Shino Tenshi

Engel und Dämon


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und nur Gott wusste, ob er jemals wieder lebendig zurückkehren würde. Nur Gott...

      Das Holz der Stalltür zerbrach mit einem lauten Krachen und eine gebückte Bestie trat in den Raum dahinter. Die Schafe schrien ängstlich auf und drängten sich so gut es ging in eine Ecke zusammen, während sich ihr Tod mit gemächlichen und langsamen Schritten näherte.

      Speichel tropfte ihr aus der Schnauze, als sie sich über die Lefzen leckte. So viel Nahrung. So viel frisches Fleisch. So starker Hunger. Hunger. Musste fressen. Musste zerreißen. Musste zerfleischen. Die Schnauze tief in das blutige Fleisch treiben.

      „Hey!“ Eine Stimme stoppte sie mitten in der Bewegung, wodurch sie sich mit einem tiefen Knurren umdrehte und auf den Bauern, der diese Schafe sein Eigen nannte, blickte. Er zitterte leicht, doch versuchte es zu verbergen. Nein, er war keine Gefahr für die Bestie. Niemand war das. Keiner konnte sie aufhalten oder gar ihren Hunger stillen.

      „Du wagst es hier einzubrechen. Dir werde ich es zeigen, was es bedeutet sich an meinen Schafen vergreifen zu wollen.“ Er umschloss die Armbrust in seiner Hand fester mit seinen Fingern.

      Im nächsten Moment legte er an, zielte und schoss. Der Schmerz war gleißend und tauchte das Sichtfeld der Bestie für einen kurzen Moment in ein grelles Weiß, bevor der Zorn und das Adrenalin durch ihre Adern rauschten.

      Ein letztes, tiefes Knurren mit dem sie nach vorne stürmte und sich vor dem Bauern auf zwei Beine stellte, wodurch sie ihn nun um gute zwei Köpfe überragte. Erneut erklang ein Schnalzen. Der Schmerz kehrte zurück, doch er entfachte nur neuen Hass und ließ die Pranken nieder sausen.

      Das Blut fühlte sich auf ihrer Haut warm und lebendig an, als es sich verzweifelt durch das räudige Fell schlängelte. Sie sah in die weit aufgerissenen Augen des Bauern, die nur noch durch ein Wunder in dem zerschmetterten Schädel gehalten wurden.

      Der ausgerenkte Kiefer ließ das Gesicht als eine groteske Maske erscheinen, wodurch sich die Bestie nur abwandte und den Leichnam fallen ließ. Unwillkürlich riss sie noch ein weiteres Stück aus dem Schädel heraus, weil es sich an ihren Krallen verhakt hatte.

      Dieses Stück zerbrach unter ihrem nächsten Schritt mit einem hässlichen Knacken und sie sah auf die Schafe, die wahnsinnig vor Angst durcheinander schrien und kurz davor waren sich gegenseitig niederzutrampeln. Wie sie diese Panik genoss. In ihren Augen. In ihren Schreien.

      Niemand würde sie jetzt noch aufhalten. Keiner konnte sie aufhalten. Sie konnte die Angst riechen. Das pulsierende Blut. Die weit aufgerissen Augen und das Blöken in ihre Richtung. All das war für sie so wunderschön.

      Ein letztes Mal schleckte sie sich über die Lefzen und sprang dann nach vorne. Packte das erste Schaf, grub ihre Zähne tief in das saftige Fleisch und schlug mit ihren Pranken nach zwei weiteren Schafen, denen sie damit tiefe Wunden zufügte.

      Die Panik brach aus. Doch es gab kein Entkommen. Die Bestie wütete. Sie zerriss, zerfleischte und tötete. Warf durch die pure Kraft ihrer Bewegungen ganze Körperteile quer durch die Scheune und färbte den Boden und die Wände in ein tiefes Rot.

      Nein, hier gab es kein Entkommen mehr. Nicht für Tier und nicht einmal für den Menschen, der selbst im Tode nicht davor bewahrt war, diese Gräueltaten mit ansehen zu müssen.

      Nach einer schieren Ewigkeit war das Werk vollbracht und die Bestie wandte sich ab. Watete durch das Blut, doch ihre Pfoten hinterließen keine Abdrücke. Als würde sie trotz ihrer schieren Masse kein Gewicht besitzen. Schritt an dem toten Bauern vorbei, berührte ihn unabsichtlich leicht mit ihrem Schweif, was ihn zur Seite kippen ließ. Doch sie ging unberührt weiter. Verließ das Dorf, um in den Schatten der Bäume zu verschwinden.

      Doch ihr Hunger war noch lange nicht gestillt. Niemand konnte ihn stillen. Er trieb sie weiter. Weiter durch die Welt und sie würde zurückkehren. Bis es nichts mehr zum Holen gab und dann. Ja, dann würde sie weiterziehen. Bis in alle Ewigkeit und immer vom Hunger getrieben, der all ihr Sein ausmachte. In ihrem Leben existierte nur noch er. Dieser niemals endende Hunger, der sich tief in ihre Gedärme fraß und all ihr Denken befiel. Für alle Zeit...

