Elke Schwab

Kullmann jagt einen Polizistenmörder


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      Ankes Kopf glühte, als sie diese Anspielungen hörte.

      »Du bist ein kluges Köpfchen und deshalb weiß ich genau, dass du bald nachgeben wirst. Denn ich habe dich in meiner Hand, Süße, und wenn du meinst, dich zieren zu können, werde ich mit meinen Informationen zu Kriminalrat Wollny gehen.«

      »Du kannst mir noch so viel drohen, darauf falle ich nicht rein.«

      Esche lächelte herablassend: »Weißt du überhaupt, von welchem Fall wir hier reden?«

      Sie wollte an die Tür stürmen und sie aufreißen, doch Esche stellte sich ihr in den Weg. Als er seine Hand nach ihr ausstreckte, fuhr Anke mit einem schrillen Schrei zurück. Esche schaute sie eindringlich an und meinte beschwichtigend: »Ich tu dir nichts.«

      Mit einem Grinsen ging er hinaus und flüsterte ihr zu: »Du wirst von ganz alleine zu mir kommen.«

      An Arbeiten war nicht mehr zu denken. Schmerzlich wurde Anke bewusst, dass sie Esche allein gegenüberstand. Seine Angriffe auf ihr Privatleben, ihre berufliche Arbeit und auf ihre Integrität als Frau lasteten als dickes Paket auf ihren Schultern. Sie befürchtete, dass Kullmann ihr nicht glauben würde, wenn sie ihm diesen Vorfall meldete, weil dessen Meinung über Esche viel zu hoch war.

      Den Rest des Vormittags konzentrierte sie sich verbissen auf die Akten, die auf ihrem Schreibtisch lagen, um den Vorfall zu vergessen. Als die Mittagspause näher rückte, spürte sie, dass es ihr wieder besser ging. Esche verschwand in immer weitere Ferne, so dass ihr die morgendliche Situation schon fast wie ein böser Traum vorkam.

      Umso mehr freute sie sich, als Kullmann ausgerechnet in dieser Mittagspause unerwartet in ihr Büro trat und sie zu einem deftigen Mittagessen in Marthas Kneipe einlud. Lange war sie nicht mehr in diesem gemütlichen Lokal gewesen, dessen Atmosphäre sie vermisst hatte. In letzter Zeit hatte Kullmann sie nicht mehr gefragt, ob sie mitkommen wollte, was sie nachdenklich gestimmt hatte. Oft hatte sie sich gefragt, ob sie ihm einen Grund dafür gegeben hätte. Weil sie diese Frage nicht beantworten konnte, hatte sie sich dabei unglücklich gefühlt. Aber heute zeigte ihr seine Geste, dass ihre Bedenken einfach nur voreilig gewesen waren; begeistert stimmte sie seiner Einladung zu.

      Kaum hatten sie das Lokal betreten, rief ihnen Martha zu, dass sie im Hof einen Tisch bereitgestellt hatte. Bei dem schönen Wetter war das eine ganz besonders gute Idee. Anke ging vor und setzte sich. Als sie auf ihren Chef wartete, fiel ihr auf, wie lange er brauchte, bis er zum Tisch zurückkehrte.

      »Heute gibt es Kartoffel-Lyoner-Pfanne. Eines meiner Lieblingsessen hier«, berichtete er froh gelaunt.

      Martha brachte ihnen ihre Bestellungen und plauderte noch ein wenig mit Kullmann. Der Umgangston wirkte verändert, aber Anke wusste nicht, was sich geändert hatte. Sie fühlte sich wie immer sehr wohl bei Martha und vergaß bei dem guten Essen einfach, darüber nachzudenken, was sich zwischen den beiden geändert haben könnte. Das Einzige, was ihr sofort auffiel war, dass Kullmann kein Bier trank. Er hatte sich Sprudel bestellt. Also bestellte sie das Gleiche. Gut gesättigt verließen sie das Lokal und schlenderten durch die Sonne zurück zum Landeskriminalamt.

      Plötzlich sahen sie Kurt Spengler in Begleitung einer Rothaarigen, deren Make-up im Sonnenlicht viel zu grell wirkte. Die beiden kamen direkt auf Kullmann und Anke zu. Erst als Kurt Spengler ganz dicht vor Kullmann stehen blieb, forderte er seine Begleiterin auf weiterzugehen, was diese auch widerstandslos tat. Er postierte sich so breit auf dem Weg, dass Kullmann und Anke nicht vorbeigehen konnten. Anke sah, dass Kullmann kreideweiß im Gesicht geworden war. Die Luft zwischen den beiden Männern wurde so spannungsgeladen, dass sie knisterte. Anke entfernte sich ebenfalls einige Schritte, blieb aber so nah, dass sie jedes Wort verstehen konnte.

      »Du gibst es nie auf, was?«, sprach Spengler in einem ironischen Tonfall.

      »Niemals! Du hast Luise auf dem Gewissen und ich werde dir das beweisen«, entgegnete Kullmann böse.

