muskulöse und sehr gutaussehende, dunkelhaarige Mann musste warten, bis Fuchs endlich den vermeintlichen Tatort freigab.
„Was soll ich in dem Haus? Ich war nur wenige Male drin und könnte frei Schnauze nicht einmal beschreiben, wie es da aussieht.“ Lobmann war genervt. Esterbauer war nicht sein einziger Kunde, auch wenn er der größte war. Gerade jetzt im Frühjahr hatte er jede Menge zu tun und hatte für so einen Mist hier überhaupt keine Zeit.
„Wie war Esterbauer als Chef?“
„Ganz normal. Ich habe meine Arbeit gemacht und er hat mich bezahlt. Wie lange dauert das hier noch?“
„Der Tod Esterbauers scheint Sie nicht sehr zu berühren“, bemerkte Leo, der den Mann nicht mochte.
„Warum sollte es? Menschen sterben nun mal, das ist der Lauf des Lebens. Esterbauer ist nicht der erste Kunde, den ich verliere.“
„Sie verlieren einen gewichtigen Kunden. Soweit wir das aus den Unterlagen ersehen, waren Sie mindestens die Hälfte der Woche hier beschäftigt, wenn nicht sogar mehr.“
„Und wenn schon. Ich habe sehr viele Aufträge, die ich nicht alle erfüllen kann. Ich bin sehr gut in meinem Job, die Leute reißen sich um mich. Wenn Esterbauer wegfällt, freuen sich andere.“
Die Kriminalbeamten waren schockiert über die Kaltschnäuzigkeit des Gärtners, der neben seiner ruppigen Art auch eine Arroganz ausstrahlte, die so gar nicht zu einem Gärtner passte. Oder hatten sie alle ein falsches Bild von diesem Beruf?
Fuchs gab endlich sein Okay, dass das Haus betreten werden durfte. Als er Leo ansah, schüttelte er den Kopf. Die Spurensicherung hatte also nichts gefunden. Lobmann betrat das Wohnzimmer, danach das Büro. Das Chaos schien ihn nicht zu beeindrucken. Er ging kommentarlos weiter und sah sich im ganzen Haus um. Als er fertig war, sah er Leo an.
„Ich kann Ihnen nicht sagen, ob etwas fehlt. Das habe ich Ihnen doch gleich gesagt.“
„Danke, Sie können gehen. Halten Sie sich zu unserer Verfügung, falls weitere Fragen auftauchen.“
„Was für ein Kotzbrocken!“, sagte Hans, als die Kriminalbeamten dem Gärtner hinterher sahen, wie der mit seinem Lieferwagen davonfuhr. „Wo bleibt die Haushaltshilfe? Müsste die nicht schon längst hier sein?“
Fuchs und seine Mitarbeiter waren längst weg. Die Kriminalbeamten warteten ungeduldig vor dem Haus.
„Wir müssen doch nicht alle hier blöd rumstehen“, maulte Werner. „Ich fahre ins Büro und fange mit der Durchsicht der Unterlagen an. Ist das in Ordnung?“
„Ich begleite dich!“, rief Hans schnell. Das würde eine der wenigen Gelegenheiten sein, in denen Viktoria und Leo allein sein konnten. Vielleicht hatte er Glück und sie würden ihre Differenzen endlich aus dem Weg räumen. Außerdem ließ ihn diese Eichendorffstraße nicht in Ruhe. Er musste dringend eine Liste mit gleichnamigen Straßen erstellen. Hatte er überhaupt richtig verstanden? Schließlich war heute Morgen alles sehr schnell gegangen. Er nahm sich vor, auch über ähnlich klingende Straßen eine Liste zu erstellen.
Leo war sauer. Er war nicht schnell genug gewesen und musste nun allein mit Viktoria hier warten. Musste das sein?
Auch Viktoria war nicht scharf darauf und stöhnte genervt. Als sie allein waren, ging sie die Straße auf und ab. Die Schaulustigen hatten sich längst verzogen, es gab hier nichts mehr zu sehen. Sollte sie mit Leo sprechen? War das jetzt der richtige Zeitpunkt? Leo war die Situation genauso unangenehm wie ihr, das konnte sie an seinem Gesichtsausdruck erkennen. Er versuchte ununterbrochen, Frau Hofer zu erreichen, bekam aber immer nur die Mailbox. Er fluchte leise.
„Wir müssen miteinander reden.“, fasste sich Viktoria ein Herz. „So kann das nicht weitergehen. Wir sind doch erwachsen. Ich habe mich sehr darauf gefreut, dich wiederzusehen. Deine kalte, abweisende Art schockiert mich. Warum sprichst du nicht mit mir? Können wir das, was zwischen uns steht, nicht endlich aus der Welt schaffen? Du kannst mir doch nicht ewig aus dem Weg gehen. Komm schon, sprich endlich mit mir!“ Ihr Herz klopfte, als sie direkt vor Leo stand, der ihrem Blick auswich.