      Ein panischer Schrei riss das Dorf am frühen Morgen aus dem Schlaf, als die Frau des Bauern in den Stall kam und das Massaker der letzten Nacht erblickte. In nur wenigen Augenblicken hatten sich alle Anwohner vor dem Schauplatz des Grauens versammelt.

      „Mein tiefstes Beileid.“ Das Oberhaupt hatte seine Hand sanft auf die Schulter der jungen Frau gelegt und drückte diese leicht, bevor er sich zu den anderen wandte: „Legt Fallen im Wald aus. Wir müssen das Tier fangen, das dieses Massaker angerichtet hat. Niemand soll mehr zu Schaden kommen.“

      Sofort eilten die Bewohner davon und setzten den Befehl in die Tat um, doch es half nichts. Die Fallen blieben leer. Nicht einmal das Wild verfing sich in ihnen, denn es gab in diesen Wald nichts mehr, was atmete. Die einst so frische Luft war erfüllt mit dem Gestank des Todes.

      „Was sollen wir tun? Es läuft immer noch da draußen herum.“ Ein Bewohner begehrte bei der Abendversammlung auf, wobei der Dorfälteste nur den Kopf schüttelte. „Vielleicht ist es schon weg. Nachdem es hier keine Nahrung mehr gefunden hat, ist es vielleicht weiter gezogen.“

      Ängstliche Blicke wurden ausgetauscht. Niemand konnte diese Worte so wirklich glauben, dennoch zwangen sich die meisten dazu und verschwanden schließlich mit einem Nicken in ihren Häusern. Sie hatten keine andere Wahl. Zwar dachten es alle, aber keine traute es sich dies auszusprechen. Die Angst vor einer Eskalation war zu groß. Sie mussten sich an diesen winzigen Halm der Hoffnung klammern. Es war ihre einzige Chance hier zu bleiben.

      „Hoffentlich ist es weiter gezogen.“ Der Mann schien um Jahre gealtert zu sein, als er sich auf seinen Gehstock stützte und seine Augen erschöpft schloss. Er war nicht fähig sein Dorf zu schützen, wenn die Bestie immer noch in der Nähe war. Diese Kraft, die er in dieser Scheune erblickt hatte, konnte von niemand hier gebändigt werden.

      Langsam wandte auch er sich ab, um sich schlafen zu legen, doch die Nacht sollte nicht ruhig bleiben. Denn die Stille wurde aufs Neue von dem Krachen einer Scheunentür durchdrungen und dann hörte man nur noch die Schreie der Tiere. Voller Verzweiflung und Todesangst. Sie wünschten sich ihnen zu entkommen, aber sie schafften es nicht. Nicht allein.

      „Nein, du darfst nicht gehen.“ Die Frau klammerte sich verzweifelt an den Arm ihres Mannes, als dieser seine Armbrust packte und dabei war das Haus zu verlassen. „Es wird auch dich töten.“

      „Das kann durchaus sein, aber wenn ich es nicht davon abhalte die Tiere zu töten, dann wird der Winter uns umbringen.“ Er stieß sein Weib sanft von sich, sodass sie von ihm ablassen musste und ein paar Schritte zurückwich.

      Dann verschwand er aus der Tür und ließ seine Ehefrau leise weinend zurück. Der Knall der Armbrust durchriss die Nacht. Einmal, zweimal und sogar ein drittes Mal. Dann hörte man seinen dunklen Schrei, bevor er gurgelnd erstarb.

      Das Wimmern der Frau wurde zu einem verzweifelten Schrei, bevor sie der Heulkrampf packte und sie in sich zusammenfiel, während die Tränen ihren Körper durchschüttelten. Kaum erstarben die gepeinigten Schreie der Tiere, erklangen die Schritte der Bestie, die sich aus dem Dorf entfernten und somit die Stille zurückkehrte, die nur von dem Weinen der frisch verwitweten Frau durchbrochen wurde. Keiner rührte sich. Es blieb ruhig und dunkel. Man spürte nur diese eisige Klaue der Angst, die sich tief in diese Gemeinde grub und dabei Wunden schlug, die nie wieder verheilen würden. Sie waren alle verloren...

      Es zogen einige Tage in das Land und die Dorfbewohner kamen nicht weiter. Die Tiere wurden immer weniger. Niemand hatte die Bestie gesehen, denn wer sich ihr stellte, überlebte das Zusammentreffen nicht.

      Dennoch gab es Gerüchte von Menschen, die ihren Schatten gesehen haben wollten. Sie beschrieben die Bestie, als eine buckelige, mit langen, scharfen Klauen ausgestattete Wolfsgestalt, die sich trotz der Verformungen sehr geschmeidig und schnell bewegen konnte. Ihr Anblick sollte einen das Blut in den Adern gefrieren lassen. So voller Grausamkeit und kaum lebensfähig, aber doch so stark und unbezwingbar. Ein wahrer Fluch.

      „Ältester! Wir müssen etwas unternehmen! Bald