Shino Tenshi

Engel und Dämon


Скачать книгу

freut er sich darüber, dass Kevin tot ist. Er hat seine Rache bekommen. Das Biest lebt nicht mehr. Sicher wird er in seinem Dorf dann ein Freudenfest veranstalten.“ Cido seufzte, während er sich langsam im Schritt des Pferdes wiegen ließ.

      „Dieser Typ hat es dir wirklich angetan, habe ich Recht?“, erklang eine sehr sanfte, weibliche Stimme, während sich der Brustkorb des Pferdes unter den Worten bewegte, wodurch Cido überrascht eine Augenbraue hob. „Seit wann kannst du sprechen? Vor allem warum tust du es jetzt erst? Du hättest mir deine Wünsche und Ideen so oft sagen können, anstatt mich durch die Gegend zu schubsen, wie du es gerade brauchst.“

      „Schon immer und ich liebe es einfach Menschen anzustupsen“, erklärte sich Norija, was Cido nicht unbedingt glauben wollte und die Skepsis verschwand nicht aus seinem Geist, bevor er dann seufzte. „Ja, du könntest vielleicht Recht haben. Genauso wie der Kerl Recht hat. Ich kann ihn einfach nicht töten.“

      „Gut, dann wäre das nun geklärt“, meinte Norija ruhig und schnitt dann ein anderes Thema an: „Nun zu meinen Problemen. Ich hab schon seit längerer Zeit Alpträume, in denen die Dunkelheit sich zusammenschließt und die Welt zu überrennen droht. Fast jede Nacht wache ich schweißgebadet auf und hoffe, dass dies niemals geschieht. In diesen Träumen seid auch ihr, du und Xenio, mir begegnet. Zwölf dunkelrote Augenpaare starren mich aus der Dunkelheit an, bevor sie die Seelen der Menschen überrennen und nur ihr Zwei steht zwischen der Welle aus Schwärze und den Menschen, die um ihr Leben schreien.“

      „Na, das klingt ja wirklich prickelnd. Vor allem nach viel Spaß. Ich weiß nicht, was dieser Traum bedeutet, aber ich bezweifle, dass Xenio und ich jemals zusammen kämpfen werden. Schließlich ist er ein Mörder und ich habe nicht vor ihm zu vertrauen. Aber wenn deine Träume ein schlechtes Omen sind, dann sollten wir versuchen die Dunkelheit so gut es geht zu meiden.“ Cidos Stimme war alles nur nicht begeistert, wobei er kurz seufzte und den nächsten Worten des Pferdes lauschte: „Du bist gut. Man kann die Dunkelheit nicht meiden. Wo Licht ist, muss auch Schatten sein. Das ist ein Naturgesetz und es wird sich bestimmt für uns nicht einfach mal so ändern.“

      „Ich weiß, aber wir müssen es zumindest versuchen. Wahrscheinlich ist es nicht gut, wenn wir in der Dunkelheit hier draußen sein werden. Wir sollten versuchen vor Einbruch der Nacht ein Dorf zu erreichen, wo wir sicher sind.“ Der Junge blieb einigermaßen ruhig, wodurch das Tier nur zustimmte und seine Schritte beschleunigte, denn die Sonne ging bereits unter und tauchte den Horizont in einen rötlichen Schein.

      „Ob wir es schaffen?“ Norijas Stimme war unsicher, doch Cido klopfte ihr nur aufmunternd auf den Hals. „Wir schaffen das. Du bist schnell und das nächste Dorf dürfte nicht allzu weit weg sein. Es müsste bald auftauchen.“

      „Was ist eigentlich mit Xenio? Er ist doch auch von dem Traum betroffen.“ Darüber wollte Cido nicht nachdenken, doch die Worte des Pferdes zwangen ihn dazu, wodurch er nur kurz erschöpft die Augen schloss. Eigentlich wollte er so wenig wie möglich mit diesem Menschen zu tun haben, doch dies schien nicht möglich zu sein.

      „Er ist gut bewaffnet und weiß sich effektiv zu verteidigen. Der schafft es bestimmt auch alleine. Wir brauchen uns also keine Sorgen zu machen“, meinte Cido ruhig und lächelte kurz, bevor er sich leicht nach vorne legte, um Norija im Galopp zu unterstützen.

      Es schien eine halbe Ewigkeit zu dauern, in der Cido nur die Schläge der Hufe auf den trockenen Boden hörte, bis endlich eine Stadt am Horizont auftauchte.

      „Endlich! Land in Sicht, Kapitän! Nach unendlicher Seereise ist endlich Land in Sicht! Sollen wir anhalten oder daran vorbei segeln?“, fragte Norija Cido ein wenig albern. „Natürlich wollen wir anlegen! Segel setzten und volle Kraft voraus!“, spielte der Gefragte sofort mit. Dann ging schon ein Ruck durch das Tier, als es seine Schritte noch einmal beschleunigte und sich die Umrisse immer schneller und deutlicher abzeichneten.

