Elke Schwab

Kullmann jagt einen Polizistenmörder


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mir ein Verkehrsdelikt anhängen? Mehr darfst du kleiner Wichtigtuer doch gar nicht.« Das war Roberts Stimme.

      »Du wirst dich wundern. Ich habe einen guten Freund, der für Tötungsdelikte zuständig ist. Er ist über alles informiert. Glaub mir, der nimmt diesen Hinweis sehr ernst, weil es seine Arbeit ist. Außerdem muss ich hinzufügen, dass meine alte Freundin, von der ich den Tipp bekommen habe, ebenfalls bei der Polizei arbeitet. Also unterschätz mich lieber nicht«, lachte Biehler verächtlich.

      »Und du solltest mich nicht unterschätzen. Wenn du wirklich meinst, mir Schwierigkeiten machen zu müssen, dann wirst du mich mal kennen lernen.«

      »Willst du mir drohen?«

      »Nein, dich nur warnen. Lass einfach die Finger davon oder es wird dir noch leidtun.«

      Höhnisch lachend verließ Biehler den Stall durch den anderen Ausgang. Schnell stahl Anke sich davon, damit Robert nicht bemerkte, dass sie gelauscht hatte. Dieses Gespräch hatte sie erschreckt, aber darauf wollte sie Robert auf gar keinen Fall ansprechen. Für diesen Tag hatte sie seine Geduld schon zur Genüge auf die Folter gespannt, als sie über den Tod seiner Mutter gesprochen hatten. Noch ein Gespräch, das sich wie ein Verhör anhörte, wollte sie nicht riskieren, dafür war ihr die Freundschaft zu wichtig. Gelassen schlenderte sie durch den Hof und beobachtete das Mädchen, das wieder fleißig damit beschäftigt war, alle Turnierutensilien zu reinigen und wegzuräumen. Zum Abschied winkte sie Anke zu und fuhr mit ihrem Fahrrad davon.

      Gleichzeitig heulte ein Automotor auf, mit einem Kavaliersstart fuhr Biehler los; Sand, Steine und Staub wirbelten durch die Luft. Erschrocken schaute Anke zu ihm herüber, aber er fuhr so schnell davon, dass sie ihn bald aus den Augen verlor.

      Plötzlich nahm Robert sie von hinten in die Arme und flüsterte ihr ins Ohr: »Was hältst du davon, mit mir essen zu gehen? Ich kenne ein wunderschönes Restaurant mit Terrasse, wo wir im Sonnenuntergang sitzen und den Tag ausklingen lassen können.«

      Diesem Vorschlag konnte Anke nicht widerstehen. Gemeinsam verließen sie den Hof.

      Da begegnete ihnen Sybille. Kopfschüttelnd ging sie auf dem Parkplatz hin und her; sie wirkte völlig orientierungslos. »Das gibt es doch nicht, das kann doch nicht sein«, stammelte sie fassungslos vor sich hin.

      Robert beobachtete sie nur belustigt, während Anke fragte: »Was gibt’s?«

      Verwirrt schaute sie Anke an und meinte: »Peter ist einfach weggefahren, er ist einfach ohne mich weggefahren.«

      »Na ja, vielleicht merkt er ja noch, dass er dich vergessen hat«, spottete Robert und schob Anke energisch zu seinem Auto. Er wollte den Rest des Abends ungestört mit ihr verbringen.

      Das Restaurant, von dem Robert gesprochen hatte, befand sich auf dem Saarbrücker Schlossplatz. Die Terrasse bot ihnen eine wunderschöne Aussicht über die ganze Stadt und über die Saar, in der sich das rot werdende Licht der untergehenden Sonne spiegelte. Lange saßen sie unter freiem Himmel bei einem Glas Wein und plauderten, bis die Kellner sie höflich daran erinnerten, dass das Restaurant schließen wollte.

      Anke lachte vergnügt, als sie von Robert wieder nach Hause gebracht wurde. Inzwischen war Mitternacht vorbei, aber sie hatte gar nicht bemerkt, wie schnell die Zeit vergangen war. Von den Ereignissen des Tages war sie noch viel zu aufgeregt, so dass sie lange nicht einschlafen konnte. Deshalb wollte sie in Erinnerungen schwelgen und ihr Glück genießen. Aber so einfach war das nicht. Ständig tauchte Doris Sattlers Gesicht auf. Immer wieder, wenn sie sich selig vor Glück glaubte und langsam in ihren wohlverdienten Schlaf sank, wurde sie durch die Bilder, die Robert und Doris bei ihr hinterlassen hatten, wieder geweckt. Dadurch dauerte es lange, bis sie endlich einschlafen konnte. Nur leider sollte es kein erholsamer Schlaf werden.

