Cornelia Reiwald

Die Seidenstraße – gestern - heute - morgen


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Welt machen, die islamische Diaspora ist groß. Millionen Bauarbeiter plus werden ausgebildet, sie arbeiten mit am größten Infrastrukturprojekt der Welt, der Seidenstraße, und schicken Trillionen nach Hause, die zur Entwicklungshilfe werden. Wissenschaft, Medizin, Management, Uni-Abschluss, Facharbeiter sind gefragt oder werden ausgebildet.

      Die Seidenstraße ist das fantastischste Naturreservat der Erde und gleichzeitig ein Tummelplatz für Wissenschaftler, Entdecker, Abenteurer, Archäologen, Jobsucher, Studenten, Familien. China ist Die Zukunft der Wissenschaft, sagt die Konrad-Adenauer-Stiftung.

      Eine junge Frau im Zug sagt: »Im Westen reißen sie den Fröschen die Beine aus, um sie zu essen, die Chinesen aßen einst Fledermäuse, wo ist der Unterschied?« – »Gesunder Menschenverstand statt Arroganz«, meint ein Ägypter im Straßencafé, er ist Israeli und lebt in Syrien, ich traf ihn im Iran. Kreativität statt Dekadenz.

      Ein arabischer Arbeiter steigt ein, die Frauen kümmern sich um sein Gepäck, die Männer schauen zu. Dann kommt die Polizei und holt ihn raus: No ticket.

      Es ist Mitternacht, Frauen und Kinder schlafen, die Männer reden laut bis um vier in der Früh. Alles, was unterwegs einsteigt, schläft sofort ein. Frühstück ist Nudelsuppe aus dem Pappbecher, ehe sie ihre tausend Sachen im Wagen verstreut zusammenpacken und aussteigen.

      Armenier steigen ein und stellen die üblichen Fragen. »Armenien«, erklärt die Frau, »lebt mit Konflikten, seitdem ich geboren bin, die Nachbarländer lassen uns nicht in Ruhe, es gibt neunzehn Prozent Arbeitslosigkeit, Korruption, Anspruch auf Karabach, Erdbeben und Völkermord.« – »Das verstehst du nicht«, sagt ihr Mann, »wir schaffen das schon, der Westen soll sich raushalten, er versteht das nicht. Wir spielen immer wieder Frieden mit der Türkei und Russland. Ein paar Tote und die Medien tun, als würde das die Welt interessieren.« Er erklärt, das Kaspische Meer bei Baku in Aserbaidschan habe den Wolga-Zugang nach Russland. Öl, Gas, Tourismus und Finanzen machten das Land relativ stabil mit nur fünf Prozent Arbeitslosigkeit, Baku würde zur neuen Feriendestination. Baku am Kaspischen Meer sei eine moderne Stadt mit Geschichte und 40.000 Jahre alten Felsmalereien. Armenien, erste christliche Nation der Weltgeschichte, und Aserbaidschan haben eine geopolitische schwierige Lage zwischen der Türkei, Iran und Russland. Der Konflikt wegen Karabach wird von Terroristen und fremder Einmischung gefördert, für die Unruhen in der Region von Nutzen sind. Wer nicht vor Ort ist, kann die Situation schwer abschätzen. Russland bittet um Ruhe und tut gut daran, denn die Region braucht Festigkeit, nicht Verzettelung. »Ein Balanceakt«, fährt er fort, »besuchen Sie uns, aber sprechen Sie nicht über Armenien, Karabach oder Religion. Kleine Dörfer rund um Jerewan laden friedlich ein, wir sind nicht der Mittlere Osten oder Afrika. Viele reden, ohne unsere Geschichte zu kennen, wir wollen Frieden, nicht Einmischung.«

      Seine Frau meldet sich zu Wort: »Probleme sind hier andere, aus der Sowjetzeit, der Islam«, sagt sie leise, »das Öl und die Pipelines. Wir sind keine Araber, wir stammen von den Mongolen ab, das ist eine andere Familie … Der Mann unterbricht schnell, wechselt das Thema: »Hören Sie zu. Weißrussland protestiert ohne klare Gegenbewegung gegen den autoritären Präsidenten, Russland interveniert, Lukaschenko besucht die Aufrührer im Gefängnis. Jedes Land setzt seine eigenen Prioritäten zuvorderst. Besuchen Sie die Ex-Sowjet-Länder, besuchen Sie Russland, die Seidenstraße, China, das mir gerade einen Job als Ingenieur beschert.«

      Die Seidenstraße ist jeden Tag neu. Ein Japaner am Ende des Wagens mischt sich ein: »Es gibt dunkle Momente, aber nach dem Dunkel kommt das Licht. Yin und Yang. Die Seidenstraße ist wie eine internationale Schule. Wir müssen voneinander lernen.«

      Während sich der Westen sucht, findet Asien langsam zusammen. Russland selbstbewusst, die Türkei nach Osten tendierend, die Friedensanstrengungen des Mittleren Ostens, das wache Zentralasien, die Kraft Chinas und Südostasiens, das aufmerksame Japan erstarken.

      »Die Vergangenheit ist im Museum, die Zukunft eine Überraschung«, ruft jemand.

