Cornelia Reiwald

Die Seidenstraße – gestern - heute - morgen


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und arbeiten oft unter Bedingungen, die kein Westler akzeptieren würde – sie sind moderne Sklaven oder tauchen unter. Es gibt Erfolgsgeschichten.

      Betroffen ist Südostasien und insbesondere der Mittlere Osten und Zentralasien. Öl brachte Geld, Entwicklung und Krieg. Flüchtende enden in Auffanglagern oder bleiben arm. Flüchten heißt: Hoffnung auf Frieden und Brot. Immer mehr Menschen aber bleiben zu Hause, die Seidenstraße bietet Ausbildung und Jobs. Der Onkel aus der Türkei oder Deutschland schickt Geld. Das Leben im Osten ist billiger, man spricht seine Sprache und hat Familie.

      Noch bleibt der Mittlere Osten ein gefährlicher Hotspot für Flüchtlinge, Terroristen, Abenteurer, Reporter. Die Route von Pakistan über Afghanistan, Irak, Iran in die Türkei zu Fuß, per Bus oder Truck, von Syrien oder Libyen übers Meer ohne Papiere … es profitieren teure Schlepper. Wer Geld und Visum hat, fliegt. Sklaven zahlen für eine düstere Zukunft. Der Preis ist zu hoch, die Seidenstraße bietet inzwischen mehr, Schlepper haben es schwer. Nur wer dumm ist, glaubt ihnen noch. Der Westen bietet gefährliche Schwarzarbeit.

      Die Neue Seidenstraße durch Zentral- und Ostasien, Ost- nach Westeuropa entwickelt sich zu einer weltwichtigen Handelsstraße, mit Kameras und Polizei. Flüchtlinge sieht man hier kaum. Gibt die Neue Seidenstraße den Menschen Möglichkeit und Hoffnung, im eigenen Land etwas erreichen zu können? Investoren und Entwicklung schaffen Jobs, Hoffnung, Zukunft.

      Wer zu Hause keine Arbeit findet geht ins östliche Nachbarland, der Traum vom Westen verändert sich. Die Neue Seidenstraße bietet neue Gelegenheiten. Internationale Karrieren, Ausbildung, Kriminalität. Chinesisch ist die zweite Wahlsprache, schon im Kindergarten, gefolgt von Arabisch. Die Seidenstraße ist ein fantastischer Katalog von Möglichkeiten, die der Westen immer weniger bietet.

      Man wird sich daran gewöhnen, dass die nächste Generation nicht Demokratie und Menschenrechte verlangt, aber Ausbildung und Wissen, mit dem man mehr erreicht. Asiatische Universitäten und |Hochschulen überholen westliche 2021.

      Jobs und freier Handel, nicht Politik, wird die Welt verändern, die Seidenstraße gibt einen Anstoß.

      Flüchtlinge dienen immer der Politik. Die Seidenstraße aber ist eine Handelsstraße.

      SKLAVEN

      Moderne Sklaven kann man allen Ländern der Welt trotz Verbot zuordnen. Know-how macht Sklaven frei.

      Sklaven wurden einst lebendig mit ihrem Herrn begraben. Machte ein Sklave einen Fehler, wurden alle bestraft. Trotzdem gab es schon 73–71 v. Chr. Sklavenaufstände, die in Rom gewaltige Ausmaße annahmen. Gladiatoren waren Sklaven, Kriminelle, Freiwillige, die sich in der Arena gegeneinander und gegen Löwen und Hyänen blutige Schlachten liefern mussten, bis sie tot umfielen, zum großen Spaß der Römer auf den Tribünen.

      Sklaven wurden und werden verschleppt, schöne Frauen gestohlen, Kinder zur Arbeit gezwungen. Seneca war nicht allein, als er sagte, ein Sklave könnte ein Freund sein. Es gab Freilassungen, nicht nur im Christentum. Es gab und gibt Menschen, die ihre Sklaven gut behandeln.

      Prostitution, Kinderarbeit, Angebot und Nachfrage … das hat sich bis heute nicht verändert. 100 Millionen Menschen in der Welt haben kein Recht zu widersprechen. Organisationen stehen für moderne Sklaven ein. Viele Menschen sind Sklave ihres eigenen Lebens. Ich habe keine Wahl, sagen die Hostessen, wir brauchen das Geld. Ausbildungsangebote auf der Seidenstraße multiplizieren sich.

      1980 gab Mauretanien als letztes Land die Sklaverei auf. Mit den Kolonien endete der Sklavenhandel offiziell. Versklavt werden heute aber immer noch Millionen in allen Staatsformen.

      Sieht man den Film Gladiator von Ridley Scott, scheint sich die Welt in ihren Grundsätzen nicht verändert zu haben. Demokratie und Menschenrecht sind Worte, die der Politik dienen.

      ZHANG QIAN

      Der bekannteste und vielleicht früheste Wegbereiter der Seidenstraße war Zhang Qian, 164 v. Chr. geboren, ein chinesischer Diplomat. Er reiste aus der Provinz Shaanxi an, um Kaiser Wu in Xian zu dienen.