„Ich weiß nicht, wovon du sprichst. Ich verhalte mich ganz normal.“ Während er sprach, merkte er selbst, was er für einen Blödsinn von sich gab. Natürlich war er nicht normal, sondern hatte eine Stinkwut auf seine frühere Lebensgefährtin. Seit sie zurück war, ging es ihm schlecht und natürlich gab er ihr die Schuld. Wem sonst?
Viktoria wollte etwas darauf erwidern, kam aber nicht dazu. Eine junge Radfahrerin hielt direkt neben ihnen.
„Sorry, dass ich so spät komme. Ich hatte einen Arzttermin und konnte nicht früher weg. Können wir?“ Grete Hofer war Anfang dreißig und voller Temperament. Sie stellte ihr Fahrrad ab und strahlte die Kriminalbeamten an. Leo musste schmunzeln, er mochte fröhliche Frauen. Vor allem aber kam die Frau genau zum richtigen Zeitpunkt, sonst hätte er sich noch mit Viktoria privat unterhalten müssen und das wollte er auf keinen Fall.
Grete Hofer wusste bereits, weshalb sie hier war, und sah sich im ganzen Haus um. Das Chaos erschreckte sie zunächst, aber sie gewöhnte sich schnell daran.
„Der Teppich im Gästezimmer fehlt. Er ist dunkelblau mit roten Akzenten. Sehr schwer, sehr wertvoll und potthässlich. Frau Esterbauer hatte ihn vor einem Jahr von einer alten Tante geerbt und brachte es nicht übers Herz, ihn zu verkaufen oder zu verschenken. Also landete er im Gästezimmer.“
„Sie sind sich sicher?“
„Klar. Ich arbeite hier seit zwei Jahren und kenne jedes einzelne Stück. Wenn ich sage, dass der Teppich fehlt, dann ist das so.“
„Was können Sie uns über das Ehepaar Esterbauer sagen? Wie war deren Ehe? Gab es Streit?“
„Es gab sicher Streit, wie überall. Ob die beiden eine glückliche Ehe führten, kann ich nicht beurteilen und das steht mir auch nicht zu. Ich habe meine Arbeit gemacht und wurde anständig und pünktlich bezahlt. Frau Esterbauer war zu mir persönlich immer freundlich, aber distanziert. Zwischen uns gab es nur sehr wenige private Worte. Wenn ich meine Arbeit machte, war sie entweder beim Einkaufen oder hatte sonstige Termine. War sie zuhause, saß sie meist mit einem Buch im Wintergarten. Herrn Esterbauer habe ich nur sehr selten gesehen. Wenn er zuhause war, hat er sich in sein Arbeitszimmer zurückgezogen und die Tür geschlossen. Herr Esterbauer und ich haben uns nie unterhalten, das hat sich nicht ergeben. Aber er grüßte immer freundlich, wenn wir uns doch zufällig begegneten.“
„Sie haben verstanden, dass Frau Esterbauer ermordet wurde und dass wir nach Herrn Esterbauer suchen?“
„Sicher. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch. Das ist alles sehr schrecklich, keine Frage. Aber ich kannte die beiden nicht näher, habe kaum ein persönliches Wort mit ihnen gewechselt. Ich habe meine Arbeit gemacht und die beiden gingen mir aus dem Weg. Außerdem hätte ich meinen Job nach der gewonnenen Wahl sowieso verloren.“
„Warum das denn?“
„Esterbauer wäre als Minister des Bundes beruflich einen riesigen Schritt nach vorn gekommen. Es war ein offenes Geheimnis, dass die Esterbauers nach der gewonnenen Wahl nach Berlin umgezogen wären. Bei einer verlorenen Wahl wären sie wieder nach München gezogen. Herrn Esterbauers Eltern sind nicht mehr die Jüngsten und er als Sohn wollte in deren Nähe sein, was ich verstehen kann. Ich habe mitbekommen, dass das Haus hier verkauft werden sollte.“
„Wenn die beiden hiergeblieben wären, hätten sie ihren sicheren Job behalten können.“
„Früher oder später wäre ich für einen Mann in Esterbauers Position nicht die Richtige in seinem Umfeld gewesen, das wurde mir schon lange durch die Blume mitgeteilt. Ja, ich bin nicht die Klügste und kann auch nicht behaupten, dass ich von Ehrgeiz zerfressen bin. Als alleinerziehende Mutter eines kleinen Jungen hätte ich mich als Vorzeigeobjekt bestens geeignet. Allerdings gibt es zwei dunkle Flecke in meiner Vergangenheit, die sich für einen Saubermann in der Politik nicht gut machen. Sie finden es sowieso heraus, deshalb beichte ich lieber gleich, dass ich zwei Vorstrafen kassiert habe.“ Grete Hofer blickte in fragende Gesichter. „Drogendelikte