Dagmar Isabell Schmidbauer

Todesfalle Campus


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      Von Dagmar Isabell Schmidbauer

      Todesfalle Campus

Kriminalroman

      Imprint

      Todesfalle Campus

       Dagmar Isabell Schmidbauer

      published by: epubli GmbH, Berlin

       www.epubli.de

      Copyright: © 2016 Dagmar Isabell Schmidbauer

       www.der-passau-krimi.de Konvertierung: Sabine Abels | www.e-book-erstellung.de

      Prolog

      Keuchend brach er im Sand zusammen. Horchend blieb er liegen, bis er sicher war, dass ihm niemand folgte. Auf der einen Seite der Sandbank, nur ein Stück von ihm entfernt, floss der Inn an diesem Tag ungewöhnlich träge dahin. Auf der anderen Seite gab es ein kleines Waldstück und dann diesen Radweg. Wenn sie doch noch kämen, um ihn zu holen, säße er in der Falle. Dann könnte er nur noch ins Wasser gehen und versuchen, das andere Ufer schwimmend zu erreichen.

      Er hob den Kopf und stützte ihn mit der rechten Hand ab. Die Stimmen, die er vernahm, waren weit weg, und sie schienen auch nicht bedrohlich zu sein. Trotz allem würde er aber vorsichtig sein. Lieber noch eine Weile abwarten, bis die Luft wirklich rein war.

      Plötzlich raschelten im nahen Gebüsch Schritte. Sein Herz schlug schneller, seine Muskeln spannten sich. Er war zum Sprung bereit. Dann die Entwarnung: In der zunehmenden Dämmerung erkannte er, dass sich ihm arglos ein schwarzer zotteliger Hund näherte. Erleichtert ließ er sich zurück in den Sand fallen. Der Hund kam näher und leckte ihm zutraulich erst über die Hände, dann übers Gesicht. Energisch schob er ihn weg, woraufhin der Hund sich ebenfalls im Sand niederließ. Blödes Vieh, dachte er und begann mit der linken Hand im Sand zu kratzen. Aufmerksam folgte der Hundeblick seinem Tun. Er mochte keine Hunde, hatte keine Lust mit ihnen zu toben und zu spielen, er brauchte keinen Kameraden.

      In der oberen trockenen Sandschicht fand er einen Kronkorken. Erst blickte er ihn an, als habe er noch nie einen Kronkorken gesehen, dann buddelte er mit seiner Hilfe tiefer, bis seine Finger auf einmal etwas Größeres, Massives berührten.

      Er richtete sich ein wenig auf, um so den ganzen Gegenstand freizulegen. Vielleicht hatte er ja etwas Wertvolles gefunden, dachte er noch und musste gleich darauf feststellen, dass es sich nur um eine Eisenstange handelte. Um eine angerostete Eisenstange, um genau zu sein. Nichts Besonderes eigentlich. Doch als er mit der Hand über die raue Oberfläche strich, bahnten sich Erinnerungen ihren Weg ans Licht, die er lange und tief verdrängt hatte.

      Seine Kehle wurde eng, es war, als müsse er ersticken. Er sprang auf und schnappte nach Luft, wollte zum Wasser, doch seine Beine versagten ihm ihre Dienste. Und dann schoss dieses Dröhnen in seinen Kopf, das wie eine Botschaft aus vergangenen Zeiten war. Panik erfasste ihn. Er schüttelte den Kopf, warf ihn in den Nacken. Der Hund sprang an ihm hoch, jaulte auf und warf sich vor ihm in den Sand. Vielleicht wusste er instinktiv, was gleich passieren würde.

      Kurz schloss er die Augen. Als er sie wieder öffnete, war der Schwindel vorbei. Eine neue, nie gekannte Kraft erwuchs in ihm. Mit der rechten Hand hob er die Eisenstange empor und schlug mit einer einzigen Bewegung den Hund nieder, der erst vor Schmerz aufjaulte und dann nur noch kläglich winselte.

      Da hob er die Eisenstange erneut und schlug zu, wieder und immer wieder, bis der Hund leblos liegen blieb. Erst jetzt ließ er die Stange sinken und entdeckte, dass seine Jacke voller Blut war. „Scheiß Köter!“, fluchte er und stierte auf seine ruinierte Jacke. Mit dem Fuß verpasste er dem Hund einige Tritte. Währenddessen zog er das Messer aus seiner Jacke und stach dann haltlos auf den leblosen Körper ein.

      Wochen später …

      „Guten Morgen Paulina, bist du schon wieder fit?“

      Während Paulina auf dem Inn-Radweg entlang in Richtung Uni schlenderte, hatte sie ihr Studienkollege Bene mit seinem Fahrrad eingeholt und fuhr nun langsam neben ihr her. „Soll ich dich vielleicht ein Stück mitnehmen?“

      Die junge Frau musterte seinen durchtrainierten Körper und lachte hell auf. Schließlich schüttelte sie noch immer belustigt den Kopf und scheuchte ihn mit den Händen davon. „Mach, dass du weg kommst, du verrückter Kerl!“, rief sie ihm lachend hinterher und sah zu, wie er in Richtung Audimax davon radelte.

