat sie mir verliehen und mich zu einer Schatten gemacht. Und tatsächlich kann er diese Verbindung trennen und mir diese Kräfte wieder nehmen. Doch dies gelingt nur, indem er mich tötet«, gestand die Seelenkönigin halblaut. Resignation und Scham hatten die Mordgier auf ihrem blassen Gesicht abgelöst.

      Tom musste kurz durchatmen, weil er nicht wusste, was er darauf sagen sollte. Er konnte ihr ja schlecht beweisen, dass sie log. »Hey! Ihr seid eine Schatten! Wer auf der Welt soll es mit Euch aufnehmen können? Der Dunkle Meister müsste schon selbst Jagd auf Euch machen. Also erzählt uns nichts!«, schimpfte er mit neu gewonnenem Selbstvertrauen und verschränkte die Arme. Sollte sie ihn doch ruhig erneut angreifen. Noch einmal würde sie ihn nicht so leicht überrumpeln.

      Diesmal ließ sich die Seelenkönigin diese neuerliche Unverschämtheit jedoch gefallen. »Wir Schatten sind nicht ganz so unsterblich, wie du vielleicht denkst, Bürschchen. Der Schattenkönig ist der mächtigste von uns und besitzt ganz eigene Zauber, die es Sterblichen schier unmöglich macht, ihn auch nur zu verletzten. Wir anderen sechs sind da schon anfälliger. Durch unsere Verbindung weiß der Dunkle Meister genau, wann und wie ich die Kräfte nutze, die er mir übersendet. Er kann mich an jedem Ort der Welt aufspüren. Für mich gibt es kein Versteck. Selbst wenn ich ihn aus meinen Gedanken auszuschließen vermag, so nimmt er meine Präsenz selbst in der dunkelsten Höhle und dem fernsten Fleck der Erde wahr. Seine Häscher kann er überallhin schicken und mich angreifen. Es gibt auf der ganzen Welt keinen sicheren Ort für mich. Nur in meinem Königreich bin ich geschützt. Seine gedungenen Mörder müssten mein ganzes Volk überwinden, um zu mir zu gelangen«, fuhr sie fort. Nun schwang tatsächlich ein Hauch Verzweiflung in ihrer ansonsten kalten Stimme mit.

      »Dann bleibt doch einfach dort«, blaffte Tom.

      »Um darauf zu warten, dass mich eines Tages seine Armeen belagern und mein Volk dahingemetzelt wird, bis niemand mehr übrig ist, der mich schützen kann? Mich wundert allmählich, warum dich dein Meister als seinen Assistenten duldet«, gab sie bissig zurück.

      »Ihr müsst Toms ablehnende Haltung vergeben, Mylady. In den letzten drei Jahren hat er nur wenig gute Erfahrungen mit den Gefolgsleuten des Dunklen Meisters gemacht. Eines dürfte jedoch bereits feststehen: Wenn selbst eine Armee Euch keinen dauerhaften Schutz bieten kann, so bin ich erst recht nicht dazu imstande«, mischte sich Veyron ein.

      Tom musste lächeln. Endlich sagte sein Patenonkel dieser falschen Schlange, wie die Sache aussah.

      Die Seelenkönigin nickte eifrig. »Diese Tatsache ist mir wohl bewusst, Meister Swift. Doch hat sich nun etwas ergeben, das mir einen dauerhaften Schutz vor dem Dunklen Meister verspricht. Der Orden der Simanui hat sämtliche Könige und Herrscher Elderwelts zu einer Konferenz geladen. Die Rückkehr des Dunklen Meisters und die Machenschaften seiner Heerscharen sind der Anlass. Sicher mögen nicht alle Herrscher diesem Aufruf Folge leisten, doch wenn es gelingt, eine breite Allianz gegen den Dunklen Meister aufzustellen, wäre mein Reich abgesichert. Ich wäre dann von Verbündeten umgeben.«

      Das fand Tom interessant – und zugleich ein wenig unglaubwürdig. Die Simanui waren ein Orden mächtiger Zauberer, die meist im Geheimen operierten. Sie galten in Elderwelt als weise und mächtige Krieger. Und das Wichtigste: Sie waren die Erzfeinde aller Mächte der Finsternis. Niemals würden sich die Simanui mit einer der Sieben Schatten oder sonst einem Anhänger des Dunklen Meisters verbünden. Diese Frau verstrickt sich mehr und mehr in Widersprüche, dachte er mit grimmiger Zufriedenheit. Sie war dabei, sich selbst zu entlarven.

      »Ich verstehe«, sagte Veyron mit geschäftsmäßiger Neutralität. »Es ist in Eurem eigenen Interesse, an dieser Konferenz teilzunehmen. Jedoch müsst Ihr dafür den Schutzkreis Eures Königreichs verlassen und wärt somit angreifbar.«

      »Also, es sind doch sicher ein paar Simanui anwesend. Da traut sich selbst der Dunkle Meister nicht«, konterte Tom wütend. Wollte Veyron denn nicht erkennen, wie diese Frau sie an der Nase herumführte?

      »So ist es, in der Tat. Zumindest zwei Simanui werden auf der Konferenz anzutreffen sein, mehr jedoch nicht. Bedenke zudem dies, Bürschchen: Der Dunkle Meister weiß durch unsere Verbindung genau, wo diese Konferenz stattfindet. Es wird ihm ein Leichtes sein, einen oder mehrere Attentäter in das Gefolge der anderen Herrscher einzuschleusen. Als Koch getarnt oder als Diener, vielleicht als Sklave oder als eine Tänzerin. Sogar als Berater und Wachsoldaten könnten sie