Fae Clarke

Das bittersüße Traumkonzert


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und ich weiß, dass die Karten innerhalb von Minuten weg waren«, setzt er fort. »Du brauchst dich nicht zu erklären. Und irgendwie habt ihr mir leidgetan zwischen all den kreischenden Mädels, die wirklich nicht zimperlich waren.«

      Sie schaut ihm direkt in seine blauen Augen und möchte etwas erwidern, doch er hebt die Hand und meint: »Das war nicht böse gemeint, im Gegenteil. Außerdem …« Kurz hält er inne und blickt sie schweigend an.

      Währenddessen verlassen die anderen Bandmitglieder beinahe unbemerkt hinter ihr den Raum. Nun ist sie allein mit ihm, allein mit dem Sänger, für den sie seit so vielen Jahren schwärmt, den sie ungemein sympathisch findet und der gegenwärtig all ihre Vorstellungen bei Weitem übertrifft. Er ist ihr gegenüber nett und charmant, das hätte sie niemals erwartet. Immerhin umgibt er sich stets mit schönen und berühmten Frauen.

      »… hat mich deine Erscheinung neugierig gemacht«, erklärt er unerwartet weiter.

      Kurz schaut sie ihn verdutzt an. Ach so! »Oh, okay. Und was an mir macht dich so neugierig?«, fragt sie ihn und ist über ihre eigene Selbstsicherheit erstaunt.

      »Du passt so gar nicht in dieses Schema. Bitte versteh mich nicht falsch. Aber wenn man sieht, welche Mädchen und Frauen uns tagtäglich auf Tour begegnen, dann bist du oder seid ihr schon außergewöhnliche Erscheinungen.«

      Sie blickt an sich herab und zupft an ihrem ausgestellten Rock. Nun legt er seinen Kopf schräg, um in ihre Augen sehen zu können.

      »Das war wirklich ein Kompliment«, meint er und strahlt sie an, als sie zu ihm aufblickt.

      Herzklopfen und ein Kloß in ihrem Hals machen sich bemerkbar. Auf einmal realisiert sie, mit wem sie hier eigentlich spricht, allein mit ihm in einem Raum! Ihre Nervosität kommt wieder hoch und ihr Selbstbewusstsein schwindet dahin.

      Auf Kommando steckt Joe den Kopf durch die Tür und meint: »Chris? Kommst du mal?« Die Rettung in der Not!

      »Ja, sofort.«

      Er schaut sie an. »Ich muss mal kurz gehen, aber ich komme gleich wieder. Versprochen! Dann bekommst du noch ein Autogramm, nur für dich allein, okay?«

      Sein Lächeln lässt sie schwindlig werden. »Das wäre klasse.« Ein leichtes Krächzen schwingt in ihrer Stimme mit.

      Damit geht er an ihr vorbei und verschwindet zur Tür hinaus. Allerdings macht er kehrt und schaut erneut herein. »Nicht weglaufen!«

      Kaum ist er endgültig verschwunden, geben ihre Knie nach und sie muss sich setzen. Tief durchatmend sinkt sie auf den Stuhl, auf dem er vorhin saß, bis er sie erblickte. Bislang kann sie es nicht fassen, dass sie ihm gerade eben noch gegenüberstand. Seine Augen, sein Lächeln! Verträumt schließt sie die Lider und genießt die momentane Ruhe. Lässt das Geschehene Revue passieren. Sie hier allein mit ihm! Und er nimmt sich auch noch die Zeit, um mit ihr zu sprechen. Mit ihr! Einer absolut unbedeutenden Person.

      Durch jähes Türenschlagen und eilige Schritte wird sie aus ihren Gedanken gerissen. Hastig kramt sie in ihrer Tasche, um das Ticket für ein Autogramm hervorzuholen. Noch bevor sie sich erheben kann, steht er bereits hinter ihr.

      »Na? Bequem?«, neckt er sie.

      »Ähm, ja … äh, nein«, stockt sie und will schnell aufstehen. Doch er legt seine Hand auf ihre Schulter und drückt sie wieder auf den Sitz zurück. Kurz genießt sie diesen Moment und versucht sich diese sanfte Berührung einzuprägen, das wird ihr niemals jemand glauben!

      »Das war ein Spaß. Du hast wahrscheinlich da draußen ewig gestanden, oder?«

      Dankbar lächelt sie ihn an und nickt zustimmend. Er entdeckt das Ticket in ihrer Hand und nimmt es ihr ab. Der Sänger greift nach einem Stift, der vor dem Spiegel liegt, und beugt sich neben ihr nach vorn, um die Eintrittskarte zu signieren. Dabei nimmt sie seinen Duft wahr und schließt die Augen, um diesen intensiver einzuatmen. ›Er riecht so verdammt gut‹, schießt es ihr durch den Kopf.

