Elke Schwab

Kullmann jagt einen Polizistenmörder


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sind, persönlich anwesend. Er hatte sich bei den Kollegen bereit erklärt, die Proben selbst ins Labor zu bringen.«

      »Das überrascht mich«, wandte Anke ein.

      Kullmann bestätigte Ankes Einwand und setzte seinen Bericht fort. »Außer der Fingerabdruckkarte ist alles im Labor angekommen. Ich habe gerade mit dem Aktenführer gesprochen, der alle Ergebnisse der Spurensicherung akribisch genau abheftet und beschriftet. Diese Fingerabdruckkarte ist niemals in seinen Händen gelandet, sonst wäre sie auffindbar. Da Luises Zimmer nach der Spurensuche wieder freigegeben wurde, war es nicht mehr möglich, diese Fingerabdrücke ein zweites Mal sicherzustellen, weil die Putzfrau dort gründlich gereinigt hatte. Diese Karte könnte der Schlüssel unserer Ermittlungen sein. Deshalb vermute ich, dass Nimmsgerns Mörder diese Unterlagen an sich genommen hat.«

      »Das hört sich wirklich abenteuerlich an. Was veranlasst Sie, zu glauben, Nimmsgerns Mörder hätte ein Motiv, die Ermittlungen an Luises Tod zu boykottieren? Es gibt doch immer Verrückte, die Polizisten hassen. Im Grunde kann es doch auch ein Anschlag auf die Polizei im Allgemeinen gewesen sein«, zweifelte Anke.

      »Das stimmt und solange sich kein Zeuge meldet oder sonst etwas geschieht, werden wir nie herausfinden, wer Nimmsgern erschossen hat.«

      »Mit sonst etwas geschieht meinen Sie doch nicht etwa, dass noch ein Kollege ermordet werden könnte?«, hakte Anke nach.

      »Ach was, ich will Sie doch nicht verunsichern. Ich bin nur verzweifelt darüber, wie wenig erfolgreich unsere Ermittlungen in diesen beiden Fällen bisher waren. So schlecht haben wir noch nie dagestanden.« Kullmann machte eine kurze Pause, bevor er anfügte: »Ich werde nicht in meinen Ruhestand gehen können, solange nicht alles aufgeklärt ist; schließlich soll es nicht so aussehen, als wollte ich mich aus der Affäre ziehen.«

      »Seien Sie doch nicht so ungeduldig. Immerhin haben Sie schon herausgefunden, dass Luise Spengler sich scheiden lassen wollte. Das ist ein äußerst wichtiges Indiz«, erinnerte Anke ihren Chef.

      »Das ist es ja gerade. Inzwischen weiß ich nämlich, dass Nimmsgern auch schon bei dem Anwalt war. Aber wo ist in den Akten etwas vermerkt? Nirgends! Hier geschehen Dinge, die sich meiner Kenntnis entziehen.«

      »Vielleicht war er erst kurz vor seiner Ermordung beim Anwalt und nicht mehr dazu gekommen, den Eintrag vorzunehmen«, spekulierte Anke.

      »Wie kommen Sie darauf?«

      »Ganz einfach, weil Nimmsgern an seinem letzten Tag stolze Andeutungen losließ, dass er in diesem Fall einen gewaltigen Schritt weitergekommen sei. Aber Sie kannten ihn ja, er hat aus allem ein Geheimnis gemacht. Er wollte mir erst am nächsten Tag sagen, was er herausgefunden hatte, aber dazu kam es nicht mehr.«

      »Und das erfahre ich erst jetzt«, schimpfte Kullmann sogleich los.

      »Tut mir leid, aber ich hielt es nicht für wichtig. Nimmsgern hat oft so dahergeredet«, entschuldigte sich Anke - ganz entsetzt über die Heftigkeit ihres Chefs.

      Kullmann sagte darauf wieder etwas besänftigt: »Oh Entschuldigung. Ich wollte Sie nicht so anfahren, schließlich weiß ich genau, dass Sie immer einen untrüglichen Spürsinn besitzen. Vermutlich war Nimmsgerns Getue wirklich nicht so wichtig. Warum sollte ich mich also noch darüber aufregen?«

      Erleichtert atmete Anke wieder durch: »Sie haben bisher alles aufgeklärt und werden bis zu ihrer Pensionierung alles zum Abschluss bringen.«

      »Wie schaffen Sie das nur, in diesem Schlamassel so positiv zu denken?«, fragte er zweifelnd.

      »So schlecht, wie Sie meinen, stehen wir gar nicht da. Wir sind doch schon gut vorangekommen. Wir lösen den Fall mit Sicherheit«, erklärte Anke zuversichtlich.

