Regan Holdridge

Der Ruf des Kojoten


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ist das auch ganz gut! Sonst müsste ich noch befürchten, in dein Beuteschema zu passen und darauf lege ich nun wirklich gar keinen Wert!“

      Ein leises, tiefes Lachen drang aus seiner Kehle. „Mach’ nicht den Fehler und beurteil’ mich danach, dass hier ständig irgendwelche Reitschülerinnen versuchen, sich an mich ranzuschmeißen!“

      „Ja, natürlich! Ihr armen, armen Männer, die ihr euch nicht mehr retten könnt vor Verehrerinnen, die ihr eigentlich überhaupt nicht wollt und auch gar nicht brauchen könnt in eurem Leben!“

      Wieder lachte er auf seine eigene, ironische Art. „Das habe ich nicht gesagt!“

      „Nicht nötig! Ich konnte dich jetzt lange genug beobachten!“

      Für einen Moment schien ich ihn um eine Antwort verlegen gemacht zu haben, denn er starrte ein paar Sekunden lang nur regungslos zu mir hinauf.

      „Sieh an, sieh an! Ein bisschen widerspenstig da oben, was?“

      „Ich und widerspenstig?!“ Ich stieß einen gespielt empörten Schrei aus. „Der einzige, der sich hier nicht zu benehmen weiß, bist du!“

      „Ich gebe ja zu“, lenkte er sachlich ein, „dass ich manchmal etwas schwierig sein kann, aber das liegt nicht an dir! Das sind halt meine Launen.“

      „Oh, wie bedauerlich! Die Frau, die dich eines Tages als Ehemann ertragen muss, tut mir jetzt schon leid!“

      Er konnte sich ein weiteres, amüsiertes Lachen nicht verkneifen. „Woher willst du beurteilen, dass ich als Ehemann nichts tauge?“

      „Neunzig Prozent aller Männer taugen nicht zum Ehemann, aber die Frauen reden es sich ein, weil sie nicht alleine alt und runzelig werden wollen und dann lassen sie sich von ihnen alles gefallen! Darum ist es besser als Frau allein zu bleiben und unter keinen Umständen jemals zu heiraten!“ Ich machte eine kurze Pause, ehe ich hinzufügte: „Und ja, ich spreche aus leidiger Erfahrung!“

      Während ich redete, hatte er sich mit der Hüfte gegen die Leiter gelehnt und die Arme vor seiner kräftigen Brust verschränkt. Mit einem teils belustigten, teils ungläubigen Ausdruck schaute er mir zu, während ich Gabel für Gabel vom Heuboden hinab beförderte.

      „Ach, komm schon! Die meisten Frauen bleiben ja doch irgendwann bei einem hängen, vor allem die, die zuerst am lautesten schreien!“

      „Keine Sorge! Ich bin aus dem Alter raus, in dem man sich noch darüber Illusionen macht, dass das Leben wie ein Heimatfilm verläuft! Von mir gibt’s keine Kinder, weil ich keine will und ich werde auch nie einen auf brave Ehefrau machen, die daheim hinterm Herd steht!“

      Ein Grinsen zuckte um seine Mundwinkel. „Das sagst du bloß, bis du den richtigen Mann triffst und dann geht alles ganz schnell!“

      „Blödsinn!“, schrie ich, kurz davor, die Geduld zu verlieren. Er schaffte es tatsächlich, mein Temperament zu entzünden. „Ich kann immerhin behaupten, es probiert zu haben! Taugt nichts für mich!“

      „Dann war’s eben nicht der richtige Mann!“

      Ich beugte mich wieder über den Rand des Heubodens und warf ihm einen wütenden Blick zu. „Dito. Dasselbe kann ich ja in deinem Fall nur zurückgeben! Bei dir scheint’s auch des öfteren ein Griff ins Klo gewesen zu sein!“

      Er hob die Hände, als müsste er sich verteidigen. „Schon gut! Bring mich nicht gleich um, aber Verzeihung, wenn ich das so sage – ihr Frauen seid euch alle irgendwie ähnlich. Ihr wollt alle eines Tages eine Familie mit Kindern und einem braven Mann, egal, wie ihr in jungen Jahren unterwegs seid. Die wenigsten ziehen die andere Möglichkeit rigoros durch.“

      „Aha! Und du glaubst, ich wäre auch bloß eine von denen oder wie?!“

      „Um ehrlich zu sein: Ja, das denke ich. Ich glaube nicht, dass du durchhalten wirst, wenn dir ein entsprechender Mann begegnet.“

      „Na, du musst es ja wissen! Du schmeißt die Frauen, die sich so gerne an deiner starken Brust anlehnen möchten, ja gleich hochkant vom Hof!“

      Er zog ein fragendes Gesicht, bevor er begriff. „Ah, verstehe, ja, ich erinnere mich. Was zu viel ist, ist zu viel, du verstehst?“

      „Nein, aber erspar’ mir die Details! Und wenn du die Pferde möglichst bald reinholen willst, solltest du mich jetzt einfach in Ruhe weiterarbeiten lassen!“

      „Ich komm jetzt rauf“, entschied er kurzerhand und setzte seinen rechten Stiefel auf die unterste Sprosse der Leiter, als eine Ladung Heu ihn unter sich begrub. Für einen langen Moment herrschte absolute Stille. Nur der Regen trommelte auf das Dach und erfüllte das Innere des großen, alten Gebäudes.