      »Hey, Träumerin«, raunt er ihr zu.

      Erschrocken richtet sie ihren Blick wieder auf ihn und sein Gesicht ist dem Ihren sehr nah, zu nah. ›Wie verführerisch‹, denkt sie sich und plötzlich wird ihr klar, woran sie gerade gedacht hat und wohin ihre Gedanken abzuschweifen drohen. Schnell senkt sie ihren Blick und beginnt mit ihrem Silberring zu spielen. Diese Nervosität ist selbst für ihn nicht zu übersehen. Beruhigend legt er seine Hand auf die ihre und bemerkt dabei anscheinend die Zigarettenschachtel, die vorhin in der Eile aus der Tasche gerutscht zu sein scheint.

      »Oh. Du rauchst?«, fragt er sie erstaunt.

      »Ja? Ich hoffe, das stört dich nicht?«, entgegnet sie angespannt, was aber unsinnig ist, da sie sich eh gleich voneinander verabschieden werden.

      »Nein, das ist in Ordnung. Ich verrate dir ein Geheimnis, ich rauche auch gelegentlich. Aber das darf kein Außenstehender erfahren, es ist eine so dumme Angewohnheit. Ich würde gern aufhören, aber der Stress erschwert diesen Wunsch.«

      Lächelnd meint sie: »Das kann ich vollkommen verstehen.«

      Nickend reicht er ihr das Ticket zurück.

      ›Für meine dunkle, geheimnisvolle Schöne, Lilith – von Chris‹

      Sie wird knallrot und ihr wird warm, als sie den Kopf hebt, um sich zu bedanken, doch aus ihrem Mund kommt kein Laut. Diese Lippen sind viel zu verführerisch für sie. Nur einmal … Nein! Niemals!

      »Was hältst du davon, wenn wir zwei kurz vor die Tür gehen und unserer Sucht frönen?«, lenkt er ein, als würde er ihren inneren Zwist erahnen.

      Dankbar schiebt sie das Ticket zurück in die Tasche. Er steht auf und reicht ihr seine Hand, um ihr aufzuhelfen. Sehr nah zieht er sie zu sich hoch. Beinahe geben ihre Knie wieder nach, doch er hält sie fest. Charmant reicht er ihr seinen Arm, unter dem sie sich einhaken kann, und gemeinsam verlassen sie das Zimmer, um dem kleinen Notausgang entgegenzulaufen. Seine Nähe lässt sie leicht erzittern, doch sie versucht sich nichts anmerken zu lassen. Was ihr auch recht gut zu gelingen scheint.

      Als sie den Ausgang erreichen, öffnet er ihr aufmerksam die Tür. Sie tritt hinaus und atmet erst einmal tief durch. Während sie sich ihm zuwendet und ihn anblickt, bemerkt sie, dass er sich das Schmunzeln nicht verbeißen kann. Er macht sie leicht nervös, aber wer kann es ihr auch verdenken! Schließlich steht sie hier mit einem der schönsten Männer der Welt! Zumindest ist er genau das für sie.

      Beinahe verzweifelt sucht sie ihr Feuerzeug, bis er ihr sein Feuer reicht und sie damit von der Kramerei erlöst. In diesem Moment öffnet sich die Tür hinter ihm und Norman steht mit einer Zigarette zwischen den Lippen da.

      »Wir sind schon ein Haufen, was?«, meint der Sänger daraufhin lachend.

      »Ach, jeder hat so seine Laster«, erwidert sie prompt.

      Der Gitarrist lacht auf und hebt den Daumen. »Der war gut.«

      Lilith zwinkert ihm zu.

      Chris boxt ihm zwischen die Rippen und meint: »Hey, das war mein Spruch.«

      Ein gemeinsames Gelächter ertönt. Norman flüstert dem Sänger etwas ins Ohr und schaut dabei immer wieder zu ihr. Da sie nicht weiß, ob das Gespräch privater Natur ist, wendet sie sich etwas ab. Dieser kleine grüne Fleck ist umgeben von hohen Hecken, sodass keiner von außen hier hereinschauen kann. Zufällig blickt sie auf ihre Uhr und erschrickt. Ist es wirklich schon so spät? In etlichen Minuten beginnt das Konzert. Sonja wird sie bestimmt bereits suchen. Das laute Klappen der Tür hinter ihr lässt sie zusammenzucken.

      Übereilt dreht sie sich um und Chris steht sehr dicht vor ihr. Lilith spürt seinen Atem auf ihrer Haut und erschauert sichtlich. Verlegen tritt er einen Schritt zurück. »Sorry.«

      »Kein Problem«, wispert sie.

      Er öffnet ihr die Tür mit den Worten: »Es tut mir leid. Ich wollte dir gerade mitteilen, dass wir gleich beginnen. Norman meinte außerdem, dass deine Freundin Backstage auf dich wartet.«

      »Danke.