      UNTERWEGS IN INDONESIEN

      Der westliche Tourismus wird sich verändern. Der Westen hat viele Inseln gestohlen und bräunt sich an deren Stränden. Ureinwohner erwachen und wehren sich. Hunderte Grass-root-Gruppen arbeiten am Erhalt ihrer Naturreservate, Cardamon in Kambodscha ist nur ein Beispiel, 4,4 Millionen Hektar Regenwald erlauben uns zu atmen, man informiere die sozialen Medien, schließe sich einheimischen Gruppen online an. Ideen sind oft mehr als Geld und Tourismus.

      Indonesien ist ein muslimisches Land auf 17.000 Inseln – Sumatra, Java, Borneo, Bali die berühmtesten –, wo 1300 Ethnien über 700 Sprachen sprechen. Die Lage am Meer und mehr als 2000 Häfen, die gerade modernisiert werden, machen Indonesien seit Jahrhunderten zu einem wichtigen maritimen Handelspartner. Hier lebte Java Man vor 1,5 Millionen Jahren.

      50000–2000 v. Chr. wanderten das Taiwan und negroid australoid People über niedriges Meerwasser oder Land ein, man weiß so wenig. Die Verwandtschaften sind bewiesen, man forscht weiter. 200 v. Chr. folgte die buddhistische und insbesondere Hindu-Beeinflussung und Hochkultur bis zum 13. Jahrhundert (Borobudur oder Yogyakarta aus dem 11. Jahrhundert). Im 13. Jahrhundert kam der Islam, der erst die Mongolen verdrängen musste, um das Malakka-Sultanat einzurichten. Es folgten Sultanate, die archäologische und historische Rekorde oder ein Goldenes Zeitalter hinterließen.

      1511 eroberten die Portugiesen das Land und importierten das Christentum und internationalen Handel. Gefolgt 1596 von den Niederländern, die die Ostindienkompanie gründeten, Zwangsarbeiter auf Kaffee-, Gewürz- und Tee-Plantagen ausbeuteten, was bewaffnete Rebellionen hervorrief und den Beginn einer modernen, sich wehrenden Gesellschaft bedeutete.

      Die Japaner unterwarfen das Land genauso brutal 1942–1945, als Hatta und Sukarno gefolgt von General Suharto die Unabhängigkeit ausriefen, was die Niederländer mit einem blutigen Krieg auf Java beantworteten. 1949 wurden diese Kriege mit einer Erklärung der UNO beendet. (Japan förderte den Islam und radikalisierte das Volk im 2. Weltkrieg gezielt für seine eigenen Interessen und sein zukünftiges Weltreich. Sukarto und Suharto regierten autokratisch Millionen Kommunisten und die chinesische Minderheit wurde ermordet. Bis 1975 herrschte Rebellion.)

      1997 gipfelte die Finanzkrise in blutige Unruhen in Jakarta, Osttimor wurde aufgegeben, Aceh und Sumatra befriedet, freie Wahlen fanden statt.

      Indonesien ist der größte muslimische Staat der Welt. Fast alle sind Sunniten, die man in orthodoxe und gemäßigtere Formen teilt. Es gibt dschihadistische Orientierungen. In 16 Provinzen gilt die Scharia. Die wichtigste Partei orientiert sich an der ägyptischen Muslimbruderschaft.

      Islam ist nicht de jure die Staatsreligion, dies ist die von Sukarno 1945 formulierte Staatsideologie Pancasila, die auf Ausgleich und Toleranz zwischen den Völkern und Religionen Indonesiens abzielt und sechs davon offiziell anerkennt.

      Indonesien wächst. Vergangenheit ist Geschichte, die Herausforderung der Seidenstraße erwartet eine schnelle Erholung nach der Pandemie. Die formelle Wirtschaft soll gefördert werden. Ein BIP von 7 % soll wieder erreicht werden. Indonesien ist jung, 27 % arbeiten im Agrarsektor, zweitgrößter Produzent von Naturkautschuk weltweit. Indonesien ist Reis-, Zuckerrohr-, Kaffee-, Tee-, Tabak-, Palmöl-, Kokosnuss- und Gewürz-Produzent. Palmöl, Kohle, Gas und Gold werden exportiert.

      Das Ease of doing Business in Indoniesien steigt. Im Index ist das Land moderat frei. Mit 4.640 privaten und staatlichen Institutionen im Bereich der tertiären Ausbildung hat Indonesien eines der größten und divergentesten Hochschulsysteme der Welt. 577 Universitäten, 2500 hohe Schulen, 1200 Akademien, 250 Polytechniken. Realität ist eine arme/untere Mittelklasse bis Reichtum. Eine Jugend, die den Islam wie jede andere Religion betrachtet. Scharia kann, aber muss nicht sein. Eine Jugend mit Blick auf die Außenwelt, die Öffnung Indonesiens, internationale An- und Aussichten ohne Einmischung. Teilhaben an der Zukunft, Politik ist kein Thema.

      Ein Moschee-Besuch mit dem Imam ist spannend und verbunden mit viel Humor sowie dem Erklären des Islam Konzepts. Er reist um die Welt, auf der Seidenstraße, und freut sich, andere Menschen zu treffen und sich auszutauschen. Er verteidigt mich im Bus gegen stoßende Massen und gewinnt zwei Sitzplätze für uns. Frauen schauen verblüfft.