      Kaiser Wu aus der zweiten chinesischen imperialen Han-Dynastie 206–220 v. Chr. entsandte Zhang Qian 138–134 v. Chr. als Diplomaten und Edelmann vom westlichen Chang’ An (Xian) nach Zentralasien, um ihm über von Nomaden überbrachte Geschichten von Völkern und Kulturen sowie vom erstaunlichen hellenistischen indo-griechischen Königreich zu berichten. Unterwegs sollte er ein Bündnis mit den Xiongnu und den Yuezhi in Tadschikistan erreichen – zwei verfeindete wichtige Stammesvereinigungen, die schon vor der Han-Dynastie existierten.

      Auf dem Weg wurde er von einem Xiongnu/Hunnen, der von den feindlichen Yuezhi übergelaufen war, in der heutigen Mongolei gefangen genommen. Sie sprachen Indoeuropäisch. Er nahm sich eine Frau und befreundete sich mit dem Xiongnu-Stammesführer, der ihn zehn Jahre lang festhielt. Dann konnte er flüchten und reiste nach Ferghana, heute Tadschikistan, blieb ein Jahr, um über das Volk, die Kultur und Wirtschaft berichten zu können. Hoch entwickelt und städtisch, schrieb er über das 4–2 v. Chr. von Griechen/Sogdien besiedelte Land.

      Dann bereiste er das Land der Yuezhi-Nomaden, die über 100.000 Bogenschützen hatten, um Kriege zu führen. Die Yuezhi lebten in Afghanistan (heute Balch), Usbekistan und Tadschikistan und trieben intensiven Handel. Zhang dokumentierte ihre Bräuche und Wirtschaft, entschied sich aber, mit dem Xiongnu-Bündnis zu warten.

      Im Tarim-Becken (heute Xinjiang, China) fand man mehrere europäisch anmutende und indogermanische Mumien aus der Zeit 3200–800 v. Chr., die auf griechische Präsenz hinweisen. Die Wissenschaft staunte. Im Museum von Ürümqi schaut ein Europäer den Besucher an: 176 cm groß, lange Nase, blondbraunes Haar, helle Haut, europäische Kleidung. Wo kam er her?

      1937 wurden die ersten Trocken-Mumien gefunden, aber China behielt das Geheimnis für sich. Wer waren diese Leute? Einfach oder mit Leder bekleidet, keine Accessoires, nichts. Hunderte Mumien wurden ausgegraben, ausgestellt, im Keller versorgt, sie waren, gewollt oder nicht, mit Wüstensand überschüttet. China hatte vor 80 Jahren kein Geld für Wissenschaft. Sand und Salz hatte die Mumien erhalten. Was geschah 3000–5000 v. Chr. im damals mongolischen Tarim-Becken? Nicht alle Mumien sind europäisch, manche scheinen kaukasisch, andere asiatisch.

      DNA-Resultate ergaben Österreich, Skandinavien, Deutschland was widerlegt wurde. Es wären Tocharer, aber wer waren die Tocharer? Ihre Sprache stand dem Keltischen, Italienischen, Germanischen und Griechischen nahe, aber es war Tocharisch und wurde bis zum 4. Jahrhundert für religiöse Texte verwendet. Die Mumien sollen deren Vorfahren sein, die sich dem mächtigen Yuezhi-Stammesverband angeschlossen hätten. Bis ins Mittelalter hieß ihr Land Tocharistan und lag im nördlichen Afghanistan.

      Wie aber sind diese Tocharer nach Westchina gekommen? Wissenschaftler sind sich einig: lang anhaltende Wanderbewegungen, die im 4. Jahrhundert v. Chr. begonnen haben.

      Barbaren aus dem Norden Europas, vom Kaukasus bis in die Mongolei, interessierten sich für die Hochkulturen Mesopotamiens, wo sie Kriegsführung und politische Organisation lernten und damit weitere unbedarfte Stämme für ihre ostasiatischen Expeditionen gewannen. Oder waren diese Barbaren oder Hunnen etwa einst aus Zentralasien nach Europa gewandert? Sind die Hunnen aus dem Kaukasus in die Mongolei und von dort bis nach Italien und Orleans gewandert?

      Viele Stämme machten die Xiongnu und die Yuezhi aus, diese stammten aus dem sibirischen Norden, dem Kaukasusgebiet, Mesopotamien, dem Indus, dem Iran oder Sibirien der Mongolei, Han-China oder Ostasien, gar Korea. Die Gründer von Xiongnu und Yuezhi waren Asiaten, die die Fremden zur Han-Zeit hinauswarfen. Diese zogen oft als Söldner nach Westen und eroberten alles, was ihnen im Weg stand. Wanderungsaustausch in alle Richtungen. Manche Sand-Mumien könnten dabei verdurstet sein.

      Es ist lange her, man weiß nur wenig und liest dennoch viel. Neue Technologien und Ausgrabungen werden die Antworten geben. Die Seidenstraße ist eine gigantische Fundgrube.

      Damit könnte Qian einer der ersten Chinesen gewesen sein, der als Diplomat und nicht als Eroberer reiste. Kaiser Wu wollte mehr über die Yuezhi und die Xiongnu erfahren. Sie waren seine Nachbarn – Feind oder Freund? Die Beziehungen waren komplex – Söldner, Händler,