      »Was heißt hier gut vorangekommen? Luise Spenglers Tod liegt inzwischen neun Monate zurück, und wir haben nicht mehr als ein Dutzend unbewiesener Vermutungen und den ständigen Antrag der Amtsleitung, Luise Spenglers Fenstersturz als Unfall abzuschließen. Dabei weiß ich genau, dass es Mord war. Und was Nimmsgern betrifft, sieht es auch nicht besser aus, nur dass seine Ermordung sechs Monate zurückliegt und alle Vermutungen sich als haltlos erwiesen haben. Wie sehen Ihrer Meinung nach denn wirklich schlechte Ermittlungen aus?«

      Darauf gab Anke lieber keine Antwort, sondern ging in ihr Büro zurück. Aber Zeit zum Nachdenken blieb ihr nicht. Kaum saß sie an ihrem Schreibtisch, klingelte das Telefon. Am Klingelzeichen war zu erkennen, dass es ein interner Anruf war. Als sie abhob, erschrak sie. Ein obszönes Angebot tönte durch den Hörer an ihr Ohr, mit detaillierten Ausführungen, die Anke sich nicht bis zum Ende anhören wollte. Sie knallte den Hörer auf. Die Stimme hatte sie nicht erkennen können. Trotzdem ahnte Sie, wer hinter diesem schmutzigen Scherz steckte.

      Seit sie sich von Hübner getrennt hatte, respektierten sie sich gegenseitig. Hübner hatte ihre Entscheidung zwar nur schweren Herzens akzeptiert, aber er hatte eingesehen, dass er keine Chance mehr bei ihr hatte. Auch wenn er immer noch versuchte, Sympathien bei ihr zu wecken, traute sie ihm solche Spielchen einfach nicht zu. Also blieb nur Esche. Gerade war sie zu dieser Erkenntnis gekommen, als er ohne anzuklopfen eintrat und die Tür hinter sich zuwarf.

      »Was willst du mit diesen Obszönitäten erreichen?«, schimpfte Anke ihn sofort an.

      »Tu nicht so unschuldig. Ich habe dich gestern zufällig mit Robert Spengler zusammen gesehen. Ihr beide habt nicht so ausgesehen, als würde es beim Händchenhalten bleiben.«

      Anke schwieg.

      »Sollen das jetzt die neuesten Ermittlungsmethoden sein? Du gehst mit einem Zeugen ins Bett, damit er mehr ausplaudert oder was? Dass Robert der Sohn von Luise Spengler ist, wird dir doch wohl nicht entgangen sein, also was soll das Schmierentheater?“ Esche wartete erst gar keine Antwort ab, sondern sprach weiter: „Ist dir der Erfolg so wichtig? Wenn du meinst, mit solchen Ermittlungsmethoden den schnellen Aufstieg für deine Karriere zu sichern, muss ich dich enttäuschen. Ich werde nämlich melden, dass du mit unlauteren Methoden arbeitest, Schätzchen. Dein Körpereinsatz wird dir nichts nützen.«

      Anke war für einen Augenblick sprachlos über so viel Dreistigkeit. Hatte Esche sie tatsächlich am Wochenende überwacht, um sie bloßstellen zu können? Aber warum nur? Er war mit dem Fall Spengler doch gar nicht betraut.

      »Und nun erzähl mir nicht, dass der Sohn der Mutter von dem Tod der eigenen Mutter nichts weiß«, fügte er gehässig an.

      Anke wollte sachlich bleiben, obwohl es in ihr brodelte. Sie zwang sich zu einem kühlen Ton: »Robert hat mit dem Tod seiner Mutter nichts zu tun. Das müsstest du doch noch wissen nach deinen eigenen Ermittlungen, die du mit Nimmsgern durchgeführt hast. Ihr habt Robert verhört, und es kam dabei heraus, dass er zum Zeitpunkt des Mordes an Luise Spengler gar nicht hier war.«

      »Robert Spengler hat dich schon voll im Griff«, bemerkte Esche sarkastisch. »Im Blenden ist er ein Meister, stelle ich fest. Wie ist es ihm so schnell gelungen, dich zu erobern, während ich mir die Hacken dafür ablaufen muss?«

      Anke kochte innerlich: »Hast du nichts Besseres zu tun, als mir nachzuspionieren?«

      »Nein, ich habe nichts Besseres zu tun. Schließlich bin ich bestens darüber informiert worden, dass du ganz schön gerissen sein kannst, wenn es um deine eigenen Bedürfnisse geht.« Esche kam Anke bedrohlich nah. »Aber ich habe auch Bedürfnisse. Vergiss diesen Robert. Wenn deine Libido verrücktspielt, so schweife nicht in die Ferne, denn das Gute liegt so nah. Schau mich an, ich habe einen tadellosen Körper«, präsentierte er sich mit ausgebreiteten Armen. »Wir könnten es jetzt und hier tun. Auf dem Schreibtisch soll es verdammt aufregend sein.«

      Ankes Kopf fühlte sich an, als müsste er platzen. Das Rauschen in ihren Ohren wurde immer lauter und das Herz schlug rasend schnell. Was bezweckte Esche mit diesem widerlichen Erpressungsversuch? Hatte er tatsächlich vor, ihr Steine in den Weg zu legen, weil sie sich mit Robert traf? Und an sein Gefasel, wie gerissen sie sein konnte, wollte sie keinen Gedanken verschwenden. In ihrer bisherigen Laufbahn gab es nichts, woraus man ihr einen Strick drehen könnte.

      »Raus!« Wütend zeigte sie ihm die Tür.

      »Zier