      Kapitel 3

      Am Montagmorgen wurde Anke wieder von der Sonne geweckt. Die unruhige Nacht zeigte ihre Spuren, denn sie fühlte sich übernächtigt. Aber die Erinnerungen an den letzten Tag hoben ihre Laune mächtig an. Sie fuhr zur Dienststelle. Zuerst kochte sie Kaffee, der obligatorische Beginn ihres Arbeitstages. Kullmann war schon da und las wie üblich zu dieser frühen Stunde in der Lokalzeitung. Als Anke sein Büro betrat, wirkte er nachdenklich.

      Sie sprach ihn auf seine bekümmerte Miene an, worauf er antwortete: »Die Zeitungsberichte bringen Details, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind. Das erschwert unsere Arbeit.«

      »Sie sind doch durch solche Kleinigkeiten nicht zu erschüttern. Ich vertraue auf Sie, egal, was die Zeitungen berichten«, stellte Anke klar.

      Kullmann freute sich über dieses Lob.

      Sein Gesicht hellte sich auf, als er Anke ansah. Seine Lesebrille, die kunstvoll auf seiner Nasenspitze balanciere, nahm er ab, setzte ein schelmisches Grinsen auf und fragte: »Was ist Ihnen denn Gutes widerfahren?«

      Anke errötete sofort, was Kullmann mit einem noch breiteren Grinsen bedachte.

      »Sie brauchen nicht zu antworten«, winkte Kullmann sogleich ab, als er merkte, wie verlegen Anke geworden war. »In jungen Jahren muss man sich verlieben, das macht das Leben erst richtig lebenswert.«

      »Sie sprechen wohl aus Erfahrung?«, entgegnete Anke ebenfalls schelmisch.

      »Wissen Sie, wenn man so alt ist wie ich, hat man unweigerlich seine Erfahrungen gemacht. Auch wenn ich nicht viel darüber rede, so gab es auch in meinem Leben schon sehr glückliche Zeiten«, schwelgte er in seinen Erinnerungen. »Es hat nichts zu sagen, dass ich nicht verheiratet bin.«

      »Sind Sie der notorische Junggeselle?«, wollte Anke wissen, die sehr froh darüber war, dass Kullmann von seinem Leben erzählte, was leider zu selten vorkam.

      »Das nicht. Es kam eben immer anders. Vor Jahren schon habe ich damit aufgehört, alles genau zu hinterfragen.« Nach einer kurzen nachdenklichen Pause murmelte er: »Man bekommt nie eine Antwort.«

      Verwundert über die Niedergeschlagenheit, die Kullmann plötzlich zu befallen schien, schaute Anke ihren Chef an. Deutlich spürte sie, dass es etwas gab, was Kullmann mehr beschäftigte, als er zuzugeben bereit war. Aber sie durfte nicht vergessen, dass sie nur seine Mitarbeiterin war, warum also sollte er gerade ihr seine privaten Geheimnisse verraten?

      »Ich möchte Sie nicht mit meinen Belanglosigkeiten belästigen …«

      »Damit können Sie mich gar nicht belästigen«, widersprach Anke heftig. »Im Gegenteil, alles, was Sie über sich erzählen, interessiert mich. Von Belanglosigkeiten kann gar keine Rede sein. Es ist für mich eine ganz besondere Ehre, wenn Sie mir vertrauen.«

      Kullmann lächelte und winkte ab: »Sie schmeicheln mir mal wieder so charmant, dass ich mich gleich viel besser fühle. Aber unsere Ermittlungen befinden sich an einem Punkt, der es mir wirklich sehr schwer macht, an mich selbst zu glauben. Endlich ist der Zeitpunkt für mich gekommen, in Rente zu gehen. Und nun das. Ich leite Ermittlungen, die so ergebnislos verlaufen wie noch nie während meiner gesamten Dienstzeit. Wahrscheinlich habe ich den Zeitpunkt meines Wegganges einfach nur falsch gewählt – oder verpasst. Ich hatte hier weiß Gott schon bessere Zeiten.«

      »Gibt es denn etwas Bestimmtes, was Sie so quält?«

      Kullmann räusperte sich und zögerte eine Weile, bis er sprach: »Nimmsgern hatte zum Zeitpunkt seiner Ermordung an dem Fall Spengler gearbeitet. Ich hege den Verdacht, dass Nimmsgern ein Beweisstück bei sich hatte, als er erschossen wurde, und dass dieser Beweis nun in den Händen seines Mörders ist. Nur: Wer profitiert davon, wenn der Fenstersturz von Luise Spengler nicht aufgeklärt wird?«

      »Wie kommen Sie darauf, dass Nimmsgern einen Beweis bei sich hatte?«, stutzte Anke. Wieder fiel ihr das geheimnisvolle Gehabe von Nimmsgern ein, als er am Tag seiner Ermordung das Büro verlassen hatte.

      »Weil Theo, der Leiter der Abteilung Kriminaltechnik, mich angerufen und mir mitgeteilt hat, dass ein Kollege der Spurensicherung Fingerabdrücke in Luise Spenglers Zimmer sichergestellt habe, diese Karte allerdings niemals im Labor angekommen sei, wo sie mit den Daten des Automatisierten