Dagmar Isabell Schmidbauer

Todesfalle Campus


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Glas Rotwein zu zweit vorangeschritten war.

      Kennengelernt hatten sie sich ebenfalls über den Escort-Service, nur dass Schneidlinger sozusagen auf der anderen Seite gestanden hatte. Einer ihrer Begleiter war zu ihr zwar ausgesprochen zuvorkommend und sehr großzügig gewesen, nebenbei hatte er aber auf nicht so ganz feine Art Geschäfte abgewickelt, die dazu führten, dass er in den Fokus der Polizei geriet und mit ihm Paulina, die als Zeugin im Prozess gegen ihn aussagen musste. Da sie zu diesem Zeitpunkt gerade mit ihrem Studium fertig gewesen war, hatte sie das Angebot eines großen Betriebes angenommen und war nach Passau gezogen. Schneidlinger folgte ihr, als dort die Stelle bei der Mordkommission vakant wurde. Rein zufällig, wie er immer wieder betonte.

      Tatsächlich wusste sie längst, dass er mehr als Sympathie für sie empfand, doch sie hatte Respekt vor seiner Familie und hielt sich an die freundschaftlichen Regeln: Rotwein und Reden ja. Sex nein!

      Natürlich hätte sie ihm einfach sagen können, dass das, was sie tat, ihn nichts anging. Aber das war nicht ihr Ding, und wenn er sich darauf versteift hatte, dass Studieren bei ihr gleichbedeutend mit „sich prostituieren“ war, dann hatte sie einfach keine Lust, mit ihm darüber zu diskutieren. Und um weiteren Streitereien aus dem Weg zu gehen, hatte sie im März beschlossen, das Thema einfach auszusparen und ohne sein Wissen ihr Studium aufzunehmen. Er war ein Freund, mehr nicht, und ein Freund musste ja nicht alles wissen.

      Nach einem kurzen Abstecher über die Mensa-Cafete, wo sie sich bei Emma schnell einen Cappuccino to go der Extraklasse holte, erreichte Paulina das IT-Zentrum. Bene hatte sein Fahrrad längst abgeschlossen und stand nun plaudernd mit einigen Kommilitonen zusammen, die ebenfalls mit dem Rad gekommen waren. Radfahren stand ganz oben auf Paulinas Wunschliste. Der Inn-Radweg war ein Traum, das wusste sie vom Joggen, und per Fahrrad würde sie viel weiter kommen, bis in die reizende österreichische Stadt Schärding etwa. Dumm war nur, dass ihr Fahrrad seit dem Umzug aus München mit einem platten Vorderreifen im Keller stand und sie noch immer niemanden gefunden hatte, der ihr beim Austauschen der Schläuche half. Aber vielleicht konnte sie ja einen ihrer Kommilitonen ansprechen. Oder doch ihren Freund Schneidlinger?

      Paulina steuerte die kleine Gruppe an, warf einen Blick auf die Uhr und mahnte: „Auf gehts, der Prof mag es doch nicht, wenn wir zu spät kommen!“

      Vielleicht sollte sie nachher auch einfach mal Bene fragen, ob er ihr den Reifen wechseln würde. Fragen kostete ja nichts, das hatte sie in ihrem Leben gelernt und auch, dass Männer gerne helfen, wenn man sie nett darum bittet.

      Wohlig räkelte sich Franziska im warmen Badewasser. Ihr Kopf ruhte auf einem Handtuch, die in Pink lackierten Zehen spielten mit dem Badeschaum. Seit Walter aus Palermo zurück war, achtete sie wieder mehr auf ihr Äußeres.

      Ein halbes Jahr hatte er sich dort als Gastarbeiter an einem Theater weitergebildet – und damit war ein großer Traum von ihm in Erfüllung gegangen. Natürlich hatte sich Franziska für ihn gefreut und war auch gleich zwei Mal zu ihm ans Meer gereist, um mit ihm gemeinsam in einem kleinen Haus die schönste Zeit ihres Lebens zu verbringen, wie sie, allein wieder zuhause angekommen, seufzend feststellen musste. Während ihres gemeinsamen Urlaubs war einfach alles perfekt. Da stand kein Wölkchen an ihrem persönlichen Himmel, die Zeit flog dahin und nichts konnte ihr Glück trüben. Doch als der Tag der Abreise kam, schlichen sie sich wie aus dem Nichts heran, die trüben Gedanken, die sie mit Wucht von ihrer rosa Wolke katapultierten, hinab in einen Strudel aus Eifersucht und Zweifel. Sie bezeichnete das stets als ihr Temperament, während Walter sie lachend eine kleine Spießerin nannte. Doch egal welchen Namen sie ihnen gab: Diese Gedanken taten weh und machten Franziska verletzlich – ein Umstand, den sie so gar nicht leiden konnte.

      Doch jetzt war alles so, wie Franziska es sich wünschte. Walter war zurückgekommen, lebte in der kleinen Wohnung über der Theaterwerkstatt in Maierhof und arbeitete wieder am Passauer Stadttheater. Mit dieser Situation konnte sie umgehen. Und wenn sie beide Zeit hatten, dann waren sie zusammen. Wenn Walter sich dann etwas Besonderes für sie ausdachte, wurde ihr schon beim Gedanken daran ganz heiß und ein wunderbares Kribbeln breitete sich in ihrem Schoß aus.

      Ein Grinsen huschte über Franziskas Gesicht und setzte sich in ihren Mundwinkeln fest. Walter hatte sie ins Bad geschickt. Sie solle sich vom Dienst entspannen, abschalten, runterkommen. Als ob das jetzt noch ginge. Denn Walter war in ihrer Wohnung und bereitete etwas für sie vor. Das konnte eine Kleinigkeit sein wie ein köstliches Essen oder aber etwas ganz Ausgefallenes wie das Bemalen ihres nackten Körpers in der Künstlerwerkstatt. Er hatte sie schon an die ausgefallensten Orte entführt oder zu Tristans Isolde gemacht. Bei Walter war alles möglich, nur langweilig wurde es nie.

      Vorsichtshalber hatte Franziska ihre langen Haare aufgesteckt, damit sie sie nachher nicht erst noch umständlich föhnen musste. Nachher war schon ganz bald, nämlich dann, wenn Walter mit seinen Vorbereitungen fertig war und sie holen kam.

      Mit den Zehen bediente sie den Wasserhahn und ließ noch ein wenig heißes Wasser nachlaufen. Nie musste sie ihm sagen, was sie gerne hätte und was lieber nicht. Walter hatte ihre Bedürfnisse von Anfang an erkannt und wusste sehr genau, wie er sie nehmen und was er ihr geben musste. Und letztlich war die Ungewissheit über das was kommen würde der Grund, warum sie das Warten kaum noch ertragen konnte.

      Walter, der leidenschaftliche Frauenversteher, wusste immer, was sie gerade brauchte. Holte sie mit seinen verrückten Ideen aus ihrem Alltagstrott und schenkte ihr damit den wunderbarsten Sex, den man sich vorstellen konnte. Als Oberkommissarin bei der Passauer Mordkommission hatte sie nur zu gern das Heft in der Hand. Und viele Jahre lang hatte sie gedacht, so müsse es auch sein, wenn sie mit einem Mann intim war. Bis sie den Bühnenkünstler Walter Froschhammer kennenlernte. Gleich zu Beginn, als eine Beziehung noch gar nicht infrage kam, übernahm er die Regie und reizte sie mit seinen Anspielungen und Nachrichten bis aufs Blut, das nur zu leicht in Wallung geriet, sobald sie ihm begegnete. Doch das war eine gefühlte Ewigkeit her.

      Inzwischen kannten sie sich sehr gut, und so hatte sich vieles zwischen ihnen verändert. Nur eine Sache wollte ihr einfach nicht aus dem Kopf: Als die Schauspieler während der Mordermittlungen im Passauer Stadttheater den Bühnenkünstler charakterisieren sollten, hatten sie berichtet, dass dieser Frauen gern in einem Akt festhielt. Und um ihre wahre Schönheit zu zeigen, führte er sie vorher zum Höhepunkt. Ob das so stimmte, wusste nur er. Denn egal wie raffiniert Franziska ihn auszuhorchen versuchte, Walter schwieg beharrlich.

      Seufzend suchte sie nach einem unverfänglicheren Thema für ihre Gedanken. Schon huschte das nächste Lächeln über ihr Gesicht. Trotz der oft ausschweifenden Pizzaorgien mit ihrem Kollegen Hannes hatte sie eine Figur, um die sie manche Frau beneiden würde, na ja bis auf … Ach Quatsch! Sie war eine heiße Frau, wie Walter ihr immer versicherte, und seit seine Hände ihre Haut regelmäßig zum Lodern brachten, fühlte sie sich einfach großartig.

      Ihr Blick glitt zum Türhaken, an dem auf einem Bügel ein schwarzes Nichts aus Spitze und Bändern hing. Walter hatte es aus Italien mitgebracht und ihr für den heutigen Abend als Dresscode überreicht. Mehr brauchst du nicht, hatte er gesagt, sie ganz zärtlich geküsst und ihr dann eine Wanne voll duftendem Schaumbad eingelassen.

      Franziska lauschte in die Stille der Wohnung und fragte sich, ob er mit seinen Vorbereitungen wohl schon fertig war? Sofort erfasste ein lustvolles Beben ihren Körper und trieb sie aus dem Wasser. Auf dem kleinen Hocker gleich neben der Wanne lag ein dickes, flauschiges Handtuch, in das sie sich einhüllte. Ihre Haut kribbelte voller Vorfreude, voller Ungewissheit. Vorsichtig trocknete sie sich ab und cremte ihre Haut mit einer duftenden Lotion ein. Dann stieg sie in das Nichts, was angesichts der vielen Bänder gar nicht so einfach war. Sie löste ihre langen Haare, bürstete sie durch und betrachtete sich zufrieden im Spiegel.

      Als sie die Tür zum Flur öffnete, stand Walter vor ihr und lächelte sie vielsagend an. Sein wunderbarer Körper steckte in nichts weiter als Boxershorts, die ganz lässig auf seinen Hüften saßen. Sie liebte dieses Lächeln und wusste, was es zu bedeuten hatte, doch bevor sie etwas sagen oder tun konnte, drehte er sie um und legte ihr wortlos ein schwarzes Tuch über die Augen, das er vorsichtig an ihrem Hinterkopf zuknotete.