      Am gestrigen Abend hatten die jungen Leute mal wieder mächtig gefeiert und dabei ordentlich getankt. Passau hatte, wie jüngst eine Umfrage unter Studierenden ergeben hatte, den schönsten Campus Deutschlands. Unter den Passauer Studenten war das natürlich längst bekannt. Wer einmal einen Abend auf den Inn-Wiesen verbracht hatte, wusste auch warum. Kaum lockte die sommerliche Wärme, schon fanden sich die ersten Gruppen mit Grill, Fleisch, Salaten, Bier und Musik ein, und in Nullkommanichts war die ganze Wiese bevölkert, der Campus eine einzige Feiermeile.

      Heute nun hatte Paulina um zehn Uhr eine Vorlesung bei Professor von Kalckreuth im neuen Informatikzentrum. Da würde sich zeigen, ob die, die gestern so fröhlich gefeiert hatten, heute auch rechtzeitig aus ihren Betten gekommen waren.

      Bene war längst weg, als Paulina noch immer auf dem Radweg stand und ihm fröhlich hinterher winkte. Sie trug an diesem herrlichen Junitag ein weißes italienisches Spitzenkleid, das mit kühler Seide abgefüttert war, dazu Flipflops. Ihre langen dunklen Haare wehten offen in der leichten Brise, die vom Inn zu ihr heraufstieg. Der Campus lag schon in Sichtweite, nach und nach entdeckte sie immer mehr Kommilitonen, die sie von gemeinsamen Kursen kannte.

      Dass der Passauer Campus nicht nur einer der schönsten, sondern auch einer mit einer ganz besonderen Geschichte war, hatte Paulina erst gestern Abend erfahren. Früher stand hier der städtische Schlachthof. Dieser war 1892 erbaut worden und galt damals als einer der modernsten. Neunzig Jahre später musste er allerdings den Neubauten der Universität weichen. Heute erinnert nur noch die alte Trafostation an diese Zeit. Da, wo einst Tiere geschlachtet, Fleischwaren hergestellt und die Felle verwertet wurden, hängen heute Studenten herum, hatte man ihr gestern als Witz erzählt. Ein irgendwie gruseliger Vergleich, dachte Paulina auch heute noch und bog jetzt ebenfalls in Richtung Audimax ab.

      Vor ein paar Monaten hatte sie relativ spontan beschlossen, ein Aufbaustudium in Informatik an ihr abgeschlossenes BWL-Studium anzuhängen. Bei ihrem Chef war sie sofort auf offene Ohren gestoßen. Ganz anders sah die Sache allerdings bei ihrem guten Freund Josef Schneidlinger aus, dem leitenden Kriminalhauptkommissar der Passauer Mordkommission. Als sie ihm von ihrer Absicht erzählt hatte, war der praktisch aus allen Wolken gefallen.

      „Du willst tatsächlich wieder studieren?“, hatte er gefragt und sie dabei angesehen, als wolle sie sich an einen reichen Scheich verkaufen.

      Bei der Erinnerung an dieses Gespräch wurde Paulinas Grinsen breiter. Dieser Gedanke kam bei ihm natürlich nicht von ungefähr. Während ihres BWL-Studiums an der LMU München hatte sie, nebenbei und wie sie fand sehr elegant, für einen Escort-Service gearbeitet. Es gefiel ihr durchaus, mit interessanten Männern auszugehen und, naja, manchmal war natürlich auch mehr daraus geworden, aber auch das zählte zu den interessanten Erfahrungen ihres Lebens. Viele dieser Männer waren tatsächlich mehr daran interessiert gewesen, ihr etwas Gutes zu tun, als für sich etwas zu fordern. Wobei es letztlich in jedem Fall auf das Gleiche hinaus lief. Sie hatte mal mehr und mal weniger guten Sex gehabt, na und? Die Männer, die sie über den Escort-Service traf, waren zwar alle nicht mehr ganz jung, dafür hatten sie aber Manieren, waren gepflegt und sauber. Von ihren anderen Partnern konnte sie das nicht immer sagen.

      Josef Schneidlinger war nicht nur leitender Kriminalhauptkommissar bei der Passauer Mordkommission, sondern auch glücklich verheiratet und Vater von vier Kindern im anstrengendsten Alter, wie er immer betonte. Paulina selbst war praktisch ohne Anhang und konnte tun und lassen was sie wollte. Dank einer guten Stelle mit interessanten Inhalten war sie unabhängig und frei. Trotzdem, oder vielleicht