Cornelia Reiwald

Die Seidenstraße – gestern - heute - morgen


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und auf der Seidenstraße dient das Pferd weiterhin Transport, Tourismus sowie Landwirtschaft und ersetzt in unbefahrbaren Geländen Motorrad und Auto. So haben sich die wilden Pferderassen seit Dschingis Khan nicht verändert, es gibt davon mehr als Menschen. Das Pferd sowie der Hund gehören zur Familie. Pferde leben bei Hitze und Eis, finden ihr Futter selber und liefern Milch für das Nationalgetränk Airag. Schon 3000 Jahre v. Chr. sagten die Chinesen der Stutenmilch heilende Wirkung nach.

      Pferd, Kamel und Maulesel sind die letzten Seidenstraße-Ureinwohner. Sie wissen, was der Mensch nie verstehen wird.

      Wie die Menschen sind Pferde der modernen Welt und der Umweltveränderung ausgesetzt. Das einst grüne Weideland vertrocknet, Schafe und Vieh verdursten, das Einkommen ist gefährdet. Das Land wird für Bewässerungsversuche und die Entstehung moderner Infrastrukturen abgesperrt. Die Stadt rückt naher und bietet besseres Leben und Ausbildung. Wohin mit den Viehzüchtern, den Tieren, den Pferden? Wohin mit der Kultur des Tieres, das uns Jahrtausende zur Seite stand?

      Die Kinder freut die neue Schule in der Stadt, sie wollen vom neuen Leben profitieren, während die Eltern in der Fabrik oder auf dem Bau für sie arbeiten, damit es ihnen einmal besser geht.

      Gute mongolische Pferde sind gefragt, Chinesen entwickeln sich zu Liebhabern und Kennern, der neue Reichtum ließ sie das Tier entdecken, sie kaufen teuer ein und pflegen und lieben sie. Es gibt immer mehr Pferdefans und Touristen, Reitschulen. Polo, Rennen, Turniere auf der Seidenstraße – aber das Pferd als Arbeitstier wird nie ganz verschwinden, Bergregionen und Armut werden es erhalten. Dafür entsteht der Handel rund ums Pferd, vom Ledersattel und hundert Accessoires, die das Tier verlangt.

      Es entstehen Orte der Ruhe, wo sich alte Pferde ihres Alters erfreuen. Mongolen, Kasachen, Chinesen, Nomaden-Gemeinschaften, die sich für das Pferd einsetzen. Es gibt wieder bewässerte Weiden, grüne Steppenteile, Touristen-Jurten mit viel Land.

      Die Przewalski-Pferde, robust und dickfellig, sind nicht die letzten Wild- sondern verwilderte Pferde. Ähnlich wie die ersten Seidenstraße-Wanderer sind diese Urpferde ausgestorben. Domestizierung, Zähmung, Züchtung, natürliche oder vom Menschen geschaffene Kreuzungen auch mit Eseln, ließen die Urpferde verschwinden.

      Das afrikanische Berberpferd, später mit dem Araber gekreuzt, wurde in vielen Kriegen eingesetzt und könnte von Nordafrika über die Seidenstraße galoppiert, sich gekreuzt und angepasst haben; manch perfektes Pferd ist nicht reinrassig aber eine gelungene Zufallskreuzung. Pferde sind nicht störrisch, sie sind der Menschen bester Freund.

      KAMEL

      Sie sind Säugetiere: Allweltkamel, zweihöckriges Trampeltier, einhöckriges Kamel, Dromedar. Es gibt die Lamas und die höckerlosen Kleinkamele oder die Alpakas. Sie reichen von 150–700 kg. Kamele gibt es fast auf der ganzen Seidenstraße bis zum arabischen Raum, heute gibt es sie auch in Nordafrika und Australien. Ein ähnliches Tier soll es vor 50 Millionen Jahren in Nordamerika gegeben haben. 3,5 Millionen Jahre alte Knochen fand man in der Arktis. Von dort haben sie sich über Alaska und Russland nach Eurasia ausgebreitet, wo sie sich vom weichen Schnee an den Sand gewöhnten.

      Kamele lieben es heute trocken, können im ganzen Körper Wasser speichern, ihre Körpertemperatur regulieren; die Höcker dienen als Fettspeicher, sie leben in bis zu 5700 m Höhe. Hybridbildungen stammen von alten und modernen Kamelen. Und während ein Pferd bis zu zehn Liter Urin pro Tag abgibt, sind es beim Kamel nur ein paar Knollen Kot. Das Kamel ist ein wahrer Überlebenskünstler in der Wüste, genügsam und widerstandsfähig. Schnell und geduldig zugleich trägt es bis zu 450 Kilo – im Tourismus sind es 150 Kilo –, die es 20–40 Kilometer am Tag transportiert. Es kann fünf bis sieben Tage ohne Wasser überleben. Es liebt Datteln und Weizen. Das Kamel ist wie die Kuh Vegetarier und sein Dung wertvolles Brennmaterial.

      Der EU-Markt ist für Kamelmilchprodukte geöffnet: Pharma- und Kosmetikindustrie, Nahrungsergänzungsmittel, Proteine, Eiscreme und Schokolade, Vitamin C, Eiweiß. Es gibt große Heilversprechungen. Kamel- statt Kuhmilch ist besser und schmeckt ähnlich. Es gibt klinische Studien, genauso wie die Futterergänzung für die Tiere selbst.