      Langsam, fast bedächtig schüttelte Tom das Heu von seinen Schultern und zupfte die Halme aus seinem schwarzen Haar. Schließlich hob er den Kopf. Oben, am Rand der Leiter lehnte ich auf dem Stiel der Gabel und schaute abwartend zu ihm hinunter.

      „Wie ungeschickt von mir…“

      Ohne ihn weiter zu beachten, fuhr ich fort, das aufgeschüttelte Heu hinab in die Scheune zu werfen, mich nicht darum scherend, ob er noch immer dort stand oder nicht. Nach einer Weile hörte ich ihn leise fluchen und das Scheunentor quietschen. Jetzt trieb er seine Pferde vermutlich alleine ein. Nun, konnte er sich im Regen wenigstens ein bisschen abkühlen.

      Ich schmunzelte. Ein klarer Sieg für mich. Niemals würde ich sein fassungsloses Gesicht vergessen, das unter dem Heuberg zum Vorschein gekommen war. Das hier war meine eigene, persönliche kleine Rache gewesen und ich schwor mir, dass er mich nie wieder so von oben herab behandeln würde, wie in der Vergangenheit. Ich besaß auch einen gehörigen Batzen Sarkasmus und wenn er meinte, er müsste die Herausforderung annehmen – bitte, ich war bereit.

      1967 – 69

      Byron McCullough lenkte seinen kräftigen, temperamentvollen Schimmel den vertrauten Weg entlang. Es war derselbe Weg, den er schon hunderte male zuvor geritten war und der ihn hinauf zu den östlichen Weiden brachte, wo er die Herde Jungpferde weiter zur nächsten Koppel treiben musste. Über ihm zog ein Adler seine Bahnen, hin und wieder einen Schrei ausstoßend. Der Tag war noch jung; er war vor allen anderen aufgestanden. Die Sonne blinzelte soeben erst hinter den Hügeln im Osten hervor und tauchte die Ebene in sanfte Brauntöne. Er kannte das alles sein Leben lang und nahm es deshalb auch kaum noch wahr. Es war eben so, ein Teil dessen, was zu seinem Alltag gehörte.

      Seine Gedanken kreisten noch immer um den Brief in seiner Tasche und dessen Inhalt. Es war das, worauf er einerseits gehofft hatte und vor dem es ihm andererseits graute. Schön, er hätte bereits bei der Musterung ahnen können, dass sie ihn nicht ablehnen würden, jedenfalls nicht in solchen Zeiten. Da spielte es auch keine Rolle, dass er sich als Jugendlicher bei einem Sturz vom Pferd einmal das Becken gebrochen hatte. Er konnte noch ablehnen, anstatt sich zu verpflichten. Er fühlte sich hin und her gerissen zwischen seinem Wunsch nach Freiheit und dem Bestreben, den Erwartungen gerecht zu werden, die in ihn gesetzt wurden.

      Äußerlich war Byron im Laufe seiner Entwicklung seinem Vater immer ähnlicher geworden: Dieselben, kastanienbraunen Haare und braunen Augen mit dem breiten, auf den ersten Blick nicht sonderlich attraktiven Zügen. Die gleiche hochgewachsene, muskulöse Statur mit den enormen Oberarmen und innerlich erfüllt mit dem ständigen Verlangen, über andere zu bestimmen. Ansonsten jedoch hatten sie nicht viel gemein, im Gegenteil. Die unendliche Liebe Harolds zu dieser Ranch und dem unerbittlichen, einsamen Land blieben Byron ein ewiges Rätsel. Schön, die Ranch befand sich nun in der vierten Generation in Familienbesitz, immer vom Vater an den ältesten Sohn vererbt und seine Bestimmung war es, der nächste in dieser Reihe zu sein.

      Der junge Mann seufzte tief. Er war nun siebenundzwanzig Jahre alt und manchmal überkam in das geradezu panische Gefühl, dass sein Leben an ihm vorüberzog, ohne dass er es jemals wirklich genossen hatte oder auch nur verspürt, was es bedeutete, glücklich zu sein. Genau, wie seine verstorbene Mutter Fey vor vielen Jahren, fand er die Befriedigung nur im geschriebenen Wort, in Büchern und Zeitungen und damit