      Spengler lachte bissig: »Dass du damals gegen mich verloren hast, hast du niemals verkraftet, nicht wahr? Nun siehst du deine einmalige Chance, es mir heimzuzahlen. Aber vergiss nicht, mit wem du es zu tun hast. Was bist du schon im Gegensatz zu mir? Ein kleiner Schnüffler, der im Schmutz anderer Leute wühlt. Ich habe es dagegen zu etwas gebracht; ich habe Karriere gemacht. Außerdem schwelge ich in Reichtum und Luxus. Wenn du dich wirklich mit mir messen willst, musst du gut aufpassen, dass du dich nicht übernimmst, lieber Norbert.«

      »Dir wird das Lachen noch vergehen. Dein Spiel ist aus! Mit dem Mord an deiner Frau bist du einen Schritt zu weit gegangen.« Mit diesen Worten ließ Kullmann sein Gegenüber stehen und setzte seinen Weg fort, wobei er Anke völlig außer Acht ließ. Still stand sie am Rand des Bürgersteigs und schaute ihrem Chef nach.

      »Luise ist tot, was nützen dir also noch deine Bemühungen. Vielleicht hättest du mal früher aus deiner Lethargie erwachen sollen. Hahaha!« Kurt Spengler lachte so künstlich und so laut, dass es über die ganze Straße schallte.

      Kapitel 4

      Nach Feierabend fuhr Anke zum Reitstall. Als sie nach Rondo schauen wollte, war die Box leer.

      Enttäuscht ging sie weiter.

      Peter Biehler und Sybille hatten ihre beiden Pferde in der engen Stallgasse angebunden und waren damit beschäftigt, sie zu satteln und zu trensen. Es schien alles wieder völlig normal zwischen den beiden zu sein, stellte Anke erstaunt fest. Ob Sybille es gewohnt war, von Biehler vergessen zu werden?

      Aus sicherer Entfernung sah sie, wie Doris Sattler ihr Pferd durch die Stallgasse führte. Wie sie an Biehlers Pferden vorbeikommen wollte, war Anke ein Rätsel. Die Stallgasse war zu eng.

      »Kannst du mich bitte mit meinem Pferd vorbeilassen«, bat Doris höflich, doch Biehler reagierte nur ganz lässig: »Wenn ich soweit bin.«

      Damit brachte er Doris natürlich gleich auf die Palme: »Ich warte doch nicht, bis du fertig bist. Lass mich gefälligst durch!«

      Biehler drehte sich betont langsam um und sagte gleichgültig: »Sieh doch zu, wie du vorbeikommst. Ich werde mein Pferd jedenfalls jetzt nicht hier wegstellen.«

      Wütend versuchte Doris ihr Pferd an Biehlers Schimmel vorbei zu drängen. Da knallte es auch schon. Der Schimmel legte die Ohren an, drehte sich hastig in der engen Stallgasse und schlug gezielt nach Doris aus. Mit einem dumpfen Geräusch fiel Doris rückwärts in die Stallgasse und blieb genau vor Ankes Füßen liegen.

      Anke überlegte gerade, ob sie nach ihr sehen sollte, als sie sofort aufstand und schrie: »Die Pferde sind genauso blöd wie ihre Besitzer. Die Böcke gehören beide zum Metzger.«

      »Pass auf, was du sagst! Wenn du zu dämlich bist, dein Pferd aus der Box zu führen, lasse ich mich von dir nicht beleidigen. Meine Pferde haben das auch nicht nötig. Wir werden ja noch sehen«, erwiderte Sybille genauso lautstark.

      »Oh ja, das werden wir. Unterschätzt mich nicht! Ihr werdet noch euer blaues Wunder erleben.«

      Wutentbrannt hinkte Doris hinter ihrem Pferd her, das erschrocken an ihr vorbeigelaufen war und dem Ausgang der Stallgasse zusteuerte. Glücklicherweise lief er nicht vom Stall weg, sondern trottete durch den sonnigen Hof und begrüßte alle Pferde, die aus ihren Boxenfenstern herausschauten. Erleichtert nahm Doris den Strick, der vom Halfter herunterhing und band das Pferd an die Anbindestelle.

      Nadja stand immer noch vor der Box ihres Pferdes und wartete ab, bis die Luft wieder rein war, bevor sie ihr Pferd herausführte. Ihre kleine Hündin war jedoch so aufgebracht über die Streitereien, dass sie laut kläffend in der Stallgasse herumsprang, bis Biehler schnurstracks auf sie zuging und nach ihr treten wollte. Nadja sprang mit einem Satz auf ihre Hündin zu und rettete sie vor dem Tritt, indem sie sie auf den Arm nahm.

      »Ich warne dich«, schrie Nadja aufgebracht.

      Endlich trat der Stallbesitzer hinzu. Er forderte Biehler und Sybille auf, zusammen mit ihren Pferden aus der Stallgasse zu verschwinden, bevor ein weiteres Unglück geschähe.

      Anschließend