      Dubai exportierte bis MERS, ein dem Mittleren Osten zugeordnetes Coronavirus, den Verkauf etwas bremste. Aus Corona-Ländern einreisend zögerte ich und kaufte die Kamelproteine dann doch nicht. Dabei gilt es, diese relativ neue Industrie genau zu beobachten, weil Kamelmilch weniger industriell und natürlicher ist. Ein Tier gibt bei maschinellem Melken bis 15 Liter Milch am Tag. Kamele geben jedoch keine Milch, wenn sie sich nicht wohlfühlen. Schubat heißt der Joghurt in Kasachstan. Eine Molkerei in der Wüste Nouakchot mit Namen Tiviski trägt mit Kamelmilchprodukten seit 1989 zur mauretanischen Wirtschaft bei. Das hochmoderne Unternehmen exportiert seine Produkte in die ganze Welt. Der fabelhafte Kamelweichkäse Caravane und die Dromedarmilch ersetzen Vitamine, die im selten vorhandenen Gemüse in der Wüste nicht vorhanden sind. Ein Schweizer Bauer lanciert Kamelkäse in Australien.

      Die ETH in Zürich erforscht die echten Vorteile der mongolischen Seidenstraße. Kamele gibt es immer weniger. Es fehlt an Gras und Wasser. Die Europäer importierten das Kamel im 19. Jahrhundert nach Australien und als es sich tausendfach vermehrte, wurde es aus Helikoptern erschossen. Tier-Rassismus heißt das.

      Echte Kamel-Wolle und -Leder können teuer und beliebt sein, für die Exotik-Küche bestellt die ganze Welt in Australien online sehr teures Kamel-Fleisch aus Kulturen. In den arabischen Ländern ist das Fleisch natürlicher, billiger. Kamele bedeuten ein Vermögen für den Nomaden, viele haben nur ein einziges. Man schlachtet sie nur bei Verletzung oder wegen des Alters und beerdigt sie in Ehren. Im Koran trägt Gott viele Namen, der hundertste ist ein Geheimnis, das nur das Kamel kennt und deshalb den Kopf hoch erhoben trägt. Das Kamel ist eine Gabe Gottes.

      Kamele sind immer noch wichtige Last- und Nutztiere, insbesondere in unterentwickelten Ländern. Früher dienten sie auch im Krieg. Heute spielen sie eine wichtige Rolle im Tourismus. Freilebend gibt es nicht mehr viele Tiere, wenige findet man in der Mongolei und in China, wo sie sich abends neben den Touristen legen und diesen beschützen.

      Das Kamel ist ein treues Tier, mit dem man freundlich umgehen muss. Ohne Kamele wäre die Seidenstraße nicht zur Handelsstraße geworden, sie trugen schon vor Jahrtausenden die halbe Welt von Ost nach West und umgekehrt.

      Touristen lieben das Kamel, es ist von der Seidenstraße, aber auch in anderen Ländern nicht mehr wegzudenken. Die Tuareg Nomaden beteiligen es wie damals am Salztransport.

      Für Hindus, Juden, Zoroastrier, Kopten und Christen in Ägypten ist das Fleisch tabu sowie Herz und Hoden für Frauen und Füße für Männer in Somalia.

      Die UN ruft 2024 zum Jahr des Kamels aus, um auf das ökologisch und ökonomisch wichtige Tier aufmerksam zu machen.

      Die chinesische Tang-Dynastie ehrt das Kamel in glasierter Terrakotta seit dem 7. Jahrhundert.

      ZUKUNFT 2

      2020: Der Mensch hat die Natur seinen Wünschen angepasst. Er glaubt Feuer, Wasser, Luft und Erde, Sonne und Mond gehörten ihm. Vielleicht ist es umgekehrt.

      Der Mensch oder Homo sapiens hat vorerst gewonnen. Wann ging die Verbundenheit mit der Natur verloren? Wann waren Tier und Mensch noch gleich? Was geschah? Es war ein Kräftemessen, das Sapiens gewann. Er hatte die Natur erobert.

      Naturverbundenheit gibt es nicht mehr, nur noch Menschen und Tiere in der Natur, Aktivitäten, Sport, Nomadenleben, Einsiedler, wie der kirgisische Film Centaur erklärt. Die letzten mit der Natur verbundenen Menschen konnten nicht überleben, weil sie zerrissen, verzweifelt und gequält das Ende des Zusammenlebens von Menschen und Natur nicht ertrugen. Gott und Menschen haderten. Einen Weg zurück gibt es nicht.

      China, Japan, Korea, Indien … Kulturen bis Westeuropa bewahren einen starken, oft unbewussten Kontakt zur Natur. Alle Kampfsportarten sowie die asiatische Philosophie und Religionen haben einen direkten Bezug zur Natur. (Der Verzehr von Tieren kam ursprünglich vom Hunger, ehe er degenerierte.) Trotz westlichem Einfluss, der Grundgedanke bleibt: Equal earth. Es ist einer der eklatantesten Unterschiede zwischen Ost und West. Im Westen betet man im Tempel, im Osten ist dieser auch die