      Doch auch die Dunkelheit wurde immer gegenwärtiger und tauchte die Welt in ein unheimliches Zwielicht, in der die Schatten zum Leben erwachten und sich zu grausigen Gestalten formten.

      Im nächsten Moment wehte ein eiskalter Wind über das Land, der Cido streifte und ihn unangenehm frösteln ließ. Es war nicht nur die Kälte, die er brachte, sondern auch eine unaussprechliche Bedrohung, die ihm folgte.

      Cido wollte gerade seine Erkenntnis mit Norija teilen, als das Pferd im nächsten Moment stolperte und der Junge im hohen Bogen über den Hals des Tieres flog.

      Er überschlug sich selbst ein Mal, bevor er dann unangenehm bremste und liegen blieb. Sein ganzer Körper schmerzte. „Aua! Was sollte das? Warum bremst du so abrupt?“

      „Ich habe nicht gebremst, sondern bin über etwas gestolpert“, begehrte Norija sofort auf, wodurch sich der Junge umsah, doch es gab nichts, was im Weg lag. „Verarschen kann ich mich auch ganz gut alleine. Hör auf mich zu belügen. Du hast das mit Absicht getan. Willst du mich denn umbringen?“

      „Wenn ich das gewollt hätte, dann hätte ich dich die nächste Klippe runter geschmissen. So glaub mir doch. Irgendwas hat mir ein Bein gestellt“, verteidigte Norija ihre Unschuld, wodurch Cido nur schnaubte. „Gut zu wissen, dass du schon überlegt hast, wie du mich umbringen kannst.“

      Er erhob sich und klopfte sich den Staub aus der Kleidung, wobei ihn jede Bewegung schmerzte, doch er versuchte es so gut es ging zu verstecken. Auch Norija kam langsam wieder auf die Beine, wobei ihr Blick sich nicht geändert hatte und man sah, dass sie sich von der Anschuldigung verletzt fühlte. „Sei doch froh, dass ich dich überhaupt trage. Du könntest genauso gut selbst laufen. Dann würdest du zumindest nicht mehr so tief fallen!“

      „Ja, vielleicht wäre das besser. Dann würde ich wahrscheinlich auch länger überleben“, ging Cido sofort auf den Streit ein, wobei Norija etwas sagen wollte, doch eine dunkle Stimme mischte sich belustigt ein: „Sieh mal einer an. Hier hab ich ja bald nichts mehr zu tun. Ihr bringt euch ja schon fast gegenseitig um. Wie langweilig.“

      Als sich der Junge zu der Stimme wandte, erblickte er einen schwarzen Löwen, der Stirnhörner trug und den Stachel eines Skorpions anstelle eines Schwanzes hatte. Er hatte so ein Wesen noch nie zuvor gesehen. Woher kam es? War dies eine Gestalt aus der Dunkelheit? Die rot glühenden Augen würden zumindest dafür sprechen.

      „Ein Marcanos!“ Die Stimme von Norija war voller Angst, wodurch Cido in seiner Vermutung bestätigt wurde. Das war eine der Gestalten von denen das Pferd geträumt hatte.

      „Du siehst richtig, Fürstin der Finsternis. Warum hast du uns verlassen? Du hättest an der Seite von Satan diese Welt regieren können, schwarzes Einhorn“, sprach der Neuling weiter, wodurch Cido noch weniger verstand und er sich fragend zu der Stute wandte: „Einhorn?“

      „Ja, du musst nur daran glauben, dann siehst du das Horn“, erklärte sich Norija, wodurch Cido ungläubig mit den Augen blinzelte, als das schwarze Horn vor seinen Augen erschien. Es glänzte majestätisch im Schein des Mondes und zog jeden Sterblichen in seinen Bann, wodurch Cido seine Hand hob und es sanft berührte.

      Ein gleißender Schmerz durchschoss seine Finger und er zog sie gepeinigt zurück, wobei er Norija ein wenig vorwurfsvoll ansah. „Das ist ja messerscharf.“

      „Ja, ich weiß. Ich bin keines dieser weißen Einhörner, die den Menschen helfen und ihnen ihre Träume erfüllen. Nein, ich bin schwarz wie die Nacht und geboren, um zu zerstören. Aber ich kann es einfach nicht. Ich kann nicht dabei zusehen, wie die Welt zerstört wird.“ Sie senkte demütig ihr Haupt, denn die Scham über ihr Sein kehrte zurück und legte sich schwer auf ihre Seele.

      „Unsinn. Du bist ein schwarzes Einhorn. Deine Zauber sind kraftvoll und mächtig. Das Horn dient perfekt für den Angriff und dazu, um für einen schnellen Tod des Gegners zu sorgen. Sie ist das perfekte Böse“, sprach das Löwenwesen einfach weiter, wobei Cido auf seine Hand sah, die nun leicht zu bluten anfing.

      „Es tut mir Leid. Ich hätte dich warnen sollen.“ Die Stimme des Einhorns war bedrückt und sie wagte es nicht den Jungen anzusehen.

      „Du bist schön. Wunderschön. Und du kannst es mit allen weißen Einhörnern auf der Welt aufnehmen.