Fae Clarke

Das bittersüße Traumkonzert


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etwas sagen? Wird er mich eigentlich beachten oder gar mit mir reden?‹

      Nervös nestelt sie an ihrem Rock, greift sich ständig in ihr offenes, langes, schwarzes Haar; kramt ziellos und blind in ihrer Umhängetasche. Eine Zigarette wäre jetzt gut. Zur Beruhigung. Nach kurzem Überlegen schiebt sie die Packung aber wieder zurück. Es wäre schlichtweg ein zu großes Risiko in solch einer Menge und bei den Temperaturen.

      Sonja dreht sich herum und erblickt die panisch wirkende Freundin. Wie immer erfassen sie die aufkommenden Emotionen. »Beruhige dich! Ich mache das schon«, versucht diese sie zu beschwichtigen.

      Lilith seufzt und murmelt etwas vor sich hin, unterdessen sich die Süße wieder nach vorn beugt. Trotz allem wagt sie einen Blick, der Pulk kommt stetig näher. Und auf einmal steht der gut aussehende Drummer vor ihnen, sie hatte ihn vor lauter Nervosität völlig aus den Augen verloren. Ohne zu zögern, reicht die Freundin ihm das Skizzenbuch und bittet ihn um ein Autogramm. Lächelnd signiert er es wortlos. Überschwänglich bedankt sie sich, wirbelt lachend herum und schwenkt das schwarze Buch über ihrem Kopf.

      »Hast du gut gemacht, kleine Sonja«, neckt sie sie.

      Mit einem Mal wird das Gekreische von links lauter. Sofort stimmen die Frauen rechter Hand ein. Das Drängeln und Schubsen werden stärker und zerquetschen sie gefühlt beinahe. Zwischen den Köpfen der schräg vor ihr stehenden Frauen sieht sie bereits seinen dunkelblonden Haarschopf. Nur noch wenige Schritte, dann ist der Sänger bei ihnen! Ihr Herz rast, will aus ihrer Brust springen.

      Sonja dreht sich rasch um, klappt bereits ihr Buch auf, um ihn signieren zu lassen. Plötzlich wird auch sie geschubst und sie lässt das Skizzenband in dem Gemenge vor den Absperrzaun fallen. Lilith schnellt nach vorn und will ihrer Freundin bei den verzweifelten Versuchen das Buch wieder zu erlangen helfen. Doch ohne Erfolg, da die Menge um sie herum immer weiterschiebt.

      Da bemerkt sie aus den Augenwinkeln, wie der Sänger gezielt auf sie zukommt. Er hat anscheinend das Missgeschick beobachtet und geht nun vor den beiden in die Hocke, um das Buch aufzuheben. Während er sich wieder aufrichtet, schaut er sie fragend an.

      Wie erwartet bekommt sie keinen Ton heraus. ›Na toll! Da stehe ich ihm endlich persönlich gegenüber und stell mich wie ein Kleinkind an. Nun wäre die Gelegenheit. Aber nein, ich habe ausgerechnet jetzt einen Kloß im Hals!‹

      Ihre Retterin reagiert dafür blitzschnell und bedankt sich bei ihm. Sie fragt ihn, ob er ihr auf irgendeiner der Seiten ein Autogramm geben könne. Er nickt und bevor er seinen Kopf zum Schreiben neigt, schmunzelt er überraschend Lilith an.

      ›Ich fall jetzt sofort auf der Stelle um!‹ Aber sie lächelt stattdessen tapfer zurück. Sein Lächeln empfindet sie schon seit Anfang an umwerfend.

      Während er in das Buch schreibt, bemerkt sie, dass er leise mit Sonja spricht. Anschließend klappt er es wieder zu und flüstert ihr etwas ins Ohr. Blöderweise kann sie es akustisch nicht verstehen und wird nervös. Was murmelt dieser Traum eines Mannes ihrer Freundin zu? Zu gern würde sie in diesem Moment in ihren Körper schlüpfen, um seine Stimme zu vernehmen und seinen Atem auf ihrer Haut zu spüren.

      Einer der Männer in Schwarz tritt seitlich an ihn heran und raunt ihm etwas zu. Wahrscheinlich drängt er ihn weiter, weil er sich bereits viel zu lange bei ihnen beiden aufhält. Der Sänger hebt den Kopf und blickt ihr unerwartet in die Augen. Dann zwinkert er ihr auch noch frech zu. Sie spürt das Blut in ihr Gesicht schießen. Sein Lächeln wird zu einem Grinsen, als er wohl ihre Röte bemerkt. Und obwohl sie sich in seinen blauen Augen verlieren möchte, lächelt sie tapfer zurück.

      Er wendet sich an den Anzugträger, gibt ihm das Buch und spricht einige Sätze mit dem Mann. Dann nickt er den beiden noch einmal zu und geht nach rechts zu den mittlerweile ungeduldig wartenden Fans weiter. Die Freundinnen blicken dem Sänger ratlos und fragend nach.

      Noch bevor sie etwas zu Sonja sagen kann, kommt der Typ mit dem Notizbuch auf sie zu und reicht es ihr. Er winkt Lilith ebenfalls heran und beugt sich zu ihnen nach vorn. Schnell stellt sich heraus, dass er der Tourmanager ist.

      »Ich möchte euch beide bitten, Punkt 18 Uhr bei der Treppe am Haupteingang zu sein.«

      »Okay. Aber warum? Wir haben schließlich keine Karten«, erklärt sie hastig.

      »Das ist nicht meine Entscheidung, ich führe nur eine Anweisung aus«, meint er bestimmend und dreht sich herum, um dem Sänger hinterher zu eilen. Dieser wendet seinen Kopf in ihre Richtung und nickt ihnen zu, als der Manager mit ihm spricht.

      Am liebsten möchte sie auf der Stelle umfallen und liegen bleiben. Glücksgefühle übermannen sie, ihr macht das Schieben und Schubsen für diesen einen Moment nichts aus. ›Täusche ich mich? War da was? Nein, das bilde ich mir ein! Das kann nicht sein!‹

      Während ihre Gedanken kreisen, kommen die anderen Bandmitglieder an ihnen vorbei und signieren ebenfalls Sonjas Buch. Wie in Trance bekommt sie mit, wie sich die Freundin mit allen ein wenig unterhält. Oder eher flirtet. So ist sie eben.

      Noch einmal stellt sie sich auf die Zehenspitzen und macht ihn in einiger Entfernung ausfindig. Er hat den Eingang beinahe erreicht und plaudert fröhlich mit den Fans. Und wieder hat sie den Eindruck, als ob er zu ihnen blicken würde. Aber das kann nicht sein, schließlich sind sie zu weit weg, als dass er sie ausmachen könnte. Hastig schnellt sie zurück, um ihn nicht unentwegt anzustarren, und blickt auf ihre kleine, silberne Uhr. In einer guten halben Stunde sollen sie am Haupteingang sein. Ob sie überhaupt hingehen sollen? Was wollen sie dort?

      ›Ich stelle mich nicht wieder in eine Menschenmasse und weiß dabei noch nicht mal, worum es geht!‹ Ihr Entschluss steht fest.

      Drängend legt sie ihre Hand auf Sonjas Schulter und meint: »Können wir jetzt bitte heimfahren? Ich muss hier raus, mir wird das alles zu eng und vor allem viel zu viel.«

      Diese schaut sie verdutzt an. »Aber wir sollen doch zum Haupteingang kommen?!«

      »Nein, Süße. Ich habe keine Lust auf ein weiteres Gedränge. Und wer weiß, was dieser Typ von uns will.«

      »Komm schon, lass uns doch einfach mal zum Eingang gehen und dann sehen wir weiter. Bist du denn kein bisschen neugierig, was sie wollen? Was er will?« Beherzt nimmt Sonja ihre Hand und zieht sie mit sich durch die Massen kreischender Fans.

      »Was hat er dir denn gesagt?«, fragt Lilith nach einer Weile gespannt.

      »Wie? Was soll er mir gesagt haben?«

      »Na er hat sich doch mit dir unterhalten? Erzähl mir jetzt bloß keine Märchen.«

      »Ach so das! Er wünschte uns viel Spaß. Ich sagte ihm aber sofort, dass wir keine Karten mehr bekommen haben und deshalb leider nicht am Konzert teilhaben können.«

      »Ja und?«, stochert sie weiter.

      »Ja nichts weiter. Das war es schon.«

      Einfach so? Irgendwie ist sie misstrauisch. Als sie endlich die Fanmassen hinter sich lassen, klappt die Freundin das Buch auf. Neugierig schaut sie über Sonjas Schulter und wirft einen Blick hinein.

      Da prangen seine Worte auf dem weißen Papier. Abrupt bleibt sie stehen. Ihre Vertraute, die einige Schritte weitergegangen war, sieht zurück und hält ebenfalls inne. »Was ist denn los?«, fragt sie mit besorgtem Unterton.

      »Hast du das gelesen?« Mehr flüsternd kommen die Worte über ihre Lippen.

      »Ja und?«, fragt nun ihr Gegenüber sichtlich verwirrt.

      »Du hast ihm meinen Namen genannt?«

      »Ja, warum denn auch nicht? Er hat mich nett gefragt: ›Wie heißt denn deine Freundin, die so schüchtern hinter dir steht?‹ Und da habe ich es ihm einfach gesagt. Da ist doch nichts dabei, oder?«

      Entschlossen geht sie auf sie zu und nimmt ihr das Buch aus der Hand.

      ›Für die reizende Sonja und die bezaubernde Lilith. Chris‹

      Wie betäubt liest sie